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Maigret und der faule Dieb. Georges SimenonЧитать онлайн книгу.

Maigret und der faule Dieb - Georges  Simenon


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zu informieren. Gleich darauf habe ich Doktor Boisrond angerufen …«

      Der Staatsanwalt hielt nach dem Arzt Ausschau.

      »Was haben Sie festgestellt, Doktor?«

      »Schädelfraktur, wohl mehrere Brüche.«

      »Ein Unfall? Denken Sie nicht, ein Auto könnte ihn überfahren haben?«

      »Er ist zuerst mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf und dann ins Gesicht geschlagen worden.«

      »Sie sind also sicher, dass es sich um einen Mord handelt?«

      Maigret hätte schweigen und sie tun und reden lassen können, was sie wollten. Aber er trat einen Schritt näher.

      »Würde man nicht vielleicht Zeit gewinnen, wenn man schon die Spezialisten vom Erkennungsdienst benachrichtigen würde?«

      Es war immer noch Fumel, dem der Staatsanwalt Instruktionen gab.

      »Lassen Sie einen der Polizisten anrufen.«

      Er war blass vor Kälte. Sie alle standen um die Leiche herum und froren.

      »Ein Obdachloser?«

      »Er ist nicht wie einer angezogen, und bei dem Wetter treiben sich kaum welche im Bois herum.«

      »Ausgeraubt?«

      »Soweit ich feststellen konnte, hat er nichts in den Taschen.«

      »Einer, der auf dem Heimweg überfallen wurde?«

      »Es sind keine Blutspuren auf dem Boden. Der Arzt denkt wie ich, dass das Verbrechen nicht hier begangen wurde.«

      »Dann handelt es sich wahrscheinlich um eine Art Abrechnung unter Verbrechern.«

      Der Staatsanwalt sagte das in so entschiedenem Ton, als bestünde daran kein Zweifel. Man merkte ihm seine Befriedigung an, die richtige Lösung gefunden zu haben.

      »Das Verbrechen wird am Montmartre begangen worden sein, und die Schurken sind hergekommen, um die Leiche loszuwerden.«

      Er wandte sich an Maigret:

      »Ich glaube nicht, Herr Kommissar, dass das ein Fall für Sie ist. Sie haben sicher wichtige laufende Ermittlungen. Wie weit sind Sie mit dem Raubüberfall auf das Postamt im 13. Arrondissement?«

      »Ich weiß noch gar nichts.«

      »Und die vorherigen Raubüberfälle? Wie viele hatten wir in den letzten vierzehn Tagen in Paris allein?«

      »Fünf.«

      »Ja, die Zahl habe ich auch im Kopf. Umso überraschter bin ich, dass Sie hier sind und sich mit Kleinigkeiten aufhalten.«

      Diese Leier hörte Maigret nicht zum ersten Mal. Die Herren von der Staatsanwaltschaft waren entsetzt über die, wie sie es nannten, Verbrechenswelle, und vor allem über diese spektakulären Raubüberfälle, die sich seit einiger Zeit häuften, wie es in regelmäßigen Abständen vorkommt.

      Das bedeutete, dass eine neue Bande sich kürzlich gebildet hatte, eine neue Gang, um das bei den Journalisten beliebte Wort zu gebrauchen.

      »Haben Sie noch immer kein Indiz?«

      »Nein, keins.«

      Das stimmte nicht ganz. Er besaß zwar keine Indizien im engeren Sinn, aber er hatte eine Theorie, die standhielt und die die Tatsachen zu bestätigen schienen. Aber das ging niemanden etwas an, schon gar nicht die Staatsanwaltschaft.

      »Hören Sie, Cajou, den Fall übernehmen Sie. Aber wenn Sie mich fragen – sehen Sie zu, dass möglichst wenig darüber an die Öffentlichkeit kommt. Es ist eine banale Geschichte, ein Raubmord unter Gangstern, und wenn sich die Verbrecher jetzt gegenseitig umbringen, ist das für alle nur das Beste, verstehen Sie?«

      Er wandte sich wieder an Fumel:

      »Sie sind Inspektor im 16.?«

      Fumel nickte.

      »Wie lange sind Sie schon bei der Polizei?«

      »Seit dreißig Jahren. Seit neunundzwanzig genau …«

      Und zu Maigret:

      »Ist er gut?«

      »Ein echter Profi.«

      Der Staatsanwalt nahm den Richter beiseite und sprach leise mit ihm. Als die beiden Männer zurückkamen, wirkte Cajou ein wenig verlegen.

      »Nun, Herr Kommissar, ich danke Ihnen, dass Sie sich herbemüht haben. Ich werde mit Inspektor Fumel in Verbindung bleiben und ihm meine Instruktionen geben. Wenn ich zu einem gegebenen Zeitpunkt glaube, dass er Unterstützung braucht, werde ich Sie zu mir bitten. Sie haben zu wichtige und zu dringende Aufgaben, als dass ich Sie noch länger hier festhalten möchte.«

      Nicht nur von der Kälte war Maigret ganz blass, und er presste so sehr seine Zähne zusammen, dass das Mundstück seiner Pfeife leise knackte.

      »Meine Herren …«, sagte er, wie um sich zu verabschieden.

      »Haben Sie einen Wagen?«

      »Ich nehme mir an der Porte Dauphine ein Taxi.«

      Der Staatsanwalt zögerte, war kurz davor Maigret anzubieten, dass er bei ihm mitfahren könne. Doch da hatte sich der Kommissar, nachdem er Fumel noch zugewinkt hatte, bereits entfernt.

      Allerdings hätte Maigret ihnen eine halbe Stunde später zweifellos einiges über den Toten sagen können. Er hatte geschwiegen, weil er sich noch nicht sicher gewesen war.

      Schon in dem Moment, als er sich über die Leiche gebeugt hatte, war es ihm vorgekommen, als hätte er den Mann schon einmal gesehen. Obwohl das Gesicht vollkommen entstellt war, hätte der Kommissar schwören mögen, dass er es wiedererkannt hatte.

      Er benötigte nur noch einen kleinen Beweis, den man finden würde, wenn man den Toten auszog.

      Wenn er recht hatte, würde man allerdings auch anhand der Fingerabdrücke zu diesem Ergebnis kommen.

      Am Taxistand hielt noch derselbe Wagen, der ihn hergebracht hatte.

      »Schon fertig?«

      »Zu mir nach Hause, Boulevard Richard-Lenoir.«

      »Verstanden. Aber das ist ja wirklich schnell gegangen … Wer ist es?«

      An der Place de la République hatte schon ein Bistro geöffnet, und Maigret hätte den Fahrer fast halten lassen, um dort irgendetwas zu trinken, aber aus einer Art Schamgefühl ließ er es sein.

      Seine Frau hatte sich zwar wieder schlafen gelegt, hörte ihn aber dennoch die Treppe heraufkommen und machte ihm die Tür auf.

      »Du bist schon zurück?«, fragte auch sie verwundert.

      Und dann gleich darauf mit besorgter Stimme:

      »Was ist passiert?«

      »Nichts. Diese Herren brauchen mich nicht.«

      Er sprach mit ihr so wenig wie möglich darüber. Es kam selten vor, dass er Angelegenheiten vom Quai des Orfèvres mit nach Hause nahm.

      »Hast du noch nichts gegessen?«

      »Nein.«

      »Ich mache dir dein Frühstück. Nimm doch schnell ein Bad, um dich aufzuwärmen.«

      Aber er fror nicht mehr. Auch sein Zorn war einer melancholischen Stimmung gewichen.

      Er war nicht der Einzige in seiner Abteilung, der sich entmutigt fühlte. Der Direktor der Kriminalpolizei hatte schon zweimal davon gesprochen, die Kündigung einreichen zu wollen. Eine dritte Gelegenheit für diese Drohung würde er nicht kriegen, denn man suchte schon nach einem Nachfolger.

      Umstrukturierung nannten sie das. Gut ausgebildete junge Leute aus den ersten Familien der Republik saßen still in ihren Büros und führten auf der Suche nach mehr Effizienz umfassende Analysen durch. Die Früchte ihres eifrigen Nachdenkens waren prächtige Pläne, die jede Woche in


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