Herzstücke Hamburg. Christine LendtЧитать онлайн книгу.
modernen, multikulturellen Teekultur. Das neue Image des heißen Getränks ist: weltoffen, trendy und poppig verpackt.
Es war einmal eine Frau mit osmanischen Wurzeln namens Esin, Morgenwind. Sie lebte in der Tee-Metropole Hamburg, trank gerne Tee, hatte es aber satt, immer nur die gleichen qualitätslosen Sorten zu kosten. Eines Tages brachte ihr Mann von seinen Reisen aus fernen Ländern exotische Kräuter mit. Sie entwickelte aus diesen wohlriechenden Ingredienzen 25 wunderbare Teemischungen und gab ihnen fantasievolle Namen. Der Duft, die Farbe und der Geschmack dieser Mischungen verführten sogar Nicht-Teetrinker. Für die Erfinderin ist das Heißgetränk »wie sonst nur die Musik – ein Bestandteil der Kulturen dieser Welt«. So lässt sogar ein Scheich aus Abu Dhabi »Magic Gold«, eine Kombination aus Rosenblättern, Safran, Blattgold und schwarzem Tee, in die Emirate einfliegen. Dort wird er von der Königsfamilie als Zeichen von Dankbarkeit und Freundschaft weitergereicht.
Esin Ragers Reich der Aromen, das samova, befindet sich aber nicht in einem Schloss, sondern in Billstedt, in einem ehemaligen Wasserwerk. Hier, in der sogenannten Palastküche, kann Tee gekostet, gerochen oder gekauft werden. Eine Tasse Heidis Delight mit Minze, Zitronenmelisse und Rosmarin zaubert Teegenießer in eine andere Welt.
Biokräuter wie Färberdistel, Kornblume sowie Frauenmantelblätter versetzen einen in die Schweizer Alpen, und von Kraft durchströmt wähnen Sie sich schon auf einer Bergtour durch Bäche und Almwiesen. Zuvor können Sie aber auch an samovas regelmäßigen Tanztees teilnehmen. Esin heißt übrigens auch Inspiration.
samova GmbH & Co. KG · Öjendorfer Weg 30 A (Kulturpalast Billstedt) 22119 Hamburg · Tel. 040/85 40 36 40 · www.samova.net U 4 oder U 2 Haltestelle Billstedt Outlet-Laden · Sa 12–19 Uhr · Merkenstr. 41 · 22117 Hamburg U 4 oder U 2 Haltestelle Steinfurther Allee, weiter mit Bus 432 Haltestelle Reinskamp
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LABSKAUS ZU KALLES LIEDERN
Im Hafenviertel rund um die Große Elbstraße gibt es viele Kneipen und Bars. Die Haifischbar ist ein Original. Auch wenn sie sich heute als »maritime, freundliche Gaststätte« bezeichnet: Die raue Brise, die seit ehedem Seefahrer hereintreibt, weht beständig.
Der Matrose starrt hinab auf den Tresen, sein verlorener Blick im Gemälde verewigt. Vielleicht saß auch er einst hier an der Bar, kurz vor dem Aufbruch nach Übersee, die Geliebte weinend am Kai. Nur eine der wildromantischen Geschichten, die im Schummerlicht der Haifischbar lebendig werden. Wände und Decke hängen voll mit Andenken aus aller Welt, Totenköpfe, ein Sombrero, Öllampen, Rettungsringe, Netze, Taue, Flaggen, eine hölzerne Bordleiter, mittendrin klafft das Gebiss eines Hais. Tote Fische, wohin man schaut. Spielautomaten. Die blank gesessenen Barhocker trugen schon manchen Stammgast, bis der Tresen die Stirn berührte. Nebenan bietet die Seemannsmission Fahrenden ein Bett für die Nacht. »Kapitäne schauen immer noch gern bei uns vorbei«, raunt Barmann Kalle, »es kommen aber auch Prominente, Szeneleute und sogar Touristen.« Seit ungefähr 20 Jahren zapft er die herben Biere, bringt Grog zum Durchwärmen und Labskaus, das klassische Seemannsgericht.
Freddy Quinn und andere Stars verhalfen der Kneipe in den 1960er-Jahren zu Ruhm, als sie in einer verrauchten Fernsehserie mitspielten. »In der Haifischbar ist es ganz wunderbar«, reimten sie fröhlich. Inzwischen versucht die Haifischbar ab und zu, eine ganz normale Hafengastronomie zu sein. Es stehen Sonnenschirme vor der Tür und nachmittags gibt es Kuchen (auf Anfrage). In Wahrheit hat sich zum Glück nichts geändert. Es ist drei Uhr in der Früh, von der Reeperbahn strömen neue Gäste herein. »Sollen wir wirklich …?«, sagen ihre Gesichter. Es ist eben auch eine Spelunke. Spätestens, wenn Kalle zur Gitarre greift, fühlt sich jeder willkommen. Ein zweites Zuhause, wie für alle, die zur See fahren und fern der Heimat einkehren.
Haifischbar · Große Elbstraße 128 · 22767 Hamburg Tel. 040/380 93 42 · www.haifischbar.hamburg S-Bahn Königstraße (S 1 / S 2 / S 3 / S 31)
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FEILSCHEN MIT EULEN UND LERCHEN
Samstags verwandelt sich das Schlachthofgelände in einen einzigartigen Marktplatz. Hier finden Sie alles, außer drei Dinge: Neuwaren, Socken und Sonderposten. Darauf legt man hier Wert. Zu einem echten Flohmarkt gehört eben echter Trödel. Flohschanze ist für alle da, die den Jahresputz zur Entrümpelung nutzen. Und das machen viele Hamburger. Sehr viele. Besonders an der Flohschanze ist das Verständnis für die unterschiedlichen Biorhythmen der Menschen. Hier gibt es nämlich einen gestaffelten Aufbauzeitplan mit »Ab-9-Uhr-Standflächen«. Die Eulen verdienen damit zwar weniger als die Lerchen unter den Verkäufern, aber um Geld geht es hier nicht wirklich beim Treiben rund um die denkmalgeschützte Alte Rinderschlachthalle. Ziel ist, möglichst das Doppelte des Ertrags gleich wieder auszugeben.
Flohschanze · Sa 8−16 Uhr (ganzjährig) · Neuer Kamp 30 · 20357 Hamburg Tel. 040/270 27 66 · Infos & Standvergabe: www.marktkultur-hamburg.de U 3 Feldstraße
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ABGANG ANHALTEND MIT DUNKLER SCHOKI
Zu jeder guten Stulle gibt es das passende Bier, dank fachkundiger Beratung aus rund 70 Sorten ausgewählt. Bereits beim Lesen der Karte gewinnen Sie hier überraschende Erkenntnisse. »Kräftig, goldfarben und von feiner Hefe durchzogen. Duft nach Pfirsich und Ananas.« Oder: »Sehr süffig und erfrischend, wunderschöner Hopfen. Abgang anhaltend mit dunkler Schoki.« Schon die Karte zu studieren erweitert das eigene Wissen in vielerlei Hinsicht. Denn Axel Ohm und Patrick Rüther reisten um die Welt und brachten mit, was sie in ihrem »Altes Mädchen Braugasthaus« in den historischen Viehmarkthallen (1896) bei leckerem Essen für ausschankwürdig hielten. Sicherheitshalber klären die Betreiber auf: »Aber keine Angst, bei uns geht das nicht so in Richtung Wein, der von Pinguinen zum Essen serviert wird. Im Gegenteil: Wir sind da eher total entspannt.«
Altes Mädchen Braugasthaus · Mo−Sa ab 12, So ab 10 Uhr · Lagerstraße 28b 20357 Hamburg · www.altes-maedchen.com · U 3, S 3, S 21 Sternschanze
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QUALMEN UNTER SCHIFFSMODELLEN
Warum eigentlich nicht? Trauen Sie sich doch mal wieder in eine richtig voll gequalmte Kneipe zu gehen. Beim Eintreten kräuseln sich erste Rauchwölkchen um Ihre Nase. In der seit 1896 bestehenden Pinte lässt es sich inmitten von Ur-Hamburgern gut schnacken. Vielleicht doch eine genüsslich schmöken?
Im Dämmerlicht und der Wärme des dunkel gehaltenen Raumes stellt sich ein nostalgisches Gefühl ein. An der Decke schwanken alte Schiffsmodelle und hängen verstaubte