Perry Rhodan 2658: Die Stunde des Residenten. Verena ThemsenЧитать онлайн книгу.
Ich muss hier noch ein paar Dinge klären, ehe ich zur Erde aufbreche.«
»Ist das nicht etwas spät? Marrghiz hat bereits Verstärkung angefordert. Jede Stunde kann entscheidend sein.«
»Kann. Für den Erfolg unseres Vorgehens wird aber eine sorgfältige Vorbereitung entscheidend sein.«
»Wie du meinst.« Delorian neigte den Kopf ein wenig – eine Geste der Zustimmung, wenn auch nicht aus vollem Herzen. »In zwei Stunden schalte ich den Transmitter auf Empfang für dich. Ab da kannst du jederzeit zu uns kommen.«
*
Reginald Bull saß noch eine ganze Weile vor dem leeren Holoschirm, die Hände hinter dem Kopf verschränkt und die Stirn in tiefe Furchen gezogen.
In die Residenz zu gelangen war das geringste Problem. Was aber erwartete ihn im Inneren? Selbst wenn sein vorgeblicher Tod die Löschung des ZNP verhindert hatte, existierte sein Amt faktisch spätestens seit der Einsetzung des Umbrischen Rates nicht mehr. Er bezog somit auch keine Befugnisse mehr daraus.
Alles hängt davon ab, wie LAOTSE auf mich reagiert. Es kann alles passieren – von voller Anerkennung als Regierungsmitglied bis zur umgehenden Gefangennahme. Wenn LAOTSE mir die komplette Verteidigung der Solaren Residenz auf den Hals hetzt, habe ich ausgespielt. Dann geht der 27. November als der Tag des Endes der Liga Freier Terraner in die Geschichte ein – und vielleicht auch als mein wirklicher Todestag.
Ohne die zentrale Positronik der Residenz war es unmöglich, die gestellten Aufgaben zu lösen. Diese bestanden nicht nur darin, einem Einsatzkommando den Zugang zu ermöglichen, um die Besatzer in ihrer letzten Zuflucht schachmatt zu setzen.
Seit per Überrangbefehl Winterstille der Verschlusszustand auf der gesamten terranischen Raumflotte angeordnet worden war, standen die Schiffe hilflos im Raum. Sie wurden aber dringend benötigt, um die nächste Welle der Invasion abzuwehren. Er musste diesen Befehl irgendwie aufheben, bevor die Verstärkung der Gegner eintraf.
Zwar hatte Delorian einen umfassenden Schutz für das Solsystem versprochen, doch dieser würde erst irgendwann am nächsten Tag bereit sein. Kamen die utrofarischen Sternengaleonen vorher, war die Flotte alles, was zwischen Terra und dem Untergang stand.
Bulls Blick glitt hinauf zu dem Außenbildschirm, der nur lichtlose Leere zeigte, wo die Sonne hätte sein sollen. Und nicht nur sie fehlte: Der gleiche Befehl, durch den die Flotte gelähmt worden war, hatte auch die Kunstsonnen getroffen. Dunkelheit herrschte nun überall im Sonnensystem. Bald würde die Restwärme der Planeten in die Kälte des Weltalls entweichen und alles nicht künstlich geschützte Leben darauf erfrieren.
Es kam der letzte Winter der Heimatwelt der Menschheit, so, wie sie war.
Fimbulwinter.
2.
Kaltfeuer
Vorsichtig zog Schnatterschnabel den Kopf ein wenig unter dem Flügel hervor. Es war immer noch dunkel. Kaum etwas war vom See und den Ufergewächsen zu sehen.
Wenigstens gab es das Schimmern um diese gewaltige Blume, die in einem der anderen Seen steckte. Und Leuchtpunkte auf den riesigen Fliegen, die ohne Flügel um die Blume herumschwirrten.
Wobei deren violettes Leuchten Schnatterschnabel eigentlich gar nicht gefiel. Es wirkte nicht, als könnte es Wärme schenken. Genau wie das Schimmern. Alles war kalt.
Schnatterschnabel lauschte. Beim letzten Licht hatte sehr viel Lärm geherrscht. Aber als die Scharführerin zu Aufbruch und Flucht gerufen hatte, war es plötzlich dunkel geworden, und sie mussten bleiben.
Probeweise stieß Schnatterschnabel einen Ruflaut aus. Keiner aus ihrer Schar schien in der Laune zu antworten.
Sie schüttelte die dünne Schneeschicht ab, die sich auf ihrem Gefieder gesammelt hatte, und arbeitete sich etwas tiefer in die schützende Laubschicht. Das Eis auf einigen der Blätter brach knackend.
Schnatterschnabel schob den Kopf wieder unter den Flügel.
*
Mit verschränkten Armen lehnte Reginald Bull an der Wand und starrte zur Decke hoch.
Irgendwo dort, zwanzig Kilometer über ihnen, schwebte eine Stadt im Weltraum, nur mit einem Gerüst verbunden. Eines Tages sollte aus diesem Gerüst eine Kopie des Mondes Ganymed werden, auf dem die Stadt einst erbaut worden war. Reste des alten Mondes und Brocken aus den Asteroidengürteln wurden seit acht Jahren herangeschafft und an den Verstrebungen verankert.
Irgendwann würde das nicht mehr notwendig sein, weil die Schwerkraft der akkumulierten Masse ausreichte, die neuen Lieferungen zu halten. Doch dieser Zeitpunkt lag Jahrzehnte in der Zukunft. So lange hielt nur das Stahlskelett alles zusammen.
An einer der ersten installierten Streben, sozusagen dem Rückgrat des Mondes, hing ein wenig bemerkenswerter Asteroid. Er war grob ellipsoid, drei Kilometer in der langen Achse, während er in der kurzen Achse nur etwa 500 Meter maß, zum Teil auch weniger. In seinem Inneren war eine Höhle von etwa 150 Metern Durchmesser geschaffen worden, um darin ein 100 Meter hohes fassförmiges Gebilde mit einem Durchmesser von 80 Metern in der Mitte und 60 Metern an den Enden zu verankern.
Ein Fass, das Noahs Arche zurzeit alle Ehre machen würde. Wir haben einen Utrofaren, der nicht mehr als Galionsfigur eines Fagesy-Schiffes dienen will. Ein cheborparnisches Au-pair-Mädchen und ihren terranischen Schützling. Die Überbleibsel einer dilettantischen Widerstandsgruppe aus Terrania samt ihrer übergelaufenen Fagesy-Geisel. Einen Sayporaner, der einen terranischen Journalisten adoptiert hat und ebenfalls nicht allzu glücklich mit dem Handeln seines Volkes ist. Die komplette Besatzung der BOMBAY, die darauf wartet, aus dem Tiefschlaf geweckt zu werden, in den sie fagesische Nanogenten geschickt haben. Und natürlich die ursprüngliche Besatzung, die Homer G. Adams hier eingesetzt hat, als er das Kastell als Rückzugsort seiner Society of Absent Friends ausgestattet hat. Wenn das so weitergeht, platzt das Fass bald aus allen Nähten.
»Lass mich mitgehen.«
Reginald Bull senkte den Blick zu dem Sprecher. Es war Oachono, mit dem er sich eben über die möglichen Sicherheitsvorkehrungen in der Solaren Residenz unterhalten hatte. Die beiden Arme, die der schlangensternartige Fagesy während seiner Entführung verloren hatte, waren schon fast wieder auf ihre volle Länge von über drei Metern angewachsen und kaum noch von den anderen dreien zu unterscheiden.
»Es geht nicht«, antwortete Bull. »Am Anfang kann nur ich allein reingehen. Sollte ich Erfolg haben, ist es wichtig, Leute nachzuholen, die sich in der Solaren Residenz auskennen oder ganz spezifische Fähigkeiten haben, die dort von Nutzen sind. Auf dich trifft leider weder das eine noch das andere zu.«
»Ich könnte mit den Fagesy reden, die dort stationiert sind.«
»Sie alle haben von deiner Ansprache gehört. Sollte einer von ihnen seine Waffen niederlegen wollen, wird er das auch ohne deine Anwesenheit tun. Andererseits könnte aber jemand, der dich als Verräter sieht, sich dazu hinreißen lassen, dich zu töten. Das Risiko ist deutlich höher als der mögliche Nutzen. Ich möchte dich lieber hier in Sicherheit behalten, für den Tag, an dem wir zu deinem Volk friedlichen Kontakt aufbauen können.«
»Du wirst keinen von ihnen dazu bringen können, sich zu ergeben. Sie ekeln sich vor Achsensymmetrischen wie dir.«
»Wenn ich erst in meinem Kampfanzug stecke, sehe ich fast aus wie ein Fünfstrahler, also mach dir darum keine Sorgen. Die Antwort ist ›Nein‹, und sie bleibt ›Nein‹. Und jetzt muss ich weiter. Danke für deine Hilfe!«
Der Fagesy hob einen Arm. Ob die Geste ein Abschied war oder etwas anderes, wusste Bull allerdings nicht.
Der Terranische Resident setzte seinen Rundgang durch die Räume der Krankenstation des Kastells fort.
Shamsur Routh schlief unter der Obhut der Geräte. Die Prognose hatte sich nicht geändert: Der Journalist war nicht einsatzfähig und würde es wohl auch nie wieder werden. Trotz der kurzen klaren Gespräche, die sie miteinander geführt hatten, hatte sein behandelnder Arzt klar zu verstehen