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Mut braucht eine Stimme. Peter HolzerЧитать онлайн книгу.

Mut braucht eine Stimme - Peter Holzer


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so spontan Zeit hast? Ich bin schon wieder so was von dicht! Jedes Wochenende ist gerade verplant!«

      Unter der Woche hat Gerd auch selten Zeit, darum habe ich schon den Samstag vorgeschlagen.

       »Machst du gerade eine Fortbildung an den Wochenenden, Gerd?«

       »Haha! Schön wär’s«, lacht er herzhaft. »Nee, da sind lauter Familienevents. Kindergeburtstag, Judiths Eltern im Allgäu besuchen, hier ’ne Feier, dort ’ne Feier, einmal im Monat die Pokerrunde mit den Jungs, dann noch ein schon ewig geplantes Wellness-Wochenende im Schwarzwald und so weiter und so fort. Eigentlich total schön, aber alles ein bisschen viel gerade. Aber ja, Fitness mit dir ist überfällig. Wie wäre es am 25. Juli?«

      Ich schaue in den Kalender: Das ist in zwölf Wochen! Sprachlos versinke ich in Gedanken.

       »Peter, bist du noch da?«

      »Hm, hm«, gebe ich ein Zeichen, während mein Kopf Gedankenschleife um Gedankenschleife dreht.

       »Und was denkst du?«

      Stille.

       Ich weiß es nicht. Ich bin sprachlos. Das Einzige, was ich zu Gerd sagen kann, ist: »Lass mich mal eben überlegen …«

      Menschen wie mein Kumpel Gerd führen mir immer wieder vor Augen: Der Tornado ist zu einem großen Teil hausgemacht. Das eine ist, in der Firma viel zu tun zu haben – und vom Input-Virus dominiert zu werden. Das andere ist, die Wochenenden so stark zu verplanen, dass selbst die Freizeit keine frei gestaltbare Zeit mehr ist, sondern ein Erfüllen von sozialen und gesellschaftlichen Verpflichtungen. Doch wozu dieser Freizeitstress?

      Ja, wir haben in Deutschland einen sehr hohen Lebensstandard erreicht, den wir natürlich beibehalten wollten. Um Errungenschaften wie Rechtssicherheit, Sozialstaat etc. aufrechtzuerhalten und um gleichzeitig mit dem Wettbewerb mitzuhalten, wächst auch der Leistungsdruck in der Wirtschaft. Je fetter der Dienstwagen, desto höher die Firmenkosten. Je höher die Kosten, desto höher der erforderliche Umsatz. Und je ambitionierter die Umsatzziele, desto größer die Hektik. Mitarbeiter hetzen ihren Aufgaben hinterher, um mehr Ergebnisse in der gleichen Zeit zu erzielen.

       Warum entscheiden sich Menschen für unnötige Hetze?

      So weit, so verständlich. Was ich aber gar nicht verstehe, ist, warum sich Menschen auch dann für Hetze, Hektik, Stress und Druck entscheiden, wenn er gar nicht nötig ist. Wie viele Menschen könnten in ihrer Freizeit kürzertreten und tun es trotzdem nicht? Man könnte sich doch einmal für ein Wochenende gar nichts vornehmen und schauen, worauf man spontan Lust hat. Doch die Realität sieht anders aus. Wie viele Menschen stressen sich im Job dermaßen, dass sie nach einem 14-Stunden-Büro-Power-Tag zu Hause am Esstisch weiterarbeiten und am Ende erschrocken feststellen, dass die Kinder schon längst schlafen?

      Wem das zu anstrengend ist, ertränkt sich alternativ in Alkohol oder lässt sich auf dem Sofa vom inhaltsleeren TV berieseln. Bloß keine unverplanten Momente in der Freizeit! Stattdessen belegt man jede freie Stunde mit irgendwelchen Aktivitäten, mit der Begründung, dass es doch wichtig sei, die Schwiegermutter, Freunde, Geschäftspartner, Nachbarn … zu treffen. Dass jetzt dringend eine Gegeneinladung dran sei, nachdem die Schulzes schon zweimal hintereinander zum Grillen eingeladen hätten. Wie viele Menschen stecken in einem Schraubstock, den sie sich nicht nur selbst angelegt haben, sondern den sie selbst auch noch immer enger schrauben, bis es wehtut? Viel zu viele!

       Selbst schuld (II)

       Nachdem ich mich vom ersten Schock erholt habe, frage ich meinen Freund Gerd: »Warum machst du das eigentlich – deine Freizeit so zu verplanen?«

      Stille. Schweigen.

      Mein Gesprächspartner findet keine Antwort.

       Schließlich druckst er herum: »Das gehört halt dazu. Wir haben nun mal einen großen Freundeskreis. Wenn du eingeladen werden willst, musst du eben auch eine Gegeneinladung aussprechen …«

      Dass er den Stress selbst wählt, dass er sich also dafür entscheidet und sich nachher über seine eigene Entscheidung beschwert, ist ihm allerdings nicht bewusst. Das schlichte Lösungsangebot »Dann hör doch auf damit, wenn es dich so sehr stört« wollen diese Menschen meist nicht hören. Ein Satz aus dem Film »Fight Club« bringt diese Lebenshaltung für mich auf den Punkt. Brad Pitt sagt in einer Szene: »Von dem Geld, das wir nicht haben, kaufen wir Dinge, die wir nicht brauchen, um Leuten zu imponieren, die wir nicht mögen.« Und solange Menschen so leben, bleibt alles, wie es ist. Der Tornado wütet weiter und wird immer bedrohlicher.

       Wir leiden an unserem eigenen unstillbaren Hunger.

      Wenn ich mir anschaue, zu welchem Anteil die äußeren Umstände und zu welchem Anteil innere Antreiber den Tornado befeuern, kann ich nur feststellen: Tatsächlich leiden wir nicht so sehr unter dem Angebotsstress wie unter unserem eigenen unstillbaren Hunger. Unter einer Sehnsucht, die wir teilweise gar nicht genau kennen. Solange wir die wahre Ursache aber nicht kennen, werden wir unbewusst von ihr gesteuert – und unsere Lebenszeit rinnt uns ungenutzt durch die Finger.

      Wenn Sie sich also fragen, warum Sie Ihre Ziele nicht in der Geschwindigkeit erreichen, in der Sie sich dies wünschen, und was Sie daran hindert, endlich das Leben zu leben, das Sie sich in Ihren kühnsten Träumen ausmalen, dann werden Sie sich der Antwort nur annähern, wenn Sie diese unterschwellige Sehnsucht genauer zu fassen bekommen.

       Sein – Tun – Haben

      Ein wesentlicher Teil des unstillbaren Hungers nach Aktivität wird den Kindern schon frühzeitig eingeimpft. Wenn ein Teenager in seinem Zimmer auf dem Bett rumlümmelt, ermahnen die Eltern ihn: »Beschäftige dich! Tu etwas Sinnvolles! Mach Hausaufgaben!« Das Tun wird zum Leitbild erhoben.

       Jeder neue Kauf bekämpft das Gefühl der inneren Leere.

      Das setzt sich im Erwachsenenalter fort. Wir tun unglaublich viel und sind unglaublich beschäftigt. Wenn wir eine innere Leere spüren, reagieren wir darauf, indem wir einfach noch mehr tun und zum Workaholic mutieren. Alternativ weichen wir in einen Konsumwahn aus und entwickeln eine Sammelwut: teure Uhren, schicke Schuhe, seltene Autos. Wir sammeln, um zu haben. Es ist gar nicht so wichtig, ob es auch verwendet wird. Doch jeder neue Kauf bekämpft das Gefühl der inneren Leere. Zumindest für kurze Zeit. Dann müssen wir wieder etwas Neues kaufen. Der Wunsch nach Haben treibt uns an.

      Doch mehr tun oder mehr haben löst das Gefühl der inneren Leere nicht. Seit ein paar Jahren dürfen gestresste Menschen dann eben ins Burn-out ausweichen. Weil sie so viel tun, können sie nicht mehr. Dafür gibt es auf einmal respektvolle Anerkennung: »Wow, der hatte ein Burn-out.« Mir scheint dies eher ein Pseudo-Burn-out zu sein. Und gleichzeitig eine schallende Backpfeife für jene, die wirklich an Burn-out erkrankt sind.

      Auch ein Pseudo-Burn-out ist langfristig keine Lösung, denn es befreit nicht von der Leere. Doch was kann helfen? Der Teenager hat es noch gewusst. Er gammelte ab. War einfach nur da, in einer Art meditativem Zustand. War im Sein. Wenn die Eltern ihn denn sein ließen …

      Wenn Sie Tun und Haben völlig überstrapazieren, geraten Sie ins Ungleichgewicht. Dann verspüren Sie diese innere Leere, merken, dass noch etwas fehlt. Lösen können Sie es nur, indem Sie das tun, was notwendig ist: nämlich mehr sein. Also auf Ihre innere Stimme hören. Sich selbst, Ihre noch nicht genutzten Potenziale, Wünsche und Träume kennenlernen. Um der Mensch zu werden, der Sie sein können.

       Das Diktat der Neugier

      Wir


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