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Herzstücke Hamburg. Christine LendtЧитать онлайн книгу.

Herzstücke Hamburg - Christine Lendt


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hier ein bisschen stehen geblieben. Reduziert auf die sinnliche Erfahrung, in Zigarettennebel, Wärme und Biergeruch für den Augenblick geborgen zu sein.

      Manche nennen es Gemütlichkeit. Genauso können bei dem einen oder anderen Gast auch beklemmende Assoziationen aufsteigen. Zum Beispiel Erinnerungen an den Frauenmörder Fritz Honka, der in den 1970er-Jahren gern Korn mit gelber Brause in einer ähnlichen Eckkneipe auf dem Kiez trank, dem »Goldenen Handschuh«. Dort lernte er seine Mordopfer kennen, die er wenig später auf dem Dachboden zersägte. Glücklicherweise verkehrt hier ein anderes, bunt gemischtes Publikum. Viele kommen vom rauchfreien Mercado-Center um die Ecke, um endlich in aller Ruhe die geliebten Zigaretten zu genießen.

      Seit dem Rauchverbot 2008 haben Wirte in die Trickkiste gegriffen: Damit ihre Gäste weiterhin qualmen dürfen, gründeten sie Vereinslokale, in denen rauchen noch erlaubt war. Vor einigen Jahren wurde diese Auflage aufgehoben, solange das Lokal bis zu 75 Quadratmeter beträgt. Die Kneipe heißt jetzt »Gaststätte Möller« und nicht mehr »Raucherclub Möller’s«. Der Chef Dieter Ostwald, selbst Nichtraucher, hat auf das Schild mit den Öffnungszeiten gekritzelt: »Solange ich Lust hab« – hier wird eben nicht nur Umsatz gemacht.

      Gaststätte Möller · Tgl. ab 11 Uhr · Bahrenfelderstraße 91 · 22765 Hamburg Tel. 040/39 22 57 · S-Bahnhof Altona S 1, S 3, S 11 Bahnhof Altona

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       FISCHBUDE EINES WAHREN KÖNIGSPAARES

       Vier Fischbrötchen auf dem Schild über dem Fenster weisen darauf hin: Hier ist die Küche schnell und schlicht. Eingeweihte wissen: Viel, viel mehr steckt drin in der Holzbude vom Museumshafen Övelgönne. Hier erwarten Sie Salsamusik zum Matjes, wilde Seemannsgeschichten und ein Eisbrecher vor der Tür.

      Nuggis erste Elbkate stand ab 1992 und war ein Fahrradhäuschen vom Baumarkt. Ein Kran hatte es samt Betonfundament auf den Anleger Övelgönne befördert. Heute ist die Bude nicht mehr sechs-, sondern viereckig und mindestens genauso gemütlich wie früher. Es gibt unverändert dick belegte Fischbrötchen, Bockwurst, Krakauer und Erbsensuppe, draußen an der Klappe und drinnen an der winzigen Bar. Dazu die Knolle Astra, aufn Poller setzen, mehr braucht man nicht. Nach Jahren als Schiffladungskontrolleur und Leichtmatrose, Fahrten mit Papagei Paula und Pavian Ali und vielen Frauen in vielen Häfen fand Nuggi hier eine neue Berufung. Zuvor besaß er einen Imbiss auf Rügen, der wurde ihm geklaut.

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       Im Hafen können Sie den Dampf-Eisbrecher »Stettin« besichtigen (tgl. 10−18 Uhr). Manchmal ist er auf Fahrt und nimmt Gäste mit. Termine siehe www.dampf-eisbrecher-stettin.de.

      Er stammt aus Ottensen und heißt eigentlich Dieter Nuggmeyer, aber so nennt ihn keiner. Vielmehr kennt man ihn auch als »König der Dominikanischen Republik«, und die Königin, wenn man so will, heißt »Nani« Lucia Hiraldo. Er traf sie auf den Großen Antillen, verlor sein Herz und nahm sie als Braut mit in den Nieselregen. Seither ist Nuggi, vorher höchstens fünf Wochen lang verheiratet, so etwas wie sesshaft geworden, aber nur für einige Monate im Jahr. Während der anderen folgt er weiterhin dem Fernweh. Nani sorgt unterdessen dafür, dass es immer knackfrische Fischbrötchen gibt. Wenn ihr die Heimat fehlt, verwandelt Salsamusik die hanseatische Kate in einen ganz warmen Ort.

      Nuggis Elbkate · Museumshafen Övelgönne · Neumühlen 1 · 22763 Hamburg Bus 112 bis Haltestelle Neumühlen/Övelgönne · HADAG-Fähre 62 bis Anleger Neumühlen/Museumshafen

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       GEBOREN WERDEN, ANDERS HERUM

       Ein Lokal in einem Hinterhof der Reeperbahn, das durch zwei gespreizte Frauenbeine zu betreten ist, lässt keine Zweifel offen, denken Unwissende, und gehen lieber weiter. So verpassen sie die wohl kultigste Kneipe auf dem Kiez. Im hauseigenen Boxring trainierten schon die Klitschkos.

      Die Ritze sollte ursprünglich »Spalte« heißen, aber das war den Behörden zu schlüpfrig. Wie alt sie ist, weiß niemand so genau, denn als sie eröffnet wurde, regelte man solche Dinge auf dem Kiez noch per Handschlag. Es muss wohl in den frühen 1970er-Jahren gewesen sein. Seitdem hat sich kaum etwas verändert im Hinterhof Reeperbahn Nummer 140. Noch immer empfängt der dunkle Eingang zwischen den schlanken Beinen jeden Gast. Es ist ein wenig wie geboren werden, nur anders herum und mit Erwachsenen. Das Tür-Gemälde stammt von Erwin Ross (1926–2010). Der Künstler, einschlägig bekannt als »Rubens von der Reeperbahn«, gestaltete 1962 auch die Wolkenkratzer-Skyline für den »Star-Club«. Vor dem Bühnenbild begann die Karriere der Beatles.

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       Die Pin-up-Kunst von Erwin Ross lebt ebenso weiter wie seine Promi-Porträts. Sie alle können bestaunt werden unter: www.kiez-kunst-hamburg.de

      Weil Wirt Hanne Kleine früher Boxer in der DDR-Nationalmannschaft war, ließ er in der Tiefgarage unter der Ritze einen Ring bauen. Alle waren sie hier, von Max Schmeling über Don King bis hin zu den Klitschkos. Ihre Fotos und Autogramme pflastern die Wände der Bar. Der Kiez-Kneipier starb im November 2011. Seine Witwe Kirsten (das Türgemälde zeigt ihre Beine) führte das Erbe weiter, mitsamt Boxring und Stammgästen wie Udo Lindenberg, Ben Becker und Jan Fedder, und übergab 2015 an Carsten Marek. Ein Original zwischen modernen Tabledance-Bars, Entertainment-Tempeln und Spielhallen. Es verwundert nur etwas, dass es hier bayerisches Bier gibt.

      Zur Ritze · Mo−Do ab 17 Uhr, Fr–So ab 14 Uhr · Reeperbahn 140 (Hinterhof) · 20359 Hamburg www.zur-ritze.com · S 1, S 3 Reeperbahn

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       FÜNFFACH KULTURELL GEFÜLLTE BOX

       Aus alt mach älter und doch wieder neu. In Ottensen wurden historische Fabrikanlagen nicht einfach aufgeräumt, sondern funktional neu gestaltet. Mit dem Borselhof begann 1989 der Siegeszug der Fabrikimmobilien als Adresse für Kreative.

      Alte Gleise im Kopfsteinpflaster führen zum Borselhof, einer aufwendig sanierten und modern genutzten ehemaligen Reißmaschinenfabrik. In der Basilika, dem Herzstück, befand sich früher die Gießerei und bis 2012 ein Privattheater. Nun hat hier »The Box« ein spannendes Konzept verwirklicht: fünf verschiedene Shops in einer Halle. Gegliedert durch eine filigrane Metallkonstruktion in ein Mittel- und zwei Seitenschiffe, eingefasst durch eine Empore und von einem großen Glasdach überspannt. Es harmonieren miteinander zwei Kunstgalerien (Schwerpunkt moderne Kunst, Fotografie und Skulptur die eine, internationale Jungstars die andere) mit einem Laden für Küchendesign, Klassiker-Möbel und Bücher sowie einem Café.

      Bretter können bekanntlich die Welt bedeuten und da der Boden nicht »urig« genug aussah, wurde er noch mal herausgerissen, die nagelneuen Eichendielen mit rostigen Eisenstücken in eine


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