Toni der Hüttenwirt Staffel 14 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
nach Wien. Da kam mir die Idee, einen Umweg über Waldkogel zu machen. Dann ging ich wandern. Es war ein schöner heißer Tag. Ich saß länger als ich es vorhatte oben auf einem Felsenvorsprung und betrachtete das Tal. Dann kamen die schwarzen Unwetterwolken und mir war klar, dass ich es nicht bis zur Berghütte schaffen würde. So verbrachte ich die Nacht in einer Schutzhütte, ganz in der Nähe der Stelle, an der Monika im Wald lag und weinte. Hatte da der Himmel nicht die Hand im Spiel? Sieht es nicht so aus, als wollte er, dass ich über viele Umwege und Widrigkeiten mit Claudia zusammentreffe?«
»So könnte man es deuten, Mark.«
»Ich sehe es so, denn auf normalem Wege wäre ich Claudia nie begegnet und wenn, wären wir sicherlich nicht so ins Gespräch gekommen. Vielleicht war es der Plan der Liebe, die auf diese Weise Claudia austricksen wollte und mich auch?«
»Du klammerst dich an den Gedanken?«
»Ja! Ich bin so verliebt in Claudia, dass ich jeden Strohhalm ergreife, der sich mir bietet. Ich hoffe nur, die Liebe, die Vorsehung, das Schicksal, nenne es wie du willst, hat noch einige Tricks bereit. Ich muss ihr näherkommen. Claudia ist wie eine schöne Blume ohne Wasser. Sie ist wie eine Rose, die im Augenblick irrtümlich in einer Wüste steht. Toni, gib mir einen Rat. Was würdest du an meiner Stelle machen?«
»Das darfst du mich nicht fragen, Mark. Ich kann dir keinen präzisen Rat geben. Ich kann dich nur bitten, vorsichtig zu sein. Du wirst sie sicherlich auf der Enzian Alm besuchen.«
Mark nickte.
»Ich habe Monika ein Foto vom Gipfel versprochen. Das Versprechen halte ich.«
»Gut so, etwas anderes habe ich auch nicht erwartet. Musst sehr einfühlsam sein, Mark, schätze ich. Vielleicht ergibt sich eine Gelegenheit, in der du Claudia von deinen Gefühlen erzählen kannst. Sage ihr, was du empfunden hast und empfindest und sage ihr, dass du warten kannst. Bitte sie, darüber nachzudenken. Mehr kannst du nicht tun, Mark. Aber es wird gut sein, dass sie weiß, dass du sie liebst. Oder schreibe ihr einen Brief. Dann bringst du sie vielleicht nicht so in Verlegenheit.«
»Mei, Toni, das ist gut! Ich schreibe ihr einen Brief. Siehst du, jetzt hast du mir doch einen Rat gegeben und was für einen guten Rat! Ich kann nur hoffen, dass sie meinen Brief auch liest.«
»Wenn du willst, gebe ich ihr den Brief. Dann kann ich ja später mal so beiläufig fragen, was du ihr geschrieben hast.«
»›Mit dir kann man Pferde stehlen‹, wie man sagt. Bist ganz schön raffiniert, Toni!«
»Naa, raffiniert bin ich net. Ich bin nur praktisch, verstehst?«
Mark und Toni schmunzelten. Sie hoben die Bierseidl und tranken sich zu.
Danach redeten sie über Marks Gipfeltour. Sie sahen sich eine Karte an. Toni erklärte Mark die einzelnen Aufstiegsmöglichkeiten. Es war schon eine Weile her, dass Mark den Gipfel erklommen hatte. Damals war er als Teilnehmer einer Seilschaft mit einem erfahrenen Bergführer unterwegs gewesen. Dieses Mal wollte er im Alleingang den Gipfel des »Engelssteigs« bezwingen. Er wollte schon in der Dunkelheit losgehen, damit er bei Sonnenaufgang schon weit oben war und nur noch die steile, fast senkrechte Felswand zu erklimmen hatte.
»Toni, ich möchte, – ob es wahr wird, weiß ich nicht, – ich möchte einen Augenblick nur oben auf dem Gipfel allein sein. Ich möchte mit den Engeln reden dort oben und Monikas Bild in das Gipfelbuch kleben, ohne von jemandem angesprochen zu werden.«
Toni nickte ihm zu. Er verstand ihn.
»Wann willst du gehen? Übermorgen?«
»Wenn das Wetter gut ist.«
Toni stand auf und ging in die Küche. Er holte das Belegungsbuch der Berghütte, in dem alle Anmeldungen notiert waren.
»Übermorgen ist ein guter Tag. Da hat sich hier keine Seilschaft eingetragen. Falls dir einige Bergler folgen wollen, dann werde ich sie ein bissel aufhalten. Mir wird schon etwas einfallen. Musst nur diskret sein morgen und net rumerzählen, dass du übermorgen ganz früh los willst.«
»Ich verstehe! Ist wohl besser, dass ich nicht frage, wie du die Bergkameraden zurückhalten willst?«
»Genau! Und jetzt trinken wir aus, und ich gehe ins Bett. Du spülst die beiden Gläser und machst das Licht aus. Gute Nacht, Mark und träume von Claudia!«
»Danke, Toni! Gute Nacht! Ich werde sicherlich von ihr träumen und auch von Monika. Dagegen kann sie nichts machen. Außerdem glaube ich daran, dass die Liebe eine Chance hat.«
»›Glaube kann Berge versetzen‹, heißt es«, sagte Toni leise.
Er trank aus und stand auf. Er rief nach Bello, der vor dem Kamin lag und schlief. Bello erhob sich langsam und trottete hinter Toni her.
Mark blieb noch einen Augenblick am Kamin sitzen. Dann ging er hinaus auf die Terrasse. Er sah lange hinauf auf den Gipfel des »Engelsteigs«. Das Gipfelkreuz war im Mondlicht gut zu sehen. Er schickte alle Gedanken hinauf, die er im Herzen trug, und gab sie den Engeln mit. Dann ging er schlafen.
*
Am nächsten Tag wanderte Claudia zusammen mit ihrer Tochter von der Enzian Alm hinunter nach Waldkogel. Als sie den Marktplatz überquerten und gerade am Pfarrhaus vorbeikamen, hielt Pfarrer Zandler in seinem alten Auto. Seine Haushälterin Helene Träutlein war bei ihm. Der Geistliche stieg aus und ging auf Claudia und Monika zu.
»Grüß Gott, Claudia!«
»Grüß Gott, Herr Pfarrer! Das ist meine kleine Tochter Monika.«
Monika gab ihm die Hand machte einen Knicks.
»So, so, du bist also die kleine Ausreißerin, die uns alle so in Atem gehalten hat.«
»Ich bin keine Ausreißerin. Ich wollte nur den Engeln entgegengehen und habe mich verlaufen«, verteidigte sich Monika und setzte eine Schmollmiene auf.
»Ich weiß, Moni! Aber die Engel sind überall. Denen musst net entgegenlaufen«, lächelte der Geistliche. »Wo willst du jetzt hin? Gehst mit deiner Mama spazieren?«
Monika schüttelte heftig den Kopf.
»Wir stellen in der Kirche eine Kerze auf. Wir gehen einkaufen und ich gehe noch spielen.«
»Das ist schön! Ich komme aus Kirchwalden. Dort habe ich auch eingekauft.«
Claudia sah, wie Helene Träutlein die Taschen ins Haus trug.
»Herr Pfarrer Zandler, ich habe eine Bitte an Sie. Vielleicht ist es eine zu große Bitte. Aber ich wünsche mir ein wenig Schutz. Es dauert auch nicht lange, vielleicht zehn Minuten?«
Pfarrer Zandler sah Claudia verwundert an. Sie errötete.
»Sie können mich ruhig für feige halten, aber ich will später, im Trachten- und Andenkenladen Boller, für Mark, ich meine, für Herrn Strasser, ein Geschenk kaufen. Frau Boller ist immer so neugierig. Ich vermute, sie weiß, dass meine Monika einen nächtlichen Ausflug gemacht hat. Ich will von ihr nicht in ein Gespräch verwickelt werden«, seufzte Claudia und fügte hinzu. »Ich hoffe, Sie verstehen mich. Es muss auch nicht heute sein, wenn Sie keine Zeit haben.«
»Sicher habe ich Zeit. Du kannst sicher sein, dass Veronika Boller keine neugierigen Fragen stellt, wenn ich dabei bin. Klingle einfach am Pfarrhaus! Was willst du Mark kaufen?«
»Ich dachte an einen schönen neuen Rucksack. Er hatte seinen aufgeschnitten, um Monika besser tragen zu können.«
»Das ist eine gute Idee!«
Monika zupfte an der Strickjacke ihrer Mutter.
»Wir haben doch einen Rucksack. Das ist genau so einer wie Mark seiner. Den können wir Mark schenken.«
Claudia schaute ihre Tochter mit großen Augen an. Dabei schoss ihr das Blut in die Wangen.
»Aber, Moni, das ist doch Papas Rucksack. Das geht nicht!«
»Warum, Mama? Ist Papa im Himmel böse, wenn wir Mark seinen Rucksack geben?«