Toni der Hüttenwirt Staffel 14 – Heimatroman. Friederike von BuchnerЧитать онлайн книгу.
in Gefahr käme. Gewolf Irminger, der von allen Wolfi genannt wurde, versprach, sich um alles zu kümmern. Bis jemand käme, sollte seine Kollegin bei Claudia bleiben.
Christina ging in die Almhütte. Dort hatte Claudia den Kopf auf die Tischplatte gelegt und weinte. Christa setzte sich neben sie und streichelte ihr behutsam den Rücken.
Die Zeit bis Doktor Martin Engler kam, schien endlos zu sein, dabei waren es nur Minuten. Hinter ihm kam Pfarrer Zandler. Irminger brachte den Geistlichen in Claudias Auto herauf, zurück würde er mit Christina zusammen im Polizeiauto fahren. Die beiden überließen Claudia Doktor Martin Engler und Pfarrer Zandler. Sie war bei ihnen in besten Händen.
»Aufi, Wolfi, zurück ins Dienstzimmer! Jetzt können wir das Foto herausschicken.«
»Ich werde auch die Bergwacht in Kirchwalden informieren, Chris. Der Leiter der Bergwacht, Leonhard Gasser, ist aus Waldkogel. Er wird uns in diesem Fall besonders bei der Suche unterstützen.«
Noch während Christina zurückfuhr, rief Gewolf über Funk die Bergwacht an. Leonhard, der Leo gerufen wurde versprach sofort mit der Suche zu beginnen und alle verfügbaren Hubschrauber in die Luft zu schicken.
Es verging keine Viertelstunde, dann kreisten mehrere Hubschrauber über den Bergen rund um Waldkogel. Sie suchten besonders das Gebiet um den »Engelssteig« ab.
Der Tag verging. Claudia hatte ein starkes Beruhigungsmittel bekommen und schlief in ihrer Kammer auf der Enzian Alm. Pfarrer Zandler blieb bei ihr. Bis zum Abend war die Suche erfolglos geblieben. Jetzt waren alle noch mehr besorgt. Doktor Martin Engler kam am Abend und gab Claudia ein Mittel, das sie die Nacht durchschlafen lassen würde.
*
Die Sonne versank im Westen hinter den Bergen. Ein kühler Wind frischte auf. Der alte Alois trat auf die Terrasse und schaute sich den Himmel an. Er rief Toni herbei.
»Toni, sind schon alle Hüttengäste zurück?«
»Fast alle, nur Mark fehlt noch.«
»Hoffentlich kommt er bald. Des wird ein Unwetter geben, ein richtiger Wettersturz, Toni. Schau dir den Himmel an!«
»Ja, Alois, des schaut net gut aus. Es war den ganzen Tag so schwül heiß. Da musste sich ja etwas zusammenbrauen.«
»Drüben über dem Gipfel des ›Höllentors‹ ballen sich die schwarzen Wolken. Des ist ganz schnell gegangen. Vor einer Stunde war noch nix zu sehen.«
Toni ging zu den Hüttengästen, die noch an den Tischen auf der Terrasse saßen und bat sie, in die Wirtstube zu kommen. Dann begann er das Gestühl auf der Terrasse mit Seilen zu sichern. Einige der Hüttengäste, die Hochgebirgserfahrung hatten und das Wetterszenario am Himmel zu deuten wussten, packten mit an.
Tonis Handy klingelte. Er nahm das Gespräch an. Es war Mark. Dieser teilte ihm mit, dass er noch ziemlich weit oben am Pilgerpfad war. Er sei sich sicher, dass er es vor dem aufkommenden Unwetter nicht mehr bis zur Berghütte schaffen werde. Deshalb würde er in einer Schutzhütte Zuflucht suchen.
»Hast du noch genug Proviant?«, fragte Toni.
»Ja, das reicht noch für zwei Tage, wenn ich es mir einteile. Du hast mir ja reichlich mitgegeben. Aber zwei Tage wird das schlechte Wetter nicht anhalten. Wie sehen uns morgen früh, Toni.«
Toni legte auf und wandte sich an den alten Alois.
»Das war Mark. Er ist oben am Pilgerweg und wartet das Unwetter in einer Schutzhütte ab.«
»Des ist gut! Da ist er sicher.«
Es fing an zu regnen. Zuerst waren es einige vereinzelte dicke Regentropfen. Dann prasselte es los, als hätte der Himmel alle Schleusen geöffnet.
»Soll ich die Gewitterkerzen aufstellen?«, fragte Anna leise.
Der alte Alois hatte es gehört.
»Es wird sich ausregnen. Ein Gewitter wird es nicht geben, Anna. Musst keine Angst haben. Bei uns hier oben wird das Wasser gut ablaufen. Aber es kann sein, dass in Waldkogel drunten einige Keller volllaufen.«
Toni versuchte seine Eltern anzurufen. Aber sein Handy war tot.
»Störung!«, murmelte Toni. »Der Funk ist gestört.«
Der alte Alois lachte.
»Mach kein solches Gesicht, Toni! Früher sind wir hier auf der Berghütte ohne Telefon und den modernen Kram ausgekommen. Ich sage dir, in vielen Fällen war des noch net einmal so schlecht. Wir haben ruhiger gelebt.«
»Alois, des streite ich net ab. Aber für Notfälle ist es schon gut, ein Handy zu haben.«
»Ja, aber nur für Notfälle! Die Leut’, die reden viel zu viel miteinander. Da wird wegen jedem Dreck angerufen. Aber was bringt es in den meisten Fällen? Nix! Deshalb verstehen sich die Menschen auch net besser.«
Anna blinzelte Toni zu. Der Alois war heute schon den ganzen Tag angespannt gewesen und auf eine seltsame Weise unruhig.
»Alois, du hast Recht! Komm, wir machen jetzt für alle einen schönen Grog. Dann holst du deine Ziehharmonika und spielst uns etwas vor.«
So geschah es dann auch. Der alte Alois setzte sich mit seinem Instrument in die Nähe des Kamins und spielte alte Volksweisen. Bei den Liedmelodien sangen viele mit. Während es draußen fast bis Mitternacht stürmte und regnete, verbreitete sich in der Berghütte Gemütlichkeit. Dann gingen alle schlafen.
Mark saß in der Schutzhütte beim Ofen und wartete, bis das Wetter vorbei war. Als es nachließ, trat er vor die Hütte. Die Luft war voll würziger Düfte. Mark setzte sich in der Dunkelheit neben die Hüttentür und schaute den Wolken nach, die in großer Höhe vom Wind fortgetrieben wurden, bis es sternenklar war. Mark war nicht müde. Er blieb noch lange sitzen und genoss die Einsamkeit. Die Ruhe der Berge tat ihm wohl. Es war ganz still. Mark beschloss, vor der Schutzhütte sitzen zu bleiben, bis die Sonne aufging. Er wusste, dass ein Sonnenaufgang nach solch einem Wetter besonders schön anzusehen war, weil die Luft über Berg und Tal sehr klar war. Mark holte seine Pfeife aus dem Rucksack. So saß er auf der Bank und lauschte den Geräuschen der Bergwelt, die nach dem Sturm langsam erwachte, als es gegen Morgen ging.
Plötzlich drang ein Geräusch an sein Ohr, das ihn aufhorchen ließ. Mark erschrak richtig. Er richtete sich auf und lauschte. Da war es wieder. Dann war es eine Weile still. Mark wollte sich schon damit trösten, dass er sich verhört hätte, als er es wieder hörte.
»Was ist das?«, murmelte er vor sich hin.
Mark überlegte. War es ein verletztes Tier? Oder war es ein Wanderer in Not, jemand, der es am Abend nicht mehr bis zur Schutzhütte geschafft hatte?
Mark stellte sich mitten auf den Pilgerweg und lauschte. Jetzt hörte er es deutlich. Es klang wie ein leises Piepsen oder ein zaghaftes Wimmern. Doch wo kam es genau her? Es war noch immer etwas windig. Der Wind konnte das Geräusch von überallher zu ihm getragen haben.
Mark lauschte angestrengt und versuchte die Richtung zu bestimmen, aus der das Geräusch kam. Einmal hatte er den Eindruck, die Ursache müsste weiter unten im Tal liegen, ein anderes Mal vermutete er sie ganz in der Nähe. Dann war es ihm, als käme sie aus dem dichten Mischwald auf der anderen Seite des Pilgerweges, der sich den Hang hinunterzog bis zu den Almen. Er ging am Waldesrand ein Stück entlang. Mark ärgerte sich, dass er keine Stablampe dabei hatte. Es war noch zu dunkel, um im Wald deutlich sehen zu können.
Jetzt hörte er es deutlich. Es klang, als weine jemand.
Mark formte die Hände wie einen Trichter und rief, so laut er konnte: »Haalloo! Wo bist du?«
Er musste nicht lange warten, dann hörte er ein langgezogenes: »Maa … maaamaaa!«
Ein Kind! Da weint ein Kind, schoss es Mark durch den Kopf. Marks Herz fing an zu klopfen. Es raste. Aufregung und Sorge ergriff ihn. Trotz der schlechten Lichtverhältnisse stürmte er in den Mischwald. Dabei rief er immer wieder: »Wo bist du!!?«
Immer wieder rief eine kindliche Stimme nach