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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur SchopenhauerЧитать онлайн книгу.

Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer


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ihr in gleichem Maaße fremd und ein Problem ist, nicht nur die Verhältnisse der Erscheinungen, sondern auch diese selbst, ja der Satz vom Grunde selbst, auf welchen Alles zurückzuführen die andern Wissenschaften zufrieden sind, durch welche Zurückführung bei ihr aber nichts gewonnen wäre, da ein Glied der Reihe ihr so fremd ist, wie das andere, ferner auch jene Art des Zusammenhangs selbst ihr eben so gut ein Problem ist, als das durch ihn Verknüpfte, und dieses wieder nach aufgezeigter Verknüpfung, so gut als vor derselben. Denn, wie gesagt, eben Jenes, was die Wissenschaften voraussetzen und ihren Erklärungen zum Grunde legen und zur Gränze setzen, ist gerade das eigentliche Problem der Philosophie, die folglich insofern da anfängt, wo die Wissenschaften aufhören. Beweise können nicht ihr Fundament seyn: denn diese leiten aus bekannten Sätzen unbekannte ab; aber ihr ist Alles gleich unbekannt und fremd. Es kann keinen Satz geben, in Folge dessen allererst die Welt mit allen ihren Erscheinungen dawäre: daher läßt sich nicht eine Philosophie, wie Spinoza wollte, ex firmis principiis demonstrirend ableiten. Auch ist die Philosophie das allgemeinste Wissen, dessen Hauptsätze also nicht Folgerungen aus einem andern, noch allgemeineren, seyn können. Der Satz vom Widerspruch setzt bloß die Uebereinstimmung der Begriffe fest; giebt aber nicht selbst Begriffe. Der Satz vom Grund erklärt Verbindungen der Erscheinungen, nicht diese selbst: daher kann Philosophie nicht darauf ausgehn, eine causa efficiens oder eine causa finalis der ganzen Welt zu suchen. Die gegenwärtige wenigstens sucht keineswegs, woher oder wozu die Welt dasei; sondern bloß, was die Welt ist. Das Warum aber ist hier dem Was untergeordnet: denn es gehört schon zur Welt, da es allein durch die Form ihrer Erscheinung, den Satz vom Grund, entsteht und nur insofern Bedeutung und Gültigkeit hat. Zwar könnte man sagen, daß was die Welt sei, ein Jeder ohne weitere Hülfe erkenne; da er das Subjekt des Erkennens, dessen Vorstellung sie ist, selbst ist: auch wäre dies insoweit wahr. Allein jene Erkenntniß ist eine anschauliche, ist in concreto: dieselbe in abstracto wiederzugeben, das successive, wandelbare Anschauen und überhaupt alles Das, was der weite Begriff Gefühl umfaßt und bloß negativ, als nicht abstraktes, deutliches Wissen bezeichnet, eben zu einem solchen, zu einem bleibenden Wissen zu erheben, ist die Aufgabe der Philosophie. Sie muß demnach eine Aussage in abstracto vom Wesen der gesammten Welt seyn, vom Ganzen wie von allen Theilen. Um aber dennoch nicht in eine endlose Menge von einzelnen Urtheilen sich zu verlieren, muß sie sich der Abstraktion bedienen und alles Einzelne im Allgemeinen denken, seine Verschiedenheiten aber auch wieder im Allgemeinen: daher wird sie theils trennen, theils vereinigen, um alles Mannigfaltige der Welt überhaupt, seinem Wesen nach, in wenige abstrakte Begriffe zusammengefaßt, dem Wissen zu überliefern. Durch jene Begriffe, in welchen sie das Wesen der Welt fixirt, muß jedoch, wie das Allgemeine, auch das ganz Einzelne erkannt werden, die Erkenntniß Beider also auf das Genaueste verbunden seyn: daher die Fähigkeit zur Philosophie eben darin besteht, worein Plato sie setzte, im Erkennen des Einen im Vielen und des Vielen im Einen. Die Philosophie wird demnach eine Summe sehr allgemeiner Urtheile seyn, deren Erkenntnißgrund unmittelbar die Welt selbst in ihrer Gesammtheit ist, ohne irgend etwas auszuschließen: also Alles, was im menschlichen Bewußtseyn sich vorfindet: sie wird seyn eine vollständige Wiederholung, gleichsam Abspiegelung der Welt in abstrakten Begriffen, welche allein möglich ist durch Vereinigung des wesentlich Identischen in einen Begriff und Aussonderung des Verschiedenen zu einem andern. Diese Aufgabe setzte schon Bako von Verulam der Philosophie, indem er sagte: ea demum vera est philosophia, quae mundi ipsius voces fidelissime reddit, ed veluti dictante mundo conscripta est, et nihil aliud est, quam ejusdem simulacrum et reflectio, neque addit quidquam de proprio, sed tantum iterat et resonat. (de augm. scient., L. 2, c. 13). Wir nehmen jedoch dieses in einem ausgedehnteren Sinn, als Bako damals denken konnte.

      § 16

       Inhaltsverzeichnis

      Nach dieser ganzen Betrachtung der Vernunft, als einer dem Menschen allein eigenen, besonderen Erkenntnißkraft, und der durch sie herbeigeführten, der menschlichen Natur eigenthümlichen Leistungen und Phänomene, bliebe mir jetzt noch übrig von der Vernunft zu reden, sofern sie die Handlungen der Menschen leitet, also in dieser Rücksicht praktisch genannt werden kann. Allein das hier zu Erwähnende hat größtentheils seine Stelle an einem andern Orte gefunden, nämlich im Anhang zu dieser Schrift, wo das Daseyn der von Kant so genannten praktischen Vernunft zu bestreiten war, welche er (freilich sehr bequem) als unmittelbare Quelle aller Tugend und als den Sitz eines absoluten (d.h. vom Himmel gefallenen) Soll darstellt. Die ausführliche und gründliche Widerlegung dieses Kantischen Princips der Moral habe ich später geliefert, in den »Grundproblemen der Ethik«. – Ich habe deshalb hier nur noch Weniges über den wirklichen Einfluß der Vernunft, im wahren Sinne dieses Worts, auf das Handeln zu sagen. Schon am Eingang unserer Betrachtung der Vernunft haben wir im Allgemeinen bemerkt, wie sehr das Thun und der Wandel des Menschen von dem des Thieres sich unterscheidet, und daß dieser Unterschied doch allein als Folge der Anwesenheit abstrakter Begriffe im Bewußtseyn anzusehn ist. Der Einfluß dieser auf unser ganzes Daseyn ist so durchgreifend und bedeutend, daß er uns zu den Thieren gewissermaaßen in das Verhältniß setzt, welches die sehenden Thiere zu den augenlosen (gewisse Larven, Würmer und Zoophyten) haben: letztere erkennen durch das Getast allein das ihnen im Raum unmittelbar Gegenwärtige, sie Berührende; die Sehenden dagegen einen weiten Kreis von Nahem und Fernem. Eben so nun beschränkt die Abwesenheit der Vernunft die Thiere auf die ihnen in der Zeit unmittelbar gegenwärtigen anschaulichen Vorstellungen, d.i. realen Objekte: wir hingegen, vermöge der Erkenntniß in abstracto, umfassen, neben der engen wirklichen Gegenwart, noch die ganze Vergangenheit und Zukunft, nebst dem weiten Reiche der Möglichkeit: wir übersehn das Leben frei nach allen Seiten, weit hinaus über die Gegenwart und Wirklichkeit. Was also im Raum und für die sinnliche Erkenntniß das Auge ist, das ist gewissermaaßen in der Zeit und für die innere Erkenntniß die Vernunft. Wie aber die Sichtbarkeit der Gegenstände ihren Werth und Bedeutung doch nur dadurch hat, daß sie die Fühlbarkeit derselben verkündigt, so liegt der ganze Werth der abstrakten Erkenntniß immer in ihrer Beziehung auf die anschauliche. Daher auch legt der natürliche Mensch immer viel mehr Werth auf das unmittelbar und anschaulich Erkannte, als auf die abstrakten Begriffe, das bloß Gedachte: er zieht die empirische Erkenntniß der logischen vor. Umgekehrt aber sind diejenigen gesinnt, welche mehr in Worten, als Thaten leben, mehr in Papier und Bücher, als in die wirkliche Welt gesehn haben, und die in ihrer größten Ausartung zu Pedanten und Buchstabenmenschen werden. Daraus allein ist es begreiflich, wie Leibnitz nebst Wolf und allen ihren Nachfolgern, so weit sich verirren konnten, nach dem Vorgange des Duns Skotus, die anschauliche Erkenntniß für eine nur verworrene abstrakte zu erklären! Zur Ehre Spinoza's muß ich erwähnen, daß sein richtigerer Sinn umgekehrt alle Gemeinbegriffe für entstanden aus der Verwirrung des anschaulich Erkannten erklärt hat. (Eth. II, prop. 40, Schol. 1.) – Aus jener verkehrten Gesinnung ist es auch entsprungen, daß man in der Mathematik die ihr eigenthümliche Evidenz verwarf, um allein die logische gelten zu lassen; daß man überhaupt jede nicht abstrakte Erkenntniß unter dem weiten Namen Gefühl begriff und gering schätzte; daß endlich die Kantische Ethik den reinen, unmittelbar bei Erkenntniß der Umstände ansprechenden und zum Rechtthun und Wohlthun leitenden guten Willen als bloßes Gefühl und Aufwallung für werth- und verdienstlos


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