Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de MaupassantЧитать онлайн книгу.
auf dem Arm und den Hut in der Hand.
Er fragte:
»Brauchen Sie mich noch, mein Herr? Was soll ich tun? Kann ich jetzt fortgehen?«
Du Roy wandte sich um und sagte mit dreistem, zynischem Lächeln:
»Warum denn? Wir sind fertig. Sie können sich wieder hinlegen, mein Herr. Wir werden Sie jetzt allein lassen.«
Dann legte er einen Finger auf den Arm des Polizeibeamten und sagte:
»Gehen wir, Herr Polizeikommissar. Wir haben hier jetzt nichts mehr zu suchen;«
Der Beamte folgte ihm etwas erstaunt; doch an der Türschwelle blieb Georges stehen, um ihn vorbei zu lassen. Der weigerte sich aus Höflichkeit.
Doch Du Roy bestand darauf:
»Bitte gehen Sie voraus, mein Herr.«
»Nach Ihnen«, sagte der Kommissar.
Da machte der Journalist eine Verbeugung und versetzte mit ironischer Höflichkeit:
»Jetzt sind Sie an der Reihe, Herr Polizeikommissar, ich bin hier beinahe zu Hause.«
Dann zog er leise mit einer diskreten Bewegung die Tür hinter sich zu.
Eine Stunde später erschien Du Roy im Redaktionsbureau der Vie Française.
Herr Walter war noch da, denn er fuhr fort, sorgfältig und gewissenhaft seine Zeitung, die jetzt einen riesigen Aufschwung genommen hatte und seine immer größer werdenden Bankoperationen begünstigte, zu leiten und zu überwachen.
Der Direktor blickte auf und fragte:
»Ah! Da sind Sie. Wo kommen Sie denn jetzt her? Sie sind ein komischer Mensch! Warum sind Sie nicht zum Diner gekommen?«
Der junge Mann, der des Effekts seiner Mitteilung bewußt war, erklärte, indem, er jedes Wort betonte:
»Ich habe eben den Minister des Äußeren gestürzt.«
Der andere hielt es für einen Scherz.
»Gestürzt t… wieso?«
»Ich werde das Kabinett umgestalten. Weiter nichts. Es ist höchste Zeit, daß dieses Aas hinausfliegt.«
Der Alte war verblüfft und dachte, daß sein Redakteur beschwipst sei.
Er murmelte:
»Ach was, Sie reden Unsinn.«
»Aber gar nicht. Ich habe eben Laroche-Mathieu mit meiner Frau auf frischer Tat beim Ehebruch ertappt. Der Polizeikommissar hat die Sache zu Protokoll genommen. Der Minister ist futsch.«
Walter war sprachlos, er schob seine Brille über die Stirn und fragte:
»Sie machen sich doch nicht über mich lustig?«
»Nicht die Spur. Ich will die Sache sogar gleich in die Zeitung bringen.«
»Aber was wollen Sie tun?«
»Diesen elenden Schurken und öffentlichen Missetäter stürzen.«
Georges legte seinen Hut auf einen Lehnstuhl und sprach weiter:
»Wehe denen, die sich mir in den Weg stellen. Ich verzeihe nie.«
Vater Walter schien die Sache noch immer nicht ganz zu begreifen.
Er stotterte:
»Und … Ihre Frau?«
»Ich reiche morgen früh die Scheidungsklage ein. Soll sie wieder die Witwe Forestier werden.«
»Wollen Sie sich scheiden?«
»Aber gewiß. Sie hat mich lächerlich gemacht. Doch ich war gezwungen, den Dummen zu spielen, um sie zu erwischen. Nun hab’ ich sie. Jetzt bin ich Herr der Lage.«
Herr Walter konnte noch immer nicht zu sich kommen; er sah Du Roy mit verstörten Augen an und dachte:
»Donnerwetter, mit dem Jungen soll man sich in acht nehmen.«
Georges fuhr fort:
»Nun bin ich frei. Ich habe ein gewisses Vermögen, und bei den Neuwahlen im Oktober werde ich mich in meiner Heimat, wo ich gut bekannt bin, als Kandidat aufstellen lassen. Mit dieser Frau, die in den Augen aller Welt für eine verdächtige Person galt, konnte ich weder eine gute Stellung noch Achtung gewinnen. Sie hat mich wie einen richtigen Dummkopf betört und bestrickt. Doch seitdem ich ihr Spiel durchschaut, habe ich diese Dirne überwacht.«
Er lachte und setzte hinzu:
»Dieser arme Forestier trug Hörner… sie betrog ihn, ohne daß er es ahnte; er blieb immer vertrauensvoll und ruhig. Endlich bin ich die Bürde los, die er mir vererbt hatte. Nun habe ich beide Hände frei, und ich werde es weit bringen.«
Er setzte sich rittlings auf einen Stuhl und wiederholte wie in Gedanken:
»Jetzt werde ich es weit bringen.«
Vater Walter sah ihn noch immer mit seinen bloßen Augen an; die Brille saß noch immer auf der Stirn, und er sagte sich:
»O ja, dieser Spitzbube wird es weit bringen.«
Georges stand auf:
»Ich werde gleich eine Notiz über den Vorfall schreiben, sie muß diskret gehalten werden. Aber wissen Sie, für den Minister wird sie schrecklich sein. Der Mann ist erledigt, ihm wird nicht mehr zu helfen sein. Die Vie Française hat kein Interesse mehr, ihn zu schonen.«
Der Alte zögerte einige Augenblicke, dann traf er seine Entscheidung:
»Gut, tun Sie es; um so schlimmer für die, die sich in so unsaubere Geschichten einlassen.«
IX.
Drei Monate waren seitdem vergangen. Die Scheidung Du Roys war ausgesprochen. Seine Frau hatte den Namen Forestier wieder angenommen. Da die Walters am 15. Juli nach Trouville fahren wollten, so hatte man verabredet, noch vor der Trennung einen Tag auf dem Lande zu verbringen.
Man wählte einen Donnerstag und brach schon um neun Uhr morgens in einem großen sechssitzigen Reiselandauer, der mit vier Pferden bespannt war, auf. Es sollte in Saint-Germain im Pavillon Henry IV. gefrühstückt werden. Bel-Ami hatte sich ausgemacht, der einzige Mann in der Gesellschaft zu sein, denn er konnte weder die Anwesenheit noch das Gesicht des Marquis de Cazolles ertragen. Doch im letzten Augenblick entschloß man sich, den Grafen de Latour-Yvelin mitzunehmen. Er wurde am Tage vorher benachrichtigt und sollte gleich, nachdem er aufgestanden war, abgeholt werden.
Der Wagen fuhr in raschem Trabe die Avenue des Champs-Elysees hinab und dann durch das Bois de Boulogne.
Es war ein herrliches, nicht zu heißes Sommerwetter. Die Schwalben zogen durch den blauen Himmel in wundervollen Kurven, sie flogen so schnell, daß man sie immer noch zu sehen glaubte, als sie schon vorüber waren, Die drei Damen saßen tief im Vordersitz des Landauers, die Mutter zwischen den beiden Töchtern und im Rücksitz die drei Männer, Walter in der Mitte, rechts und links die beiden Gäste.
Man fuhr über die Seine am Mont-Valérien vorbei und gelangte nach Bougival. Dann ging es am Fluß entlang bis nach Pecq.
Graf de Latour-Yvelin war schon ein reifer Mann mit einem langen, dünnen Doppelbart, dessen Spitzen sich beim leisesten Windhauch bewegten und wie Du Roy oft behauptete, »der Wind schaffe die schönsten Effekte in seinem Bart«.
Der Graf sah Rose liebevoll an; sie waren seit einem Monat verlobt. Georges war sehr bleich und blickte oft zu Suzanne hinüber, die auch sehr bleich war. Ihre Augen trafen sich, sie schienen übereinzustimmen, sich gegenseitig zu verstehen und geheime Gedanken auszutauschen, um sich dann gleich wieder zu fliehen. Frau Walter war ruhig und glückselig.
Das Frühstück dauerte lange. Vor der Rückfahrt