Chefarzt Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
Plan ging auf. Trotz seiner Verzweiflung musste Niko über diese Vorstellung lachen. Allerdings nur kurz. Zu drängend waren seine Sorgen. Er sah Matthias dabei zu, wie er Schachtel um Schachtel öffnete und einen Blick hinein warf.
»Dummerweise weiß ich jetzt nicht, was ich machen soll.«
»Ganz einfach.« Matthias hielt in seiner Arbeit inne und drehte sich um. »Sie gehen zu ihr und fangen noch einmal von vorn an.«
Niko zog eine Augenbraue hoch.
»Sicher?«
»Ganz sicher.« Matthias nickte ihm zu. »Das, was Sophie letztlich überzeugt hat, war meine Hartnäckigkeit. Wir haben uns zwar die meiste Zeit gestritten. Aber zumindest haben wir nie aufgehört, miteinander zu reden.«
Niko legte das letzte Päckchen zu den verbliebenen auf den Tisch.
»Also gut. Sie haben mich überzeugt.« Er ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um. »Aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie meine Wunden verarzten, falls es schief gehen sollte.«
Matthias lachte.
»Sie haben mein Wort.«
*
Silje hatte gelogen, als sie behauptet hatte, müde zu sein. Mit weit geöffneten Augen lag sie im Bett und starrte aus dem Fenster. Noch nicht einmal der zwitschernden Bande Spatzen gelang es, sie von ihrem Ärger, ihrer Enttäuschung abzulenken.
»Schade nur, dass ich noch nicht aufstehen kann. Sonst könnte er sein blaues Wunder erleben.«
»Nur zu, tu dir keinen Zwang an.«
Siljes Kopf flog auf dem Kissen herum.
»Niko!«
Ihr Tonfall verriet sie. Niko wusste sofort, dass Dr. Weigand mit seinem Rat richtig lag. Derart ermutigt trat er ans Bett.
»Es tut mir leid, wie das Gespräch vorhin gelaufen ist. Das lag nicht in meiner Absicht.«
Silje sah ihren Verlobten an. Plötzlich schwammen ihre Augen in Tränen. Sie tastete nach seiner Hand und drückte sie.
»Warum vertraust du mir nicht?«, schluchzte sie. Ein eindeutiges Zeichen ihrer Schwäche. Sie war keine Frau, die nah am Wasser gebaut war. »Habe ich dir jemals Anlass zur Eifersucht gegeben?«
Niko senkte den Kopf. Starrte auf ihre ineinander verschlungenen Finger.
»Nein, nie«, gestand er leise. »Sonst hätte ich diese Fernbeziehung niemals ertragen. Aber in den letzten Wochen …«
»Meine Geheimnisse, ich weiß.« Silje lächelte unter Tränen. »Dort drüben liegt meine Tasche. Holst du sie bitte.«
Niko folgte ihrem Fingerzeig und brachte die Handtasche vom Stuhl in der Ecke. Eine Weile kramte Silje darin herum, bis sie schließlich ein Kästchen zutage förderte. Sie reichte es ihrem Verlobten.
»Hier, für dich. Dein Hochzeitsgeschenk.«
Das Kästchen fühlte sich warm an und bot seiner zitternden Hand Halt. Sein Hochzeitsgeschenk? Natürlich!
»Mach’ es auf!«, verlangte Silje.
Niko klappte den Deckel auf. Eine schlichte Tonscherbe lag darin. Darauf ein eingeritzter Text. Hieroglyphen natürlich.
»Ein Ostrakon.« Diese Scherben, billiges Schreibmaterial in grauer Vorzeit, hatten ihn schon damals auf seiner Forschungsreise fasziniert. Eine davon zu besitzen, war sein größter Traum gewesen. Silje hatte es nicht vergessen. »Deshalb bist du extra nach Ägypten gereist?«, fragte er heiser.
»Einer meiner ehemaligen Kollegen hat es für mich besorgt. Er wollte es mit der Post nach Mexiko schicken. Aber das war mir zu gefährlich. Deshalb habe ich mich für die Reise entschieden.«
»Und dich mit diesem furchtbaren Virus angesteckt.«
»Du siehst, für dich ist mir kein Risiko zu groß.« Die Tränen waren versiegt. Silje konnte wieder lächeln. »Das hätte ich für keinen anderen Mann getan.« Und nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: »Noch nicht einmal für …«
Weiter kam sie nicht.
Den Rest ihres Satzes erstickte Niko mit einem Kuss auf den Mundschutz. Lachend setzte sich Silje zur Wehr. »Aber die Ansteckungsgefahr …«
»Für dich ist mir kein Risiko zu groß!«
Das Lachen der beiden hallte hinaus auf den Flur. Schwester Camilla, die gerade ins Zimmer kommen wollte, drehte ab. Hier wurde sie im Augenblick nicht gebraucht.
*
Eine milde Brise wehte durch den Garten, den der Himmel in alle Nuancen von Blau tauchte. Dunkelblau die Bäume und Sträucher. Davor, etwas heller, das Haus der Nordens mit leuchtenden Fensteraugen. Wie bei einer perfekt geplanten Theaterkulisse fiel das Licht aus dem Wohnzimmer genau auf den Gartentisch. Platten mit Käsespezialitäten, garniert mit frischen Früchten standen neben Rohkosttellern und Garnelenspießen. Getrocknete Tomaten lockten neben Oliven und marinierten Karotten. Artischockentarte und Gorgonzolatorte machten ebenso Appetit wie der geräucherte Lachs mit Ingwerhobeln. Dazwischen thronten Brotkörbe, randvoll mit Spezialitäten aus Tatjanas Bäckerei. Sie war es auch, die sich um das Dessertbuffet gekümmert hatte. Keine Frage, dass es keine Wünsche offenließ.
Fee Norden stand neben ihrem Sohn Felix in der Terrassentür, ein Glas Sekt in der Hand, und bewunderte die Pracht.
»Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du das alles wirklich selbst gemacht hast.«
»Was hätte ich denn sonst tun sollen? Ich war doch über eine Woche ans Haus gefesselt.« Felix grinste. »Mal abgesehen davon ist mir meine Familie jede Mühe wert.«
Das Kompliment ging in Fees Misstrauen unter.
»Und wer hat die ganzen Zutaten eingekauft?«
»Dad natürlich«, erwiderte Felix ohne Zögern. Er breitete die Arme aus. »Ohne meinen großartigen Vater wäre das alles nicht möglich gewesen.«
»Kindskopf.« Fee stieß ihren Zweitältesten in die Seite. Inzwischen hatte sie die Hoffnung aufgegeben, dass er jemals erwachsen werden würde. »Wo steckt er denn eigentlich, dein toller Vater?« Sie drehte sich um und ließ ihren Blick über die Menschen gleiten, die sich im Wohnzimmer versammelt hatten.
Anneka saß am Klavier und spielte selbstvergessen ihre Lieblingslieder. Ihr Freund Sascha stand daneben und himmelte sie an. Janni lümmelte neben seiner Schwester Dési auf der Couch und ärgerte sie. Neben Computerspielen nach wie vor eine seiner Lieblingsbeschäftigungen. Tatjana diskutierte mit der ehemaligen Haushälterin Lenni über die neuesten Rezeptideen, während ihr Lebensgefährte Oskar sich mit Danny über die Anschaffung eines neuen Wagens unterhielt. Kein Maler hätte diese ganz normale, etwas langweilige Familienszene auf Leinwand festgehalten. Doch für Felicitas war dieses Treffen etwas ganz Besonderes. Der überstandene Schrecken hatte sie wieder einmal daran erinnert, wie kostbar das Leben war. So kostbar, dass es in jedem Augenblick in vollen Zügen genossen werden wollte. Genau wie ein Kind, das im Hier und Jetzt lebte, wie Fynn wieder einmal bewies.
Felix’ Pilotenmütze auf dem Kopf, stieg er in den Armen seines Opas hinauf in die Lüfte. Schwebte mit ausgebreiteten Armen über den Köpfen seiner Familie. Er juchzte und kreischte vor Freude, als Daniel sich im Kreis drehte und er sich mit ihm.
»Sieh dir den kleinen Racker an!« Fee wusste nicht, wer sich mehr über die Lebensfreude ihres Enkels freute. Die Eltern oder sie selbst. »Aber was hält er denn da in der Hand?«
»Sieht aus wie ein Papierflieger«, schlussfolgerte Felix messerscharf.
Bevor Fynn zur Landung ansetzte, schickte er das Papierflugzeug auf die Reise. Es zog ein paar Kreise, ehe es zielsicher vor Fees Füßen landete. Sie bückte sich danach. Bewunderte die geniale Konstruktion, als ihr die Worte und Zahlen auf dem Papier ins Auge stachen.
»Moment mal. Das ist doch …«
Während sich Felix