Perry Rhodan 1246: Die Macht des Träumers. Thomas ZieglerЧитать онлайн книгу.
die Jahre eines Unsterblichen sind zahllos, und eines Tages wird die Last unerträglich sein. Der Körper verwandelt sich in ein Gefängnis, aus dem es für den Geist kein Entkommen gibt. Was für eine schreckliche Vorstellung!
Und da ich dies erkannt habe, durchfuhr es Kazzenkatt, weiß es auch der Herr der Negasphäre. Er weiß, dass ich als Lenkungselement wertlos bin, wenn ich die Gabe des Zeroträumens verliere. Er wird mich töten oder mir die nächste Zelldusche verweigern ...
Aber dann wurde ihm bewusst, wie absurd seine Überlegungen waren. Die Entscheidung war bereits gefallen. Er hatte versagt, und seine Tage waren gezählt. Selbst der verzweifelte letzte Schlag, den er gegen den Gegner geführt hatte, hatte die Niederlage nicht mehr abwenden können. Die Kosmokraten und ihre Verbündeten – die Endlose Armada, die Milchstraßenvölker, die Hanse und die Superintelligenz ES – hatten die Auseinandersetzung um die Chronofossilien gewonnen. Der Versuch der Mächte des Chaos, die Chronofossilien zu neutralisieren und so die Rückkehr des Frostrubins und die Reparatur des Moralischen Kodes zu verhindern, war bislang gescheitert.
Schlimmer noch: Eines der wirkungsvollsten Machtinstrumente der Chaotarchen, der Dekalog der Elemente, war faktisch zerschlagen.
Es ist meine Schuld, dachte Kazzenkatt. Ich bin das Element der Lenkung. Ich habe den Krieg gegen die Milchstraße geführt. Ich bin für den Untergang des Dekalogs verantwortlich.
Er fröstelte.
Wann wird er kommen, der Herr der Negasphäre, um mich für mein Versagen zu bestrafen?, fragte sich Kazzenkatt. Oder ist er schon hier? An Bord der PRIMAT DER VERNUNFT? Habe ich deshalb von jenem Tag vor viertausend Jahren geträumt, von jenem Aschetag auf Sarlengort, an dem ich meinem Herrn zum ersten Mal sah?
Plötzlich erkannte er, dass es ihn nicht kümmerte. Er hätte sich fürchten, Todesangst empfinden müssen, doch ihm war es gleich. Fast trotzig sagte er sich: Soll er mich töten. Soll er mich dafür bestrafen, dass die Macht der Elemente nicht groß genug war, die Gegner zu besiegen. Ich habe genug von allem. Ich bin müde.
Kazzenkatt lachte verärgert auf.
Sinnlose Gedanken. Sie änderten nichts an seiner Situation. Er war nur ein Werkzeug; er war noch immer ein Element des Dekalogs. Sein Leben lag in der Hand des Unheimlichen aus der Negasphäre – und so war es seit viertausend Jahren.
Im Grunde, dachte Kazzenkatt resignierend, im Grunde hat sich nichts geändert. Ich diene und gehorche, weil ich leben will. Deshalb habe ich nichts für die letzten meines Volkes in den Türmen von Sarlengort getan; deshalb habe ich mich dem Herrn der Negasphäre unterworfen und für ihn einen Feldzug nach dem anderen geführt – gegen die Patrouillen von Wi'n, gegen die Genetische Allianz, die Bewohner der isolierten Regionen und schließlich gegen die Galaxis Milchstraße. Ich habe getan, was mir gesagt wurde, und ich habe alle meine Mittel eingesetzt. Es lag nicht an mir. Der Gegner war stärker; das ist alles.
Er spannte die Muskulatur seines Doppelhalses und hob den quaderförmigen Kopf; ein kurzer Mentalimpuls, und der Bordrechner zeigte ihm eine holografische Darstellung des transsolaren Weltraums. Sol war dreißig Lichtjahre entfernt, ein trüber Lichtpunkt, der vor dem Hintergrund der Milchstraße und ihres strahlenden Zentrumskerns fast unsichtbar war. Die PRIMAT DER VERNUNFT hatte in den letzten Stunden mehrfach die Position gewechselt, um den Patrouillenschiffen der LFT und der GAVÖK zu entgehen, und befand sich nun näher am galaktischen Rand. Aber selbst in diesem Sektor wimmelte es von Einheiten des Gegners.
Trotz ihres Ortungsschutzes, das aus dem Hightech-Arsenal der Basis LAGER stammte, war die PRIMAT DER VERNUNFT gefährdet. Der wissenschaftlich-technische Entwicklungsstand der Terraner und ihrer Verbündeten war hoch – und Kazzenkatt hatte mehr als einmal erfahren müssen, was es bedeutete, den Gegner zu unterschätzen. Außerdem war da noch die Endlose Armada; und die SYZZEL, das Schiff der Kosmokraten. Nicht einmal der Herr der Negasphäre hatte mit letzter Sicherheit sagen können, über welche Mittel Taurec verfügte.
Kazzenkatt wies den Bordcomputer an, sofort die Position zu wechseln, wenn sich gegnerische Schiffe der PRIMAT DER VERNUNFT um mehr als einer Lichtstunde näherten, und konzentrierte sich dann auf das Solsystem.
Eine glitzernde Materiewolke schien die kleine gelbe Sonne und ihre Planeten zu verhüllen. Die Wolke bestand aus Millionen und aber Millionen Raumschiffen und reichte weit in den interstellaren Raum. Aus Sicherheitsgründen arbeitete der Bordcomputer nur mit den passiven Ortungssystemen; ihr Auflösungsvermögen reichte nicht aus, die Pulks der Armadaeinheiten oder einzelne Schiffe herauszufiltern. Die unvorstellbar große Flotte, die seit Jahrmillionen das Universum durchstreift hatte, blieb diffus, war weder verstandesmäßig fassbar, noch mit den Instrumenten zu analysieren.
Eine funkelnde Wolke mit einer Ausdehnung von mehreren Lichtjahren, die das Heimatsystem der Terraner in kosmischen Nebel hüllte und dabei selbst hinter einer Nebelwand zu liegen schien.
Kazzenkatt bezweifelte, dass er mit den aktiven Ortungssystemen bessere Ergebnisse erzielen konnte. Er hatte schon mehrfach festgestellt, dass eine Art hyperenergetisches Feld die Armada abschirmte und die Messergebnisse verfälschte. Natürlich wäre es möglich gewesen, die Armada im Zerotraum auszukundschaften, doch Kazzenkatt scheute davor zurück. Seit die Riesenflotte die galaktische Eastside erreicht hatte, war sie zu einem starken Psi-Strahler geworden. Die Strahlungsquelle ließ sich nicht lokalisieren; er hatte sogar den Eindruck, dass es Tausende Quellen gab, die über die ganze Armada verteilt waren ...
Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Hologramm.
Die Endlose Armada war nicht der einzige Gast im Solsystem. Außer den Einheiten der Liga Freier Terraner und der Kosmischen Hanse hatten sich in den letzten Tagen und Wochen rund vierzigtausend Raumschiffe der terranischen Alliierten eingefunden – Blues, Akonen, Arkoniden, Springer, Überschwere, Topsider und Haluter, Verbände der ehemaligen terranischen Kolonien, eine Flotte Fragmentraumer von der Hundertsonnenwelt und eine ganze Reihe anderer Schiffe, über deren Herkunft Kazzenkatt nur Vermutungen anstellen konnte. Die deutlichsten Tasterreflexe lieferten die BASIS und die beiden Kosmischen Basare NOWGOROD und DANZIG, sowie das Loolandre.
Eine gewaltige Streitmacht.
Und da war noch das Virenimperium, das als gewaltiger, hundert Lichtstunden durchmessender Ring das Solare System umgab.
Kazzenkatt seufzte.
Selbst mit der Macht des gesamten Dekalogs der Elemente im Rücken wäre ein Angriff auf das Solsystem eine riskante Angelegenheit gewesen.
Aber der Dekalog existierte nicht mehr, dachte der Zeroträumer.
Und eine Stimme sagte: »Was hast du getan?«
Es war eine kalte Stimme, kalt wie Trockeneis aus der Minuswelt, und sie drang aus dem Nichts. Der Zeroträumer fuhr mit einem Schrei hoch. Seine Pigmentsensoren röteten sich, ließen ihn klar und scharf hören, riechen und sehen, das ihm bisher so warm und vertraut erschienen war, wirkte mit einemmal giftig.
»Herr?«, stammelte er. »Wo bist du, Herr?«
»Ich bin bei dir«, sagte die Stimme seines Herrn. »Ich bin immer bei dir gewesen. Ich habe dich vor dem Tod bewahrt und dir das Leben geschenkt, das ewige Leben, die Unsterblichkeit. Aber was hast du getan, Kazzenkatt?«
»Herr, töte mich nicht!«, rief der Sarlengort. Unterwürfig fiel er auf die Knie. »Es ist nicht meine Schuld! Verschone mich, Herr!«
In der Zentrale wurde es dunkler. Schatten legten sich über das Grün der Formenergie, und aus den Schatten – dunkler als die Asche von Sarlengort – schälte sich eine humanoide Gestalt. Die Gestalt eines Terraners, eines Feindes, und die Tatsache, dass der Herr der Negasphäre ausgerechnet diese Erscheinungsform gewählt hatte, verstärkte Kazzenkatts Furcht.
Ich will leben!, dachte er verzweifelt. Das ist alles, was ich will!
»Du hast versagt«, erinnerte der Herr der Negasphäre.
Kazzenkatt hob trotzig den Kopf. »Ja«, sagte er laut. »Ich habe versagt. Aber ich bin nur dein Werkzeug. Wenn du dein Werkzeug töten willst – ich bin bereit.«
Ein verächtliches