Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de MaupassantЧитать онлайн книгу.
die Luft einzog, quälte ihn der Husten, der tief aus der Brust kam. Nichts beruhigte ihn, nichts linderte seine Qual, und er mußte aus dem Wagen ins Zimmer getragen werden. Duroy, der seine Beine hielt, fühlte bei jeder Zusammenziehung der Lungen, wie seine Füße hin und her schlugen.
Die Bettwärme hielt den Anfall nicht auf, der bis Mitternacht dauerte. Endlich linderten Arzneimittel die tödlichen Hustenanfälle, und der Kranke blieb mit offenen Augen bis Tagesanbruch im Bette sitzen.
Seine ersten Worte waren der Wunsch nach dem Barbier, denn er wollte täglich rasiert sein. Dazu stand er auf, aber er mußte sofort wieder hingelegt werden und fing an so kurz, so schwer, so röchelnd zu atmen, daß Frau Forestier in ihrem Entsetzen, Duroy der sich eben hingelegt, wecken ließ, um ihn zu bitten den Arzt zu holen.
Beinahe sofort brachte er Doktor Gavaut mit, der etwas verschrieb und Verhaltungsmaßregeln gab; aber als der Journalist ihn ein Stück zurückbegleitete, um seine Meinung zu hören, sagte er:
– Das ist das Ende, morgen früh ist er tot. Bereiten Sie die arme, junge Frau vor und schicken Sie nach einem Priester. Ich habe hier nichts mehr zu thun, obgleich ich natürlich gern zu Ihrer Verfügung stehe.
Duroy ließ Frau Forestier heraus rufen:
– Er wird sterben, der Arzt rät, nach einem Priester zu schicken.
Sie zögerte lange, dann sagte sie, nachdem sie sich alles überlegt, langsam:
– Ja, es ist besser in mancher Hinsicht. Ich werde ihn darauf vorbereiten und ihm sagen, daß der Pfarrer ihn sprechen möchte, oder irgend so etwas. Es wäre sehr liebenswürdig, wenn Sie einen Geistlichen holen wollten, aber sehen Sie ihn sich erst ordentlich an, und nehmen Sie bitte einen, der uns nicht zu viel Umstände macht. Sehen Sie doch zu, daß er es bei der Beichte bewenden läßt und uns das übrige schenkt.
Der junge Mann brachte einen alten Diener der Kirche mit, der sehr entgegenkommend war und den Umständen Rechnung trug. Frau Forestier ging hinaus und setzte sich mit Duroy in das Zimmer nebenan.
– Es hat ihn erschüttert, sagte sie. Als ich von einem Priester sprach, nahm sein Gesicht einen fürchterlichen Ausdruck an, als ob er etwas gefühlt hätte, wissen Sie, einen Hauch. Er hat begriffen, daß es aus ist und wir die Stunden zählen können.
Sie war sehr bleich, und fuhr fort:
– Ich werde nie den Ausdruck seines Gesichts vergessen, ich glaube er hat wahrhaftig in diesem Augenblick den Tod gesehen, er hat ihn gesehen!
Sie hörten, wie der Priester, der etwas laut sprach, weil er schwerhörig war, zu ihm sagte:
– Aber nein, so schlecht geht’s Ihnen ja gar nicht. Sie sind krank, aber nicht in Gefahr. Der beste Beweis ist doch, daß ich ganz freundschaftlich als Nachbar zu Ihnen komme.
Sie konnten nicht verstehen, was Forestier antwortete. Der alte Mann begann von neuem:
– Nein, Sie brauchen nicht zu kommunizieren, davon wollen wir sprechen, wenn es Ihnen wieder gut geht. Aber wenn Sie die Gelegenheit, daß ich einmal hier bin, benutzen wollen, um zu beichten, so soll es mir recht sein. Ich bin Seelenhirt und bediene mich jeder Möglichkeit, die Schafe zur Herde zurück zu führen.
Lange blieb alles still. Forestier sprach Wohl mit seiner tonlosen, zittrigen Stimme. Dann sagte plötzlich der Priester in ganz anderem Ton, wie der Geistliche am Altar:
– Gottes Barmherzigkeit ist unendlich, sprechen Sie das Confiteor mein Kind. Sie haben es vielleicht vergessen, ich werde Ihnen einhelfen. Wiederholen Sie mit mir: confiteor Deo omnipotenti …. Beatae Mariae semper virgini.
Ab und zu hielt er inne, daß der Sterbende ihm folgen könne, dann sagte er:
– Nun beichten Sie …
Die junge Frau und Duroy bewegten sich nicht mehr, in eigentümlicher Verwirrung, in ängstlicher Erwartung.
Der Krank hatte etwas gemurmelt, der Priester wiederholte:
– Sie haben also sündiger Weise Gefälligkeiten geduldet? In welcher Art, mein Sohn?
Die junge Frau erhob sich und sagte einfach:
– Wir wollen etwas in den Garten hinunter gehen. Man muß seine Geheimnisse nicht belauschen.
Und sie gingen hinab, setzten sich vor die Thür auf eine Bank, unter einen blühenden Rosenstrauch und vor ein Beet von duftenden Nelken, die in die reine Luft ihren starken, würzigen Duft ausströmten.
Duroy fragte, nachdem sie ein paar Augenblicke geschwiegen:
– Werden Sie noch hier bleiben, ehe Sie nach Paris zurückkehren?
Sie antwortete:
– O nein, sobald alles zu Ende ist, komme ich.
– Vielleicht acht bis zehn Tage?
– Höchstens!
Und er begann wieder:
– Hat er denn gar keine Verwandten?
– Keine, außer ein paar Vettern. Sein Vater und seine Mutter sind gestorben, als er noch ganz klein war.
Sie sahen beide einem Schmetterling zu, der auf den Kelchen der Blumen seine Nahrung suchte, indem er von einem zum andern mit schnellem Flügelschlag gaukelte, der nur lanasamer ward, wenn er sich auf eine Blume niedergelassen.
Sie schwiegen lange.
Der Diener kam, um ihnen mitzuteilen, der Herr Pfarrer wäre fertig. Und sie gingen zusammen wieder hinauf.
Forestier schien noch mehr eingefallen zu sein, seit dem Tage vorher. Der Priester hielt seine Hand:
– Auf Wiedersehen, mein Sohn, ich komme morgen wieder.
Und er ging davon.
Sobald er fort war, versuchte der Sterbende seiner Frau die Hände entgegen zu strecken und stammelte:
– Rette mich! Rette mich, mein Schatz! Ich will nicht sterben. Ich will nicht sterben. Rette mich! Sagt mir nur, was man machen muß! Holt den Doktor! Ich will thun, was er verlangt! Ich will nicht sterben! Ich will nicht sterben!
Er weinte. Dicke Thränen perlten ihm aus den Augen über die abgezehrten Wangen, und die eingefallenen Mundwinkel falteten sich, wie bei einem kleinen Kind, das einen Kummer hat.
Da fingen seine Hände, die auf das Bett gesunken waren an, langsam und unregelmäßig hin und her zu tasten, als suchten sie etwas auf den Tüchern.
Seine Frau, die auch anfing zu weinen, stammelte:
– Nein, nein, es ist ja nichts, es ist nur ein Anfall. Morgen geht Dir’s besser. Die Spazierfahrt gestern hat Dich müde gemacht.
Forestiers Atem, der schneller ging als bei einem Hund, der gelaufen ist, raste so, daß man die Atemzüge nicht mehr zählen konnte, war aber so schwach, daß man ihn kaum hörte.
Er wiederholte unausgesetzt:
– Ich will nicht sterben. Was, mein Gott, mein Gott, mein Gott, was wird mit mir? Ich sehe das alles nie wieder, nie wieder. O mein Gott! O mein Gott!
Er starrte vor sich hin, als sähe er etwas Fürchterliches, ihm Entsetzen Einflößendes, das die anderen nicht sahen, und seine beiden Hände setzten ihre fürchterliche, ermüdende Bewegung fort.
Plötzlich zuckte er zusammen, ein Schauer lief ihm über den ganzen Leib, und er stammelte:
– Der Kirchhof …. ich …. mein Gott …. Nun sprach er nichts mehr. Er blieb unbeweglich, scheu umherblickend, stöhnend. Die Zeit verstrich. Vom Turm des benachbarten Klosters schlug es Mittag. Duroy ging hinaus, um etwas zu essen. Eine Stunde später kam er zurück. Frau Forestier wollte nichts zu sich nehmen. Der Kranke hatte sich nicht bewegt, er tastete nur immer mit den mageren Fingern auf der Decke umher, als wollte er sie aufheben.
Die junge Frau saß am Fußende des Bettes in einem Lehnstuhl. Duroy schob sich einen andern an ihre Seite, und sie warteten