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Das Meer. Blai BonetЧитать онлайн книгу.

Das Meer - Blai Bonet


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wie zum Beispiel um die Heizungskessel.

      Der Bezirksdirektor der Sanitat wird niemals an all das denken. Einmal im Monat kommt er hergefahren, in seinem Cadillac. Nicht einmal jeden Monat. Wenn der Bezirksdirektor kommt, zeigen sie ihm die Beete mit den Zinnien, mit den Rosen, die seltsam klingende Namen haben, den neuen Apparat für die Sektion von Adhäsionen. Alles, was einen schönen Schein hat. Alles, was weder an Schmerz noch an Blut erinnert.

      Wenn sich der Bezirksdirektor ankündigt, schmeckt die Milch für die Kranken nach wirklicher Milch. Ist der Bezirksdirektor nicht angekündigt, wird die Milch für die Kranken und die für die unteren Angestellten – für Julià Puigserver, für Jordi Agustí und für Agustí Alcàntara – im selben Kessel abgekocht, in dem nachts die Sardinen frittiert werden. Die Milch, die für sie bestimmt ist, hat mehr Fisch- als Direktorengeschmack.

      Alle Überkleider, die wir zu Gesicht bekommen, sind weiß, löchrig und verschlissen. Den ganzen Tag lang weiße Kleidung, wie jene, die Schwester Teresa Crous und ich auf dem Tisch vor uns haben. Seit einer Stunde beugen wir uns über den Tisch, eine Hand am Bügeleisen, die andere an der Wäsche, und reden kein Wort. Seit einer Stunde beugen wir uns über den Tisch. Nach einer Stunde des Schweigens sage ich:

      „Seit einem Jahr ist Andreu Ramallo hier. In diesem ganzen Jahr hat er nicht mehr als zwei Hemden getragen. Die zwei Hemden von diesem Andreu Ramallo sind ein Elend. Seine Familie kommt ihn nicht besuchen. Anfangs besuchte ihn Don Eugeni Morell, der Geschäftsmann, und fuhr mit ihm in den Pinienwald. Später schloss sich Andreu Ramallo an den Besuchstagen im Klosett ein, weil er den Geschäftsmann aus seinem Dorf nicht mehr sehen wollte. Don Eugeni kam nicht mehr. Andreu Ramallo ist ein Verlassener, ein Junge, den es schmerzt, ein Gesicht wie ein Messer zu haben.“

      Die Uhr – ticktack, ticktack – zieht die Stille im Bügelzimmer in die Länge. Ohne den Blick zu heben, stippt Teresa Crous die Finger in den Teller mit Wasser, der in der Mitte des Tisches steht. Sie befeuchtet die Wäsche. Ohne den Blick zu heben. Das Bügeleisen gleitet über die Ärmel des Hemdes und über der Wäsche stößt ein weißer Dampf empor, abrupt, wie das Schnauben der Pferde, im Winter, wenn der Tag anbricht.

      Das Schweigen erzeugt einen fahlen Geschmack im Mund, als kaute ich hartes Brot. Ich sage:

      „Die Tage vergehen und keine von uns bemerkt die Zeit. Zwei Jahre sind wir schon hier. Wir sind am selben Tag angekommen, mit demselben Zug. Ein Zug voll von singenden Soldaten.“

      Die Wasserschale ist gelb. Mit ein paar schwungvollen grünen Pinselstrichen. Die Glasur der Schale ist gerissen.

      „Teresa, du hattest die Hände auf den Knien gefaltet. Und hattest den Blick gesenkt, ich sah, wie sich deine Lippen bewegten, leise, wie die Lippen der Priester, wenn sie die Monstranz vor sich hertragen, bei den Dorfprozessionen.“

      In einem steinernen Topf in der Ecke öffnet sich eine wohlriechende Malvenblüte.

      „Als schautest du in dich hinein, als hättest du zuvor in dein Herz gesehen, hörte ich dich sagen: «Der Gedanke, dass das Zimmer, in dem ich leben werde, eine Zelle ist, lässt mich erschaudern.» Die Soldaten sangen Märsche und Kriegslieder, mit heiserer Stimme vom vielen Wein. Nach einigen Kriegsliedern hast du gesagt: «Für uns ist die Auferstehung des Fleisches eine entschiedene Sache, etwas Baldiges. Wir sind bloß Werkzeuge des Gebets. Das Leben unseres Fleisches da draußen ist jenen gewidmet, die nicht beten können. Unsere Buße ist nichts anderes, als mit dem Leib zu beten.» Danach hast du gelächelt. Als schämtest du dich, so voll des Mutes zu sein.“

      Das Licht dringt gedämpft durch die geschlossene Fensterklappe und umschmeichelt die Wände, wo die Reinlichkeit wie leuchtender Kalk pulsiert.

      „In den ersten Tagen gingen wir abends, nachdem die Arbeit im Krankenpavillon beendet war zurück in unseren Trakt, wie wir es heute tun werden. Du erinnerst dich an solche Dinge. Still schlüpften wir aus den Schürzen und weißen Roben, als ein Chor nahmen wir in unserem Herzen wieder die Natürlichkeit des Gebets an. Du sagtest: «Siehst du, nicht das Beten gibt Kraft, es ist die Kraft selbst.» Später, als wir das Abendessen beendet hatten und uns ausruhten, begannst du die Unterhaltung, mit solch warmer Stimme, so einzigartig, wie sie eine von uns immer nach dem Gebet hat. Du sagtest: «Wir müssen im Gebet vor Gott zur völligen Vergessenheit unserer selbst gelangen. Ich würde behaupten, dass diese Vergessenheit die perfekte Demut ist.»“

      Teresa Crous hat schmale Lippen. Ihr Gesicht ist starr und gleicht einem gelben Stein. In ihrem schweigsamen Innern weint sie bitterlich.

      „Die Oberin sprach zu mir, in ihrer Stimme, die von Alter und Verständnis zeugt, in jener bescheidenen Gewissheit, die Frauen besitzen, die vom Land kommen: «Sie müssen lange einkehren, Schwester Teresa, ich sage lange, weil ich täglich meine, denn für uns, die wir in ein Regelwerk eingeschlossen sind, ist die Beherrschung wichtiger als das Auflodern. Wir sind nicht hierhergekommen, um etwas zu tun, wir sind hergekommen, um geformt zu werden. So wie der Krug vom Töpfer geformt wird. Perfekt zu sein ist für uns nahezu unerreichbar. Die abgeschlossenen Klöster, die sich der Aufgabe verschrieben haben, die Einsamkeit des Menschen in der Einsamkeit einer Zelle zu besiegen, folgen einem ganz einfachen Weg der Perfektion: Das eigene Ich zu zerstören und über das Gebet in das Herz und die Arterien des mystischen Körpers der Kirche zu konvertieren. Nach dieser Pflicht kommt auf uns eine neue Aufgabe zu, unsere einzige Aufgabe: Im Namen Christi zu dienen. Aber niemals werden wir in seinem Namen Speisen und Getränke vollkommen genug austeilen, wenn wir nicht zuvor jene tiefe Demut angenommen haben, einfache Werkzeuge zu sein, die Speisen und Getränke austeilen. Wenn ihr nach dieser extremen Demut trachtet, werdet ihr niemals schwanken, schwanken werden lediglich eure Taten.» Du warst sprachlos, ohne menschliche Regung, in dich gekehrt, wie du immer bist, wenn du sagst, dass du das Holz für die Gemeinde zerkleinern willst und man dich des Gehorsams Willen zum Altar schickt, um die Lilien zu tauschen.“

      Die Uhr – ticktack, ticktack – zerstört die Stille, diese umfassende Stille, die ich gerne beendet hätte mit der unendlichen Zärtlichkeit, mit der ich das Hemd von Justo Pasto faltete, der starb, als sich seine Kleidung im Bügelzimmer befand.

4 MANUEL TUR

      Diese Huldigung des Blutes Christi, der Passion, Satans, dieses hastige Reden, als ob ich mich angesteckt hätte, dieser Zustand, wie eine lebende Leiche auszusehen, begann damals, es war in einem August.

      Dies sind die Worte, die ich an Gott richte:

      Herrgott, angefangen hat es im August. Der Himmel war wolkenverhangen. Der Wind wirbelte den Staub durch die Straßen. Es sah aus, als braute sich ein Sommersturm zusammen. Vater, der vom Dorf zurückkam, ging ins Haus und schloss wütend die Fenster. Die Fensterscheiben zitterten – und wir auch –, das ist die Wahrheit, denn Vater war sehr aufbrausend, er schrie Mutter ständig an, bis sie zu weinen begann. Danach ging er in die Taverne. Als es bei seiner Rückkehr im Haus mucksmäuschenstill war, fragte er, ob irgendwas vorgefallen sei. Mein Vater war ein bisschen so, wie Sommerstürme sind. Er ging in die Küche. Er sagte:

      „Maria.“

      „Ja?“

      „Packe die wichtigste Wäsche. Nur den kleinen Koffer. Falls ihr fliehen müsst. Du und die Jungen. In die Stadt.“

      „Was ist passiert?“

      „Es ist Krieg. Sie bereiten sich vor, an Land zu gehen. Hier. Bei unserem Dorf. Fünf Dampfer sind es. Sie liegen vor der Küste. Man sieht sie. Vom Turm des Rathauses. Die Fliegerstaffel, die einen Beobachtungsposten auf dem Turm hat, gab gerade die Warnung raus. Im Dorf gibt es fast keine Munition.“

      Vater, Mutter und ich standen in der Küche, ohne zu reden. Als warteten wir. Mein Vater nestelte an der Schirmmütze, die er vor sich hielt. Wir schauten ihn an und sahen, dass er Angst hatte.

      Ich ging an das Fenster zur Straße, der Himmel war dunkel und die Straße grau wie das Meer bei Eintritt der Nacht. Männer in Hemdärmeln standen grüppchenweise in den Hauseingängen und tuschelten, die Hände in den Taschen. Ahnungslos wie immer hörten ihnen die Frauen


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