Perry Rhodan 1956: Das Haus der Nisaaru. Susan SchwartzЧитать онлайн книгу.
bewahren – aus welchen Gründen auch immer.
»Ich ... ich weiß nicht«, murmelte er. »Ich war nicht sicher, ob du Garron ernsthaft gefährden würdest. Aber vielleicht ... ein wenig unterlassene Hilfeleistung?«
Darla Markus schlug die Augen nieder.
»Daran habe ich ernsthaft gedacht«, flüsterte sie. »Und ich schäme mich dafür. Vor allem, weil Julio es wohl die ganze Zeit gewusst und mich auf die Probe gestellt hat.«
»Wenn er kein Vertrauen zu dir hätte, würde er dich nicht allein einteilen, Darla. Und irgendwie muss er wohl jeden von uns mindestens einmal auf die Probe stellen, um zu wissen, ob wir ein Team sind und am selben Strang ziehen. In gewissem Sinne habe ich also seine Kompetenz in Frage gestellt, und das wird mich noch einiges kosten. Deshalb werde ich jetzt lieber wieder schlafen gehen, um Kräfte zu sammeln.« Marius stand auf und berührte kurz ihre Schulter. »Und du hast den Rest der Nacht Zeit, darüber nachzudenken.«
Darla kehrte nach nebenan zu ihren Kontrollen zurück.
Vincent Garron war in einen unruhigen, fiebrigen Schlaf gefallen, Unverständliches vor sich hinmurmelnd.
Die Temperatur war seit der letzten Kontrolle gestiegen, lag aber noch unter 40 Grad. Die übrigen Werte lagen im grünen Bereich. Darla betrachtete den verunstalteten Körper und stellte sich vor, der Todesmutant wäre ein armes, unschuldiges Wesen.
Trotzdem empfand sie kein Mitleid. Aber immerhin hatte der Rüffler sie auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht, sich auf ihre eigentliche Aufgabe zu besinnen und nicht den Richter zu spielen.
Eine Stunde später kam bereits der nächste Schub.
*
Nachdem die Chirurgin völlig hektisch den Alarm ausgelöst hatte, stolperte das halbe Ärzteteam verstört und noch verschlafen herein.
»Ich habe ihn nicht mehr unter Kontrolle!«, schrie Darla Markus.
Die angeschlossenen Lebenserhaltungssysteme überschlugen sich fast, spuckten endlose Auswertungen aus und wiesen auf notwendige Operationen hin, bevor die Organe endgültig versagten. Dies wurde durch Grafiken deutlich gemacht.
»Wie ist das geschehen?«, fragte Julio Mangana, während er hastig die Auswertungen überflog.
»Ganz plötzlich, ohne erkennbaren Grund«, erläuterte die junge Medikerin. »Garron hatte geschlafen, als vor knapp zwanzig Minuten auf einmal die Temperaturkurve weiter anstieg. Ich gab ihm sofort eine fiebersenkende Infusion, doch es half nichts. Damit er sich nicht verletzen konnte, aktivierte ich die Fesselfelder.«
Vincent Garron kämpfte wie rasend gegen die energetischen Fesseln an und schrie wie am Spieß. Die Schmerzen mussten ihn wahnsinnig machen; der Mutant war überhaupt nicht ansprechbar. Hin und wieder stieß er verständliche Worte hervor, die jedoch keinen zusammenhängenden Sinn ergaben.
Eine der Assistenzärztinnen, die soeben eingetroffen war, hielt sich die Hand an den Mund, als sie den Mutanten sah.
»O mein Gott«, flüsterte die junge Frau. Sie wurde grün im Gesicht und stürzte wieder aus dem Raum.
Darla konnte ihre Reaktion verstehen. Sie hatte sich ebenfalls übergeben müssen, kurz bevor ihre Kollegen eingetroffen waren. Das war nicht sehr professionell, aber so abgebrüht stufte sie sich eben selbst noch nicht ein.
Der Todesmutant bot einen grausigen Anblick. Die Metamorphose war seit zwanzig Minuten in einem rasenden Tempo fortgeschritten.
Sein Kopf war weiter angeschwollen, sein Körper wie zu einem Luftballon aufgeblasen. Überall hatten sich Beulen gebildet, die pumpten und sich bewegten, als versuchten irgendwelche Tiere darunter, sich ihren Weg freizukämpfen.
»Sofort in den OP der Intensivstation mit ihm, aber ohne den Schirm zu öffnen!«, ordnete Mangana an. »Und holt Tuyula Azyk und diesen Gharrer dazu!«
Das Feld des Paratronschirms wurde so verkleinert, dass Garron gerade noch umhüllt wurde. Die meisten Lebenserhaltungssysteme wurden kurzzeitig für den Transport desaktiviert.
Der Mutant tobte und brüllte verzweifelt, während die Mediker ratlos herumstanden und diskutierten.
Die Beulen schwollen weiter an, bis die Haut dem Druck nicht mehr standhalten konnte. An mehreren Stellen platzte sie gleichzeitig auf. Vincent Garrons Schmerzensschreie steigerten sich zu einem markerschütternden Höhepunkt.
»Bei Waryn, er explodiert!«, schrie jemand in Panik.
Ein weiterer Arzt musste wegen seines rebellierenden Magens fluchtartig den Raum verlassen.
Die Gravojets der Liege wurden aktiviert. Dann schwebte sie, von Medorobots flankiert, aus dem Raum Richtung Intensivstation.
»Niemand hat das verdient«, flüsterte Marius Karrel neben Darla Markus. »Nicht einmal ein Massenmörder.«
Sie nickte stumm. Rückwirkend kam ihr die Diskussion vor etwas mehr als einer Stunde nur noch dumm und belanglos vor. Mitanzusehen, was da mit Vincent Garron geschah, brachte die Fassade des Hasses gegen ihn schnell zum Einsturz.
Jetzt wünschte sie ihm einen schnellen Tod – zur Erlösung.
Der OP war in fieberhafter Eile hergerichtet und sterilisiert. Julio Mangana erwog inzwischen die Vorgehensweise: den Herzrhythmus durch gepulste elektrische Felder zu normalisieren, die inneren Blutungen zu stillen, Lunge und Nieren direkt mit stabilisierenden Mitteln zu versorgen. Doch all das würde vermutlich nicht viel nützen, solange sie nicht wussten, was sie eigentlich bekämpfen sollten.
Symptome zu lindern, war eine Sache – doch ohne die Ursache zu kennen, nicht von Dauer.
»Als erstes«, ordnete er an, »werden wir jetzt die beiden Schirme desaktivieren.«
Einige Teamärzte zogen überraschte und ablehnende Gesichter. Auch Darla fühlte ein Kribbeln im Nacken. Sie hatte sich trotz der Sicherheit des Paratron- und des Anti-Esper-Schirms in Vincent Garrons Nähe immer unwohl gefühlt.
»Ich weiß nicht, welchen Einfluss die Schirme zusätzlich in diesem Stadium auf seinen Metabolismus ausüben«, erläuterte Mangana. »Ich will endlich herausfinden, was vorgeht. Und die Schirme haben die Fünf-D-Strahlung des Sonnentresors bisher offensichtlich nicht abgehalten, zu Garron durchzudringen und die Metamorphose weiter voranzutreiben.«
»Das ist ein großes Risiko«, wandte ein anderer ein. »Dazu müssen wir uns sicher zuerst Atlans Erlaubnis einholen.«
»So viel Zeit haben wir nicht«, lehnte Julio Mangana ab.
Er wandte sich an den Patienten und fuhr laut fort: »Vincent Garron, kannst du mich hören?«
Keine Antwort. Der Kranke schrie und wand sich in seinen Fesseln.
»Wir dürfen das Risiko nicht eingehen!«, warnte ein Assistent.
»Wir werden es für ein paar Sekunden riskieren, dafür übernehme ich die Verantwortung«, entschied der Chefmediker.
»Dann bitte ich im Protokoll zu verzeichnen, dass dies ohne unsere Einwilligung geschieht!«, bemerkte Darla Markus. »Ich sehe keinen Sinn darin!«
Aber Julio Mangana hörte weder auf sie, noch sah er sich veranlasst zu erklären, was ihn zu dieser gefährlichen Entscheidung gebracht hatte.
»Sonja, du wirst beide Schirme kurzzeitig abschalten«, ordnete er an, »sagen wir für zehn Sekunden, und dann sofort wieder errichten – und den Paratronschirm auf den OP, den Beobachtungsraum und die Aufwachstation erweitern. Wir müssen arbeiten können.«
Den Gesichtern einiger Mediker war deutliche Besorgnis anzusehen. Selbstverständlich hatte Mangana recht: Wenn sie Garron operierten, mussten sie das Schutzfeld ausdehnen, um ungehindert arbeiten zu können.
Das bedeutete aber gleichzeitig auch, dass nur noch der Anti-Esper-Schirm einen Schutz vor den entsetzlichen Kräften bot. Und angesichts der fortschreitenden Metamorphose hatte keiner von ihnen mehr ein hundertprozentiges Vertrauen darin.