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Klartext. Dominic MultererЧитать онлайн книгу.

Klartext - Dominic Multerer


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kann in Meetings labern, bis die Zimmerpflanzen eingehen. Ich habe Meetings erlebt, da fragt man sich, ob es das geben darf. Erst tastet sich einer ganz vorsichtig vor. Der Chef guckt skeptisch. Schon wird im nächsten Redebeitrag kräftig zurückgerudert. So geht das ewig weiter, bis letztlich niemand etwas gesagt hat, worauf er festgenagelt werden könnte. Anschließend wird das Meeting per E-Mail und mit cc an 23 Leute noch mal durchgekaut, relativiert und eingeordnet.

      Das Problem ist: Womit Leute hier durchkommen, das funktioniert an der Basis nicht. An der Basis muss jeder wissen, was Sache ist. Was ist heute zu tun? Knopf drücken oder Knopf nicht drücken? Lagern oder liefern? Betonverschalung oder Holzvertäfelung?

      Eine Meinung macht noch keinen Klartext

      Was ich mich frage: Jeder dieser Experten und Oberbosse hat doch schon mal privat einen Handwerker beauftragt. Hat er dann auch gesagt: »Ich hätte gern mal ein bisschen renoviert?« So wie er zum Unternehmensberater sagt: »Wir würden gern mal ein bisschen was für unser Image tun?« Sagt jemand seinem Gärtner etwa: »Mach mal den Garten schön«? Oder geht er ins Autohaus und sagt: »Ich hätte gern ein neues Auto, aber ich weiß noch nicht, ob ich dafür ein Budget habe, lassen Sie uns doch schon mal ins Gespräch kommen«?

      So läuft das nicht, auf keinen Fall! An der Basis müssen Sie wissen, was Sie wollen, und klare Ansagen machen. Das weiß auch jeder DAX-Vorstand.

      Klartext heißt: einen Standpunkt haben

      Einem Maler muss ich zum Beispiel sagen: »Diesen Raum hätte ich gern rot gestrichen.« Dann kann der Maler mich immer noch beraten – er ist ja der Experte – und etwa sagen: »Bei diesem Raum würde ich das nicht machen, der hat zu wenig Tageslicht.« Dann kann ich es mir überlegen, und entweder schließe ich mich der Meinung des Handwerkers an oder ich bleibe bei meiner ursprünglichen Vorstellung. In jedem Fall macht der Handwerker am Ende das, was ich sage. Ich kann auch zu Porsche gehen und sagen: »Ich hätte gern einen 9IIer, aber die Konditionen müssen stimmen.« Dann kann der Kundenberater als Experte sehen, wie günstig er das Leasing oder die Finanzierung anbieten kann. Und dann entscheide ich mich.

      Was ich damit sagen will: Klartext heißt ja nicht, dass man sofort die richtige Lösung hat. Klartext heißt auch nicht, mit dem Kopf durch jede Wand zu gehen. Klartext heißt, einen Standpunkt zu haben, bevor man den Mund aufmacht. Und Klartext heißt auch, diesen einmal kommunizierten Standpunkt nicht willkürlich, das heißt ohne Diskussion und ohne Rat von Leuten, die sich besser auskennen, zu ändern.

      Rund 65.000 Mängel wurden laut Medienberichten nach dem Baustopp auf der Baustelle des neuen Hauptstadtflughafens Berlin-Brandenburg erkannt. Andere Quellen sprechen von 150.000 Mängeln. Die Frage ist, was man als Mangel definiert, doch das interessiert ja keinen. Tatsache ist, dass hier ein Großprojekt in den Sand gesetzt wurde. Und zwar unter anderem deshalb, weil kein Handwerker mehr wusste, was er eigentlich machen sollte.

      Schauen wir mal genauer hin, was da passiert ist. Im Aufsichtsrat wurde geredet und geredet, da saßen Manager, Politiker, Geldgeber, ohne Kontakt zur Basis. In der Geschäftsführung änderte man gleichzeitig ständig seine Meinung. Das zumindest ist der Vorwurf von Flughafen-Architekt Gerkan, der von »Hunderten von Planänderungen in der Bauphase« spricht, während gleichzeitig »mangelhafte Kommunikation« geherrscht haben soll. Ergebnis: An der Basis, auf der Baustelle, weiß keiner mehr, was er machen soll. Und was macht der schlaue Handwerker dann? Er behilft sich irgendwie. Motto: Passt schon.

      Passt eben nicht. Kürzlich hieß es im Focus: Sogar die Bäume wurden falsch gepflanzt! Wenn es nicht so tragisch wäre, könnte man sich schieflachen. Leider kostet das ganze Chaos unsere Steuergelder.

      Verbindlichkeit als Einstieg

      Zu seinem Wort stehen

      Klartext beginnt mit Verbindlichkeit im Alltag. Doch eine klare und verbindliche Kommunikation ist bei Weitem nicht alles, was ich unter Klartext verstehe. Aber wer die Verbindlichkeit im Businessalltag schon nicht draufhat, der braucht sich mit Klartext als Unternehmensstrategie gar nicht erst zu beschäftigen. Verbindlichkeit fängt mit Kleinigkeiten an. Zum Beispiel, nicht zu sagen: »Sie hören von uns.« Sondern: »Ich melde mich bis nächste Woche Mittwoch mit einer Entscheidung.« Verbindlichkeit bedeutet, nicht zu sagen: »Das klingt interessant.« Zumindest dann nicht, wenn die Wahrheit ist: »Ich habe überhaupt kein Interesse.« Oder: »Ich kann mir das nicht leisten.« Oder: »Ich weiß längst, dass mein Chef dagegen ist und ich bei ihm nicht durchkommen werde.«

      Verbindlichkeit hat so ziemlich mit allem zu tun, worüber ich mich bisher in diesem Kapitel ausgelassen habe. Wer verbindlich sein will, der muss erstens einen Standpunkt haben. Wer keinen Plan hat, der kann nicht verbindlich sein. Über was sollte er sich mit anderen dann auch einig werden? Verbindlichkeit bedeutet zweitens, zu seinem Wort zu stehen. Einzulösen, was man versprochen hat. Und zwar auch dann, wenn der Wind zwischenzeitlich dreht. Auf Wikipedia-Deutsch klingt das so:

      Verbindlichkeit bezeichnet die Konsequenz, Ausdauer bzw. Standhaftigkeit, mit der eine Person – teils unter widrigen Umständen – zu einer Zusage oder Absichtserklärung (zusammenfassend »Versprechen« genannt) steht, die sie einer anderen Person oder anderen Personen gemacht hat.

      Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Verbindlichkeit – 10.2.2015

      Die Amerikaner drücken es weniger kompliziert aus: Walk your talk. Mach, was du angekündigt hast. Und nicht plötzlich und grundlos etwas anderes.

      Unverbindlichkeit ist ärgerlich, aber harmlos, solang nichts auf dem Spiel steht. Nehmen wir noch einmal die Geschichte von dem potenziellen Kunden, der mich nach meinem Angebot über ein halbes Jahr lang hingehalten hat. Ich war am Ende sauer, aber letztlich ist mir kein Schaden entstanden. Ich habe einfach andere Aufträge für andere Kunden gemacht. Mir konnte das egal sein.

      Verantwortung übernehmen

      Schlimmer ist das schon für eine neue Mitarbeiterin in einer Werbeagentur, die nach zwei Dritteln der Probezeit vom Chef hört, alles sei super und man plane langfristig mit ihr. Daraufhin zieht sie mit Ehemann und Kindern von der einen Ecke Deutschlands in die andere – eben dahin, wo die Agentur sitzt –, um eine Woche vor dem Ende der Probezeit vom Chef zu erfahren, dass er sie jetzt doch nicht mehr so toll findet und rausschmeißt. Wer jetzt sagt: »Hätte sie halt die komplette Probezeit abwarten müssen«, der hat nicht kapiert, worum es geht. Gesetze und Vorschriften sind gut und schön, aber ein Wort, auf das man sich verlassen kann, ist unabdingbar dafür, dass es in Unternehmen rundläuft. Richtig kritisch wird es dann, wenn es um Tausende Arbeitsplätze und um Milliardenwerte geht, die man entweder erhalten oder vernichten kann.

      Gibt es Karstadt noch, wenn dieses Buch gedruckt ist? Wenn ja, würde es fast an ein Wunder grenzen. 2010 kam mitten in der Krise ein schillernder Investor, bekam den Konzern vom Insolvenzverwalter praktisch geschenkt und versprach Mitarbeitern, Kunden und Gläubigern das Blaue vom Himmel. Was für eine tolle Marke! Welch eine Tradition! Was für ein Potenzial! Die Deutschen sind ja immer selig, wenn ein Amerikaner mit Privatjet und Picasso-Sammlung über irgendetwas Deutsches ins Schwärmen gerät. Doch war hier irgendwo Klartext zu hören? Gab es irgendwelche wirklich verbindlichen Zusagen? Fehlanzeige!

      Vier Jahre später schrieb die Wirtschaftswoche:

      Eine feine Sache: Jemand sagt, ich bin Milliardär, ich bin Investor, ich bin selbstlos und ich verstehe etwas von Wirtschaft, von Geld und von Firmensanierung. Und die aus der langjährigen Karstadtkrise kaum schlauer gewordenen Verantwortlichen, die das Sagen über den Karstadtkonzern hatten, sagen umgekehrt zu diesem: Wir schenken dir, Investor, das Unternehmen für einen Euro und zu Traumtänzerbedingungen: Du musst selber kein Risiko eingehen, du musst nicht investieren, wenn du nicht willst, du kannst also gar keine Verluste machen, aber umgekehrt wenn – gegebenenfalls wider Erwarten – eines Tages doch Gewinne entstehen, dann sind diese Gewinne deine Gewinne, lieber Herr bescheidener Milliardär.

      Quelle: http://www.wiwo.de/unternehmen/handel/bettina-roehl-direktberggruen-macht-sich-laecherlich/10200034-2.html


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