Die 3 Führungsgespräche. Michael SimpsonЧитать онлайн книгу.
Aus dem Manuskript wird deutlich, dass Ptahhotep dem Individuum mit seinen Talenten und Fähigkeiten großen Wert beimaß. Bedenkt man, dass das Buch, das Sie in der Hand halten, in erster Linie von Führungsgesprächen handelt, ist es besonders aufschlussreich, dass das Ptahhotep-Dokument in wörtlicher Übersetzung den Titel trägt: »Die Maximen der guten Unterhaltung«.
Einige Weisheiten dieser frühen Führungspersönlichkeit könnten – mit wenigen zeitbedingten sprachlichen Veränderungen – aus der jüngsten Management- und Leadership-Literatur stammen. So heißt es dort beispielsweise über die Bedeutung des Zuhörens (als Ausdruck des demonstrierten Interesses):
»Wenn du führen willst, so höre dem Bittsteller geduldig zu und unterbrich ihn nicht, bis sein Bauch leer ist von allem, was er dir zu sagen sich vorgenommen hatte … Nicht allem, um was er bittet, kann stattgegeben werden, aber indem du ihm zuhörst, besänftigst du sein Herz.«2
Fast jeder Mensch kommt früher oder später an einen Punkt, an dem er erkennt: Wahre Führung bedeutet, sich um die Geführten zu kümmern und sich für sie einzusetzen. Weniger offensichtlich – oder zumindest weniger häufig ausgesprochen – ist die Tatsache, dass wahrhaft große Führungspersönlichkeiten sich nicht nur um ihre Leute kümmern und sich für sie einsetzen, sondern dass sie ihnen diese Fürsorge in einer Weise zuteilwerden lassen, die für die Betreffenden bedeutsam ist, und ihnen helfen, sich entscheidend weiterzuentwickeln.
Als wir vier uns unsere praktischen Erfahrungen und globalen Forschungsergebnisse vorknöpften, um daraus die effektivste Art und Weise abzuleiten, wie sich Fürsorge kommunizieren lässt, destillierten sich für uns am Ende drei Kategorien von Führungsgesprächen – fortgesetzten, tief greifenden Gesprächen zwischen Führenden und Geführten – heraus, die dazu geeignet sind, Talente zu entdecken und zur Entfaltung zu bringen.
Alle diese Gespräche vermitteln dem Gesprächspartner echte Fürsorge und aufrichtiges Interesse. Werden diese Gespräche auf langfristiger Basis geführt, fördern sie die Wahrscheinlichkeit, dass der Einzelne seine Tätigkeit als freudespendend und erfüllend empfindet, mit der Folge, dass sich die Leistung seines Teams und seiner Organisation dramatisch verbessert.
Ziel dieses Buches ist es, Sie mit diesen drei Kategorien von Führungsgesprächen vertraut zu machen – was sie sind, warum sie funktionieren und wie Sie die praktischen Fähigkeiten entwickeln, die Sie benötigen, um sie führen zu können. Zu diesem Zweck werden wir Ihnen einige praktische Tools – Gesprächsleitfäden – an die Hand geben, die Sie sofort in die Lage versetzen, mit diesen Gesprächen zu beginnen.
Führung ist ein Gespräch
Jemand hat gesagt: »Die Ehe ist ein einziges langes Gespräch. Heiraten Sie also nur jemanden, mit dem Sie sich gern unterhalten!« In Wirklichkeit bestehen alle guten Beziehungen lediglich aus einer Folge guter Gespräche. Je bedeutungsvoller, vertrauensvoller und offener sich so ein Gespräch gestaltet, desto erfüllender ist die Beziehung.
Wie die Leadership-Experten Robert J. Anderson und William A. Adams sagten: »[Auch] Führung ist ein Gespräch.«3
»Führungskräfte verbringen den Großteil ihrer Tage mit Gesprächen – Besprechungen, Telefonaten, E-Mails und strategischen Mitteilungen … Von der Güte dieser Führungsgespräche hängt ab, wie effizient Informationen weitergegeben werden, wie effektiv sich die gemeinsame Arbeit gestaltet und wie leistungsstark sich das Unternehmen am Ende zeigt … Die Güte unserer Gespräche und unserer Beziehungen korreliert also unmittelbar mit den Ergebnissen, die wir produzieren.«4
Wenn Führung also wirklich nichts anderes ist als ein einziges langes Gespräch, in dem wir ununterbrochen kommunizieren, dann hilft es vielleicht, wenn wir die Art und Weise, wie wir mit den Menschen um uns herum kommunizieren, einmal genauer unter die Lupe nehmen. Wir könnten beispielsweise fragen: »Bin ich in meinen Gesprächen zuvorkommend, ehrlich und hilfreich? Motiviere und inspiriere ich meine Mitarbeiter, sich besser und zielgerichteter einzubringen? Mit anderen Worten: Fühlen sie sich wirklich angesprochen? Oder sind meine Worte zu sparsam bemessen, oberflächlich, emotionslos und faktenbesessen? Oder, schlimmer noch, kommen sie drohend, kritikversessen oder sarkastisch herüber?«
Im Folgenden zeigen wir Ihnen Auszüge aus typischen Äußerungen am Arbeitsplatz. Überlegen Sie, was zwischen den Zeilen stehen könnte und welches Ergebnis eine solche Kommunikation bewirkt. Fallen Ihnen aus Ihrer Erfahrung Beispiele mit ähnlich starken Botschaften zwischen den Zeilen ein?
Überlegen Sie, wie Sie selbst kommunizieren. Was vermitteln die Worte, die Sie an die von Ihnen Geführten richten, hinsichtlich Ihrer Einstellung zum Team, zum Unternehmen oder zu Ihrer eigenen Rolle? Und was folgt daraus für Ihr Team oder Ihr Unternehmen?
Im Rahmen unserer Arbeit mit Mitarbeitern von Unternehmen aus aller Welt bekommen wir häufig Kommentare zu hören wie die folgenden:
Abbildung 1.1
Was gesagt wurde | Was damit kommuniziert wurde |
»Die Argumente, die die Unternehmensleitung da vorbringt, versteht auch nur sie selbst. Wir machen’s einfach so. Okay?« | Unsere Ideen erfahren keine Wertschätzung. Wir sind nicht Mensch, sondern nur Teil einer Maschine, an deren Hebel klügere und bessere Leute als wir sitzen. |
»Fakt ist: Es gibt gute und schlechte Firmen. Da kann man nichts machen.« | Wir sind Opfer. Wir können an unserer Situation nichts ändern. |
»Die guten Leute gehen weg und die Nieten bleiben.« | Dies ist ein schlechter Arbeitsplatz. Wer hier bleibt, trägt von vornherein den Stempel »leistungsschwach« – da kann er sich anstrengen, wie er will. |
»Ich hoffe, du hast jemanden, der das bestätigen kann, was du da behauptest. Sonst machen die dich fertig.« | Hüte dich davor, schlechte Nachrichten zu überbringen. Nur so überlebst du hier. Mit Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz wirst du hier nichts. |
»Die von der Versandabteilung packen es einfach nicht. Was um sie herum geschieht, sehen die nicht.« | Das Problem liegt nicht bei uns. Es hat seine Ursache irgendwo »da draußen«. Die »anderen« sind schuld. |
»Die Einschnitte sind so groß, dass wir unseren Job schlicht nicht mehr machen können.« | Erfolg ist schlechterdings ausgeschlossen – aber wir können nichts dafür. |
»Hast du schon gehört? Marcie aus der Betriebsabteilung haben sie nach fünfzehn Jahren einfach so entlassen. Die Leute werden hier nur ausgebeutet und dann fallen gelassen.« | Jeder muss hier um seinen Job bangen. Die da oben fühlen sich uns gegenüber nicht verpflichtet (und folglich brauchen wir uns auch ihnen gegenüber nicht verpflichtet zu fühlen). |
»Obwohl wir schon so lange an diesem Projekt arbeiten, kommt von der Leitung keine Unterstützung. Die verstehen einfach nicht, welche Chance darin liegt.« | Wir wissen nicht, was von uns erwartet wird, oder können uns auf Absprachen nicht verlassen. Die da oben sind inkompetent und haben keine Ahnung. |