Perry Rhodan 70: Die letzten Tage von Atlantis. K.H. ScheerЧитать онлайн книгу.
stand ich noch immer etwas fassungslos gegenüber. Die Prinzipien der Massentransportation durch die gesteuerten Kräfte des Geistes waren bereits der altarkonidischen Wissenschaft bekannt gewesen, nur war es uns niemals gelungen, ähnliche Dinge auszuführen.
Bei Rhodans Mutanten schien sich diese komplizierte, mathematisch überdimensionale Paramechanik zu einem Sport entwickelt zu haben. Ich hatte zwei menschliche und einen nichtmenschlichen Teleporter kennengelernt; aber alle schienen sie die Freude am so genannten »Springen« gemeinsam zu haben. Es war eine bequeme Art der Fortbewegung, oder der Versetzung, wenn man es verstand, die natürlichen Kräfte des Geistes folgerichtig einzusetzen. Ich würde dazu niemals fähig sein!
Betont gleichmütig schaute ich zu dem kleinen, nur ein Meter großen Geschöpf hinüber, das gleich mir nicht auf der Erde geboren worden war.
»Gucky« hatte Rhodan die Riesenmaus mit dem löffelartigen Biberschwanz wegen ihrer großen, glänzenden Augen genannt. Das Intelligenzwesen stand auf zwei kurzen Beinchen, die in zierlichen Spezialstiefeln steckten.
Überdies trug Gucky wieder die zartgrüne Raumkombination des Solaren Imperiums. Auf der linken Schulter glänzten die Rangabzeichen eines Leutnants des Geheimen Mutantenkorps.
Der possierliche Bursche hatte es faustdick hinter den abstehenden Ohren. Seitdem ich ihn während meiner Flucht auf Venus kennengelernt hatte, verband uns eine etwas eigentümliche Freundschaft, die zumeist in hintergründigen Bemerkungen und spitzfindigen Streitgesprächen ihren Ausdruck fand.
»Hallo, Angeber!«, begrüßte ich den Kleinen. »Bist du etwa der von Perry versprochene ›Gleiter‹?«
Die lange Mauseschnauze öffnete sich. Ich blickte fasziniert auf Guckys einzigen, dafür aber um so größeren Nagezahn, den er bei jeder Gelegenheit zu zeigen pflegte.
Das schrille Gelächter des Nichtirdischen peinigte mein Gehör. Als es plötzlich verstummte, wurde ich aufmerksam. Seitdem ich Gucky auf der Venus ein Stück faulendes Holz an den Kopf geworfen hatte, wusste ich, dass er normalerweise länger und ausgiebiger zu lachen pflegte. Die Wesen seiner Rasse besaßen einen nahezu unersättlichen Hang zum Spiel. Das Lachen und Herumalbern gehörten dazu.
»Ich bin der Gleiter!«, behauptete der Mausbiber mit großartig wirkender Handbewegung. »Gib mir deine Hand, Spion!«
Ich runzelte die Brauen und blickte auf den behäbig näherwatschelnden Kleinen hinunter. Für ihn war ich immer noch ein Arkonidenspion.
Als er dicht unter mir stand, bückte ich mich und nahm ihn wortlos auf den Arm. Er war leicht, fast zu leicht für seine Größe. Wahrscheinlich besaßen die Intelligenzen des Planeten Tramp einen sehr feinen Knochenbau. Um so kräftiger war ihr Gehirn entwickelt.
Guckys große Augen hefteten sich auf mein Gesicht. Der Nagezahn war irgendwo im spitzen Mund verschwunden. Wir musterten uns einige Sekunden lang. Dabei fühlte ich, dass der Kleine vor innerer Unruhe bebte. Er versuchte nicht erst, mittels seiner telepathischen Gaben in meinen Bewusstseinsinhalt vorzudringen. Ich war seit vielen Jahren daran gewohnt, die Impulse meines Hirns durch einen Monoschirm unter Kontrolle zu halten.
»Was ist los?«, fragte ich. »Du erscheinst mir etwas eigenartig. Seit wann begnügst du dich damit, mich lediglich Spion zu nennen? Meistens kommen doch noch einige bösartige Kommentare hinzu. Also ...?«
Ich sah, dass sich seine zierlichen Hände verkrampften. Plötzlich umfassten sie meinen Arm.
»Weißt du, wie die Zelldusche funktioniert? Ich meine – kannst du die Effekte berechnen, oder die Maschine umbauen?«
Guckys Stimme klang schriller als sonst. Er hatte sehr hastig und überraschend ernsthaft gesprochen. Der Druck der kleinen Hände steigerte sich. Der Mausbiber war zutiefst erregt.
»Die technische Konzeption ist einigermaßen klar«, entgegnete ich vorsichtig. »Das Wissen über die Funktion eines Auflösungsfeldes bedeutet aber noch lange nicht, dass man auch die nachfolgenden biochemischen Prozesse begreift. Ich ...«
»Halte mich fest, wir springen zusammen«, unterbrach er mich. »Du musst zur Duschhalle. O, ich kann mich kaum konzentrieren.«
Ich bemerkte, dass er sich außerordentlich bemühen musste. Ich fragte nochmals nach dem Grund seiner Unruhe.
»Bully, es ist Bully«, sagte der Kleine bebend. »Er war in der Zelldusche, als die Phasenverschiebung begann. Er hat etwas mitbekommen. Mit ihm geht etwas vor. Nein, nicht so intensiv denken. Du strahlst Störimpulse aus. Es ist für einen Teleporter sehr schwierig, dich zu versetzen. Denke an nichts, verstärke deinen Abwehrschirm.«
Mir war, als bräche plötzlich das Ende dieser verrückten Welt an. Rhodan ließ ein schweres Schiffsgeschütz ins Blaue feuern, und der fraglos fähigste »Mann« des Mutantenkorps zitterte vor Furcht um Reginald Bull.
Ich bezwang meine Nervosität und bemühte mich, meine Zellstrahlungen abzuschirmen. Augenblicke später fühlte ich ein kurzes, schmerzhaftes Ziehen. Gucky war mit mir »gesprungen«, wie er den komplizierten Vorgang über den Aufbau eines individuellen Manipulationsfeldes auf fünfdimensionaler Ebene nannte.
Als ich wieder stofflich wurde, erkannte ich die Umrisse des säulenförmigen Physiotrons.
Ein hochgewachsener, hagerer Mann kam langsam auf mich zu. Rhodans Augen strahlten eine erschreckende Kühle aus. So hatte ich ihn gesehen, als wir auf einer Wüstenwelt um unser Leben kämpften.
Er blieb dicht vor mir stehen. Dann trafen sich unsere Blicke.
»Wie gut kannst du rechnen, Admiral?«, fragte er. »Meine Kunst ist am Ende.«
Er trat einen Schritt zur Seite und gab mir damit den Blick auf den Zellaktivierungskonverter frei.
Dicht vor dem farbig markierten Ring der Sicherheitszone stand ein junger Offizier mit rostroten Borstenhaaren und weichen, faltenlosen Wangen. Ich musste genauer hinsehen, bis ich davon überzeugt war, Reginald Bull vor mir zu haben.
Etwas würgte in meiner Kehle. Schwankend schritt ich auf die Gefahrenzone zu. Der Mann mit den wasserblauen Augen rührte sich nicht.
Ich suchte nach den scharfen Falten, die sich während der letzten Jahre auf Bulls Stirn eingegraben hatten. Die ersten waren nach der Mondlandung entstanden, die er im Jahr 1971 zusammen mit dem Expeditionschef Perry Rhodan ausgeführt hatte. Bull würde am 14. Mai 2042 sein hundertviertes Lebensjahr vollenden. Zur Zeit schrieben wir den 5. Mai des gleichen Jahres. Es fehlten also nur noch wenige Tage bis zu seinem Geburtstag.
Vor 62 Jahren hatte er gleichzeitig mit Rhodan die erste Dusche auf Wanderer erhalten. Vor fünf Tagen war er zum zweiten Male in das Physiotron gestiegen, um die unerlässliche Zellaktivierung über sich ergehen zu lassen.
Ich riskierte noch einen Schritt, ehe ich stehenblieb. Dieser junge Mann mit den faltenlosen, nur wenig ausgeprägten Zügen – war das Reginald Bull, Rhodans Stellvertreter?
»Reginald, sind Sie es wirklich?«, fragte ich stockend.
Er bewegte kaum die vollen, weichen Lippen. Sein untersetzter, breitschultriger Körper zeigte nahe der Hüften weniger Speck, als ich es gewohnt war.
»So habe ich ungefähr ausgesehen, als ich Mitte der sechziger Jahre von einem gewissen General Pounder auf die neue Raumakademie geschickt wurde«, entgegnete er tonlos. »Damals war ich siebenundzwanzig Jahre alt!«
Ich fühlte Entsetzen in mir aufsteigen. Gleichzeitig meldete sich mein vor vielen tausend Jahren auf Arkon aktiviertes Extrahirn. Der Logiksektor machte es kurz:
Vorsicht, Panne bei der zweiten Dusche. Regenerierung, Rückwärtsentwicklung. Er wird jünger!
Die Erkenntnis war wie ein Schlag ins Gesicht. Ich rang um meine Selbstbeherrschung. Mein Lächeln musste etwas kläglich wirken. Bully, wie wir ihn allgemein nannten, reagierte nicht darauf. Ich ahnte, dass dieser tatkräftige Mann innerlich mit dem Leben abgeschlossen hatte.
Ich sah mich aufmerksam um. Außer Rhodan waren nur die leitenden Wissenschaftler und Offiziere