Perry Rhodan 1850: Traumtod. Ernst VlcekЧитать онлайн книгу.
war.
Oswald machte ihn auf das defekte Überwachungssystem aufmerksam. Der Roboter versicherte, dass er die Aufnahmen lesen und wiedergeben könnte.
»Okay«, sagte Norman Erengast mit rauer Stimme. Ihn fröstelte vor dem Unerklärlichen. »Nimm die Datenträger an dich! Und dann nichts wie weg von hier.«
Eine Stunde später befand sich die DISSENTER Lichtjahre vom Eutitta-System entfernt. Erst als sie weit genug aus der möglichen Gefahrenzone waren, ließ Norman sich die Aufnahmen des Überwachungssystems von Oswald vorspielen.
Die letzten Aufnahmen stammten vom 25. September 1289 NGZ, waren somit über zwei Jahre alt. Sie endeten um 21.33 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt musste das gesamte Syntronnetz zusammengebrochen sein.
Norman ließ die Aufnahmen um eine Stunde zurückspulen. Dann sah er die ersten Bilder. Sie waren in gesplittetem Screen aufgenommen, das heißt, es wurden mehrere Szenen von verschiedenen Orten der Werft gleichzeitig projiziert.
In einer Szene war zu sehen, wie zwei insektoide Eingeborene nahe dem Berg aus Raumschiffswracks einander gegenüberstanden. Ihre Chitinpanzer schimmerten im Licht der Scheinwerfer bronzen. Die Eutittar waren schlank und über zweieinhalb Meter groß. Sie besaßen vier Extremitätenpaare; zwei davon benutzten sie zur Fortbewegung, die beiden anderen waren als Handlungsarme ausgebildet. Mit den beiden oberen Armen hielten sie ihre Speere – und rammten sie gleich darauf mit den Spitzen in den Boden.
Danach traten sie unbewaffnet aufeinander zu; einer schlug jeweils mit den vier Greifwerkzeugen in einer komplizierten Abfolge auf die des anderen. Dieses Ritual dauerte zwei volle Minuten lang – es wirkte feierlich und in keiner Weise aggressiv. Dann traten sie zurück, ergriffen ihre Speere, brachten sie in Anschlag und rannten aufeinander los. Sie spießten sich gegenseitig auf … Norman hatte ihre Leichen gesehen.
In verschiedenen Werftsektionen, über die die Überwachungskameras hinwegschwenkten, mussten sich ähnlich Rituale abgespielt haben. Denn überall lagen Paare von Eingeborenen in tödlicher Umarmung, die sich gegenseitig aufgespießt hatten.
Die Menschen, die bei Snago beschäftigt waren – insgesamt etwa zwanzig an der Zahl – schienen von den Ritualen der Eutittar völlig unbeeindruckt zu sein. Nichts wies darauf hin, dass sie davon angesteckt worden waren und miteinander ähnlich umgehen wollten.
Die Leute in den verschiedenen Abteilungen gingen keinerlei sinnvoller Tätigkeit nach. Die meisten saßen herum, als würden sie meditieren. Anderen war eine gewisse Anspannung anzumerken, eine Erwartungshaltung geradezu. Als würden sie darauf warten, dass das, was schließlich eingetreten war, über sie kommen möge. Ihnen war keine Angst anzumerken, sie schienen das, worauf sie warteten, herbeizusehnen.
Manche schienen den Zeitpunkt nicht mehr erwarten zu können. Sie konnten nicht ruhig bleiben, marschierten nervös auf und ab. Ihre Blicke wanderten unruhig umher, richteten sich zum Himmel und ins Nichts – oder in unergründliche Fernen.
Als versuchten sie, etwas zu erkennen und zu identifizieren, was unsichtbar um sie war …
Wenn sie einander auf ihren Wanderungen begegneten, kam es gelegentlich zu kurzen Gesprächen.
»Warum werden wir nicht endlich erlöst? Das Ereignis müsste doch längst schon eingetreten sein.«
»Geduld, Geduld! Du darfst nicht zweifeln. Sei stark und gelassen, dann wirst du es um so besser genießen können, wenn es soweit ist.«
»Und wenn der Philosoph uns narrt und alles nur leere Versprechungen waren?«
»Wenn du so denkst, dann hast du seine Lehren nicht verstanden.«
Norman Erengast konzentrierte sich auf den Bildausschnitt, der Snago Pourapoys Büro zeigte. Der Händler stand mit zwei Frauen und einem Mann am Panoramafenster. Aber die vier Menschen vergeudeten keinen Blick auf die Aussicht. Sie bildeten einen Kreis; die Augen hatten sie geschlossen. So drehten sie sich langsam, wiegten dabei die Körper sanft, wie nach einer unhörbaren Melodie.
Norman Erengast wurde bei diesem Anblick fast übel. Denn er kannte das Ergebnis dessen, was die Bewohner von Snagos Werft erwarteten. Dennoch konnte er seine Blicke nicht von der Szene losreißen.
Die eingeblendete Uhr sprang auf 21.33. Die Körper der vier Menschen im Kreis wurden heftig durchgeschüttelt. Das Bild begann zu flimmern, dann herrschte nur noch Schwärze. Das war der Zeitpunkt, da alles Leben auf Snagos Werft ausgelöscht und alle Hightech zerstört wurde.
*
Norman Erengast verstand das alles nicht. Was auf Snagos Werft passiert war, musste doch – nach immerhin zwei Jahren – allgemein bekannt geworden sein. Spätestens dann, wenn einer von Snagos vielen Kunden Kontakt zu ihm hätte aufnehmen wollen. Aber nichts auf dem Planeten wies darauf hin, dass nach dem allgemeinen Sterben jemand am Schauplatz des Geschehens gewesen war.
»Was zermarterst du dir unnötig das Gehirn, Norman?«, wies ihn sein Roboter zurecht. »Nimm einfach Kontakt mit einem terranischen Stützpunkt auf und erstatte Meldung!«
Aber das klappte nicht; Norman bekam mit keinem der angerufenen Notfalldienste Kontakt. Ein Gefühl der Beklemmung beschlich ihn. Er begann zu ahnen, dass der Vorfall auf Snagos Werft schwerwiegendere Auswirkungen hatte, als er sich vorstellen konnte.
Als er versuchte, sich durch einen der terranischen Nachrichtensender über die galaktische Gesamtlage zu informieren, erlitt er ebenfalls Schiffbruch. Es war nicht möglich, eine terranische Station zu empfangen.
Die Beklemmung wurde zur Panik. Norman war drauf und dran, die Kontrolle über sich zu verlieren. Das alles konnte einfach nicht wahr sein!
Nach einiger Zeit bekam Norman einen arkonidischen Staatssender rein. Im ersten Moment war er erleichtert. Aber der Inhalt der empfangenen Sendung war dazu angetan, ihn an den Rand des Irrsinns zu treiben.
Der Empfang war gut. Das Bild zeigte einen Arkoniden in Uniform, der auf Arkonidisch sprach, was vom Translator des Empfängers automatisch ins Interkosmo übersetzt wurde. Der arkonidische Militär sagte:
»… wurde das Bittgesuch der Bettler aus der Eastside mit aller Deutlichkeit und Schärfe vom Kristallimperium abgewiesen. Es geht nicht an, dass die Blues ihr Fähnchen nach dem Wind drehen. Auch Tellerköpfe sollten etwas Rückgrat zeigen. Früher haben sie sich an die Terraner geklammert, und jetzt, da die Liga Freier Terraner durch die Tolkander ausradiert wurde, kriechen sie vor dem Kristallimperium zu Kreuze. Ein aufrechter Arkonide kann dabei nur Abscheu empfinden …«
Norman hörte nicht mehr hin. In seinem Geist hämmerte unentwegt das Fragment einer Aussage: … die Liga Freier Terraner durch die Tolkander ausradiert …
War das die Antwort auf die Frage, warum keine der terranischen TV-Stationen mehr sendete? Wie war das »Ausradieren« zu verstehen? Als Schwächung, Zersplitterung oder gar als völlige Vernichtung?
Keine Terraner mehr, keine Menschheit? Und wer waren Tolkander? Was war in den fünf Jahren seiner Abwesenheit in der Milchstraße passiert?
Als die Orter in wenigen Lichtjahren Entfernung permanent Hyperraum-Strukturerschütterungen registrierten, die auf starken Raumschiffsverkehr hinwiesen, nahm Norman mit der DISSENTER Kurs dorthin.
»Bin ich der letzte Terraner, Oswald?«, fragte Norman seinen Roboter.
»Was kümmert's dich?«, antwortete der Roboter. »Du hast die Menschen noch nie gemocht, Norman. Andernfalls hättest du, der du dich selbst als größten lebenden Menschenverächter siehst, ihnen nicht den Rücken gekehrt. Also was kümmert's dich, ob sie ausgerottet wurden oder nicht?«
»Es ist was anderes, den Menschen aus dem Weg zu gehen, als die Gewissheit zu haben, dass es sie nicht mehr gibt!« Norman machte eine Geste der Hilflosigkeit. »Sag mir, dass ich das bloß träume! Sag, dass die Erde nicht tot ist und Terrania noch immer von pulsierendem Leben überquillt! Sag es!«
»Ich werde mich hüten«, widersetzte sich Oswald. »Alles deutet darauf hin, dass es keine Menschheit mehr gibt. Also finde dich damit ab, dass du einer der letzten Terraner