Perry Rhodan-Paket 61: Mythos (Teil1). Perry RhodanЧитать онлайн книгу.
meinen Handlungen völlig gelähmt.«
Farye wollte etwas dagegenhalten, das spürte er, aber Ninasoma beugte sich vor und legte ihr eine Hand auf den Arm. »Der Mensch steht auf zwei Beinen: Wissen und Bauchgefühl. Man lernt, auf beiden zu gehen.«
»Und manchmal fällt man hin. Aber man muss immer wieder aufstehen.« Rhodan atmete tief durch. »Ach, Farye, ich schleppe die Erinnerungen an viele Fehler mit mir herum. Die Unsterblichkeit ist, was das angeht, schlimmer, als du sie dir vorstellen kannst.«
*
»Ewiges Leben ... Das ist ein Prozess des Begreifens.
Ewig leben zu können ist großartig, das sagt sich so leicht. Aber weiß jemand, was es tatsächlich bedeutet? Zunächst einmal begreifst du bloß das Erste, das falsch ist: dass du eine Ausnahme bist, und dann wirst du überheblich, wenn du nicht aufpasst. Ganz leicht hältst du dich für etwas Besseres, weil du das Zweite begreifst, das falsch ist: Der Tod hat keine Macht über dich.
Dann siehst du andere sterben, die wie du einen Zellaktivator tragen, und begreifst die erste Wahrheit: Dass du nicht alterst, bedeutet nicht, dass du nicht sterben kannst. Wenn dir ein Felsen auf den Kopf fällt, bist du tot. Gut, es fallen nicht jeden Tag Felsen vom Himmel. Aber es könnte passieren. Oder du wirst Opfer eines Attentats. Der Neid der anderen ist dein Fluch. Was, wenn du leben willst, die anderen dich aber lieber tot sähen?
Ja, das ewige Leben ist auch die ewige Angst vor dem Tod.
Du zauderst, und dann begreifst du die zweite Wahrheit: Deine Angst musst du überwinden, zur Furcht klein schrumpfen, die vorsichtig macht und nicht übermütig. Demütig werden.
Irgendwann begreifst du auch die dritte Wahrheit: Dein Privileg bringt Verantwortung mit sich. Jenen gegenüber, die sterblich sind.
Und bald darauf begreifst du, zum Vierten, dass du dieser Aufgabe allein nicht gewachsen bist.
Wenn du lange genug gelebt hast, begreifst du schließlich fünftens: Manchmal verschwendest du Zeit, obwohl du eigentlich genug haben solltest.
Denn die echte Unsterblichkeit ist eine Illusion.«
aus: Zanoshs Protokolle der Unsterblichen:
Buch der Triumvirn: Blaise O'Donnell
2.
Honams Verborgenheit: Zuflucht
Weit oben tobte ein Sturm, den sie unten nicht ansatzweise so heftig abbekam.
Über der Zuflucht kämpften die Wolken immer miteinander, und wenn sie es gar zu toll trieben, donnerte es. Sie konnte ihnen nicht entfliehen, die Zuflucht war ein Ort der Grenzen.
Die Zeit verging nur messbar, nie fühlbar, denn die Zuflucht blieb düster, ob nun angeblich Tag oder Nacht herrschte.
Climba Ossy-Benk wusste, dass diese Bezeichnungen aus einem Früher stammte, in dem sie sogar eine Bedeutung gehabt hatten. Am Tag hatte die Sonne geschienen, in der Nacht die Sterne geleuchtet.
Und dann war der Weltenbrand gekommen. Hatte die Freiheit gefressen und die Zuflucht geboren.
Seitdem war alles anders, und die Geborgenen genossen die Mildtätigkeit dieses ewigen Zwielichts, des sanften Dunkels. Honams Verborgenheit. Zuflucht.
Sie legte den Kopf in den Nacken und starrte zur Himmelskuppel. Jenseits der Wolken leuchteten Sterne, die keine waren und daran erinnerten, wie es einst gewesen war. Aber diese Zeit würde nie wiederkehren.
Das Irrlichtern war besonders intensiv, das Grummeln besonders tief. Bald würde es regnen, den Ewigen sei Dank. Sie sorgten dafür, dass sich die im Himmelsdach montierten Sprinkleranlagen öffnen und der Durst der Feldfrüchte gelöscht werden würde.
Climba Ossy-Benk war rechtschaffen müde. Der Tag im Wissens-Parlour war nicht sonderlich erfolgreich verlaufen. Ihre Kollegen und sie hatten sich gegenseitig blockiert, wie so oft. Die Fortschritte ihrer Arbeiten mussten auf Wunsch der Ewigen minuziös dokumentiert werden. Jeder neue Gedanke, jeder Arbeitsschritt wurden penibel festgehalten.
Vorsichtig ging sie den Granitpfad entlang, der längs des Crank floss. Der Fluss war das einzige fließende Gewässer der Zuflucht, graues Wasser in dunklem Gestein, gischtend und schnell.
Eine Wacheidechse ruhte auf einem flachen Stein nahe des Ufers im Sprühregen des dahineilenden Wassers und regte sich nicht. Ihr Aktiv-Knopf leuchtete hellrot, folglich übertrug sie die aufgenommenen Bilder an die Meldestelle.
Ossy-Benk überquerte die Steinbrücke, passierte die Kinderfabriken und betrat das Innere des Gemeinheims Zur guten Gesellschaft. Ohne sich lange aufzuhalten, ging sie in den ersten Stock, vorbei an müde dreinblickenden Nachbarn, die sich lustlos einem Holodeck-Spiel hingaben. Grau waren die Mauern, staubgrau oder schlammbraun die Kleidung, das Mobiliar.
Melstein wartete schon. Er küsste sie auf die Wange und stellte das Essen vor ihr ab, sauer eingelegtes Uferkraut mit knusprigen Fettrösten, ein gelbbraunes Gericht mit vage rötlichen Stückchen. Mehr gab es an diesem Tag nicht. Es war eben ein ganz normaler Tag in Honams Verborgenheit.
»Wo sind die Kinder?«, fragte sie, während sie den Mantel auszog, der Kälte und Nässe fernhielt.
»Noch in der Fabrik. Sie haben eine Erziehungsschicht vor sich.«
»Wieder mal eine Katastrophenübung?«
Sein regengraues Gesicht zerknitterte. »Sie schauen sich Filmchen über Agenteneinsätze an und reden über eine mögliche Bedrohung von außerhalb.«
»Mögen uns die Ewigen davor bewahren«, sagten sie beide zugleich und setzten sich.
»Was ist mit Equidur?«, fragte Climba Ossy-Benk, während sie sich am Kraut bediente.
»Er sollte zum Nachtisch da sein. Er ist noch bei den Millarias im vierten Stock.«
Sie aßen in Ruhe, keiner redete ein Wort zu viel. Die Wände hatten Augen und Ohren. Nur der Stillraum im Keller bot so etwas wie Intimität.
Die Hausintelligenz schlug an und öffnete gut hörbar die Tür. Ein lautes Räuspern erklang, gleich darauf betrat Equidur das Esszimmer. Wie immer behielt er seine Schuhe an und brachte Schmutz ins Innere der Wohnung. Nicht, dass es viel ausgemacht hätte.
»Ich rieche kandierte Reiswürfel!«, rief der Ü-Freund – der vieles sein mochte, nur kein echter Freund – laut. »Ihr habt doch sicherlich etwas für mich übrig gelassen?«
»Die habe ich extra aufgehoben, bis du da bist.« Melstein verzog den Mund, als wäre es ein Lächeln, stand umständlich auf, ging zu der kleinen Kochnische und holte eine Schüssel heraus, die stumpf und grau war, und in der Brocken in einem schmutzigen Weiß glitzerten. »Vorher etwas Nahrhaftes? – Bedien dich.« Melstein machte eine einladende Geste.
Equidur schüttelte den Kopf, schmutzstarrendes Haar, fettig, ungepflegt. Climba wurde bei dem Anblick übel.
»Nur keine Umstände. Die Reiswürfel reichen vollkommen.« Breitbeinig hockte er sich zu ihnen. Nicht, ohne vorher den Stuhl so umzudrehen, dass die Lehne zum Tisch zeigte. Das machte er immer. Sie konnte es nicht leiden.
Er schaufelte sich, ohne zu zögern, gut die Hälfte der zuckergussüberzogenen Reisbrocken auf einen Teller.
»Wie war dein Tag, Climba? Hast du zum Fortschritt in Honams Verborgenheit beigetragen?«
Sie unterdrückte den Drang aufzuspringen und wegzulaufen. Stattdessen stellte sie den halb geleerten Teller mit Uferkraut beiseite. Der Appetit war ihr vergangen. Die körperliche Nähe Equidurs bereitete ihr Übelkeit. »Ich bemühe mich, Tag für Tag.« Die rituellen Worte kamen ihr leicht über die Lippen.
»Jaja, Bemühen ist alles, sagt man das nicht so?«, ergänzte der Ü-Freund. Er steckte sich einen Reiswürfel in den Mund, dann den nächsten. Equidur war einer der wenigen, dem es gelungen war, sich trotz des Mangels an Lebensmitteln einen Fettbauch anzufressen.
»Und du,