Perry Rhodan: Andromeda (Sammelband). Uwe AntonЧитать онлайн книгу.
und auch kein noch durchblutetes Gehirn. Der Körper des Toten würde rasend schnell zu Staub zerfallen.
»An die Arbeit!«, herrschte er seine Leute an. »Habt ihr es schon vergessen? Wir müssen unbedingt diesen Kugelraumer finden!«
Kapitel 8
Nachbarschaftshilfe
Cyrdan, 17. März 1312 NGZ
Perry Rhodan wusste nicht, ob er schlief und träumte oder noch wach lag und lediglich Gedanken wälzte.
Einer jener Augenblicke, die man immer wieder durchlebt, jene seltsame Erfahrung früh am Morgen, wenn man noch nicht ganz wach ist, aber auch nicht mehr schläft ...
Wobei er nicht einmal sagen konnte, ob es Morgen, Mittag oder Abend war. Sein Zellaktivator arbeitete noch immer nach Kräften daran, auch die letzten Nachwirkungen seiner Verletzungen zu beseitigen, und er stand noch immer unter Medikamenten, die den Schmerz tief in seinen Zellen dämpften, sein Zeitgefühl aber völlig durcheinander brachten.
Kiriaade, dachte er.
Aber nein, er musste träumen. Plötzlich lag er nicht mehr in diesem Bett, das unablässig, Sekunde für Sekunde für Sekunde, seinen Körper massierte und behandelte. Er schwebte durch einen langen, dunklen Gang, an dessen Ende ein grelles Licht leuchtete. Antigrav- und Fesselfelder hielten seinen geschwächten Körper aufrecht. Viel schneller, als ihm recht war, erreichte er das Ende des Ganges.
Er schluckte schwer.
Fünf Särge standen dort.
Er fragte sich, wie oft er das schon getan hatte. Aber eigentlich spielte das keine Rolle. Beim ersten Mal war es genauso schrecklich gewesen wie beim tausendsten Mal.
Fünf Särge.
Rhodan stand nun direkt vor ihnen und blickte in den großen Raum. Er sah 70, 80 Gesichter, aber sie blieben verschwommen, einzelne Bestandteile einer Masse, die gar nicht aus der Anonymität heraustreten wollten, weil sie genauso betroffen oder auch peinlich berührt waren wie er selbst.
Wie oft hatte er das schon tun müssen? Es schmerzte ihn jedes Mal in der Seele.
Er hörte seine Stimme, doch sie klang so fremd, dass er sie kaum erkannte.
»Wir haben uns hier versammelt, um von fünf Kameraden Abschied zu nehmen ...«
Es war so still im Raum, dass Rhodan auf die berühmte Stecknadel wartete, die aber niemals fallen würde.
»Iser Achachi. Asy Nort. Strar Olacca. Jaczo Skilater. Adaser Usat. Fünf Kameraden, fünf Freunde, sind von uns gegangen. Doch ihr Tod war nicht umsonst. Der Weg ins Niemandsland ist weit und voller Gefahren, doch wir sind entschlossen, ihn zu begehen – zu begehen zum Ruhm der Menschheit und zum Schutz der Ungeborenen. Das Opfer dieser Mannschaftskameraden ermöglicht es uns erst, diesen Weg zu begehen.«
Nein, er musste träumen. So ähnliche Worte hatte er schon einmal gesprochen, aber vor zweieinhalbtausend Jahren. Damals, als er zum ersten Mal nach Andromeda vorgestoßen war, um die Diktatur der Meister der Insel zu brechen. Bei der Trauerrede am heutigen – oder gestrigen? – Tag hatte er sich ganz anders ausgedrückt.
Damals hatte er einen Krieg geführt. Vielleicht zum Schutz der Ungeborenen. Aber niemals zum Ruhm der Menschheit.
Und heute ...?
Er hatte sich verändert. Wie die stets interessanten Zeiten, in denen er lebte. Er war nicht mehr der, der er damals gewesen war.
Unter den fünf Särgen zündeten grelle Feuer. Die Kästen waren in Wirklichkeit Sonden, die ihre leblose, schon längst erkaltete Fracht in die Sonne des Planeten Cyrdan befördern würden. Aber auch das heiße Gestirn würde die fünf Toten nicht mehr wärmen, nur noch verbrennen können. Sie waren tot, und nichts auf der Welt würde sie zurückholen können.
Kiriaade ...
Ja, er schlief und träumte. Doch wie konnte er in einem Traum, im Schlaf, versuchen, willentlich in sich hineinzuhorchen? Zumindest, so gut ihm das als Nicht-Mutant möglich war?
Er wartete auf ein Zeichen. Auf eine neue Äußerung. Auf weitere Informationen, die ihm helfen würden, endlich zu verstehen, was sich hier in Andromeda abspielte.
Kiriaade, melde dich!
Doch sie ignorierte sein Drängen und Flehen, und erneut fragte er sich, ob er sich jene Erscheinung in seiner Kabine an Bord der LEIF ERIKSSON nicht nur eingebildet hatte.
Nein.
Nein.
Es gab noch andere Möglichkeiten. Konnte es sein, dass die engelsgleiche Frau mit den Kohlenaugen der von ihr selbst prognostizierten Gefahr zum Opfer gefallen war?
Hatte Kiriaade Angst vor jenen Schlachtschiffen, die die Tefroder Kastun, Schädling, nannten? War sie am Ende – Rhodan mochte den Gedanken kaum zu Ende denken – vielleicht sogar schon tot?
Diese Möglichkeit löste eine Regung in ihm aus, die er lange, sehr lange, nicht mehr empfunden hatte.
Das kann nicht sein, dachte Rhodan im Schlaf oder Wachsein, im Traum oder Grübeln. Sie war nur eine Vision. Das kann nicht sein.
Kiriaade ...!
Und wenn sie wirklich schon tot war, genau wie Iser Achachi und Adaser Usat und die anderen ... Wenn es wirklich so wäre ... was dann?
Im Schlaf oder im Traum versuchte Rhodan, sich von Kiriaade abzulenken. Er dachte angestrengt an die Scham, die er empfand. Und daran, dass er zwar fast 3000 Jahre alt, aber noch immer ein Mensch war. Ein Mensch mit allen Unzulänglichkeiten, die diese Spezies vielleicht nicht nur quälte, sondern auch auszeichnete.
Iser Achachi. Asy Nort. Strar Olacca. Jaczo Skilater. Adaser Usat.
Er hatte keinen Einzigen von ihnen persönlich gekannt.
Ja, er trauerte um sie. Er bedauerte ihren Tod, er wusste, dass sie Menschen zurücklassen würden, Familienangehörige, Freunde, die an ihrem Ableben vielleicht verzweifelten.
Jeder Tod war sinnlos.
Aber gleichzeitig war er erleichtert, dass diejenigen, die er persönlich kannte, überlebt hatten.
Tess. Benjameen. Coa. Sogar Norman.
Ja, er schämte sich. Er schämte sich, dass ein kleiner Klonelefant, der seinen Weg seit Jahren begleitete, ihm gefühlsmäßig näher stand als ein Mensch, den er nicht gekannt hatte und der nicht in Erfüllung seiner Pflicht, sondern auf einer Mission, die er freiwillig angetreten hatte, gestorben war.
Kiriaade, dachte er. Melde dich! Damit der Tod von Iser Achachi, Asy Nort, Strar Olacca, Jaczo Skilater und Adaser Usat nicht umsonst war. Damit all das, was wir erlebt haben, irgendeinen Sinn bekommt.
Aber Kiriaade schwieg.
Andromeda mochte untergehen, aber Kiriaade schwieg.
Du hast mich um Hilfe gebeten, dachte Rhodan. Warum gibst du mir nun nicht die Informationen, die ich benötige, um dir wirklich helfen zu können?
Irgendwie erinnerte ihr Verhalten ihn an das exzentrische Gehabe gewisser Superintelligenzen, denen er im Verlauf seines langen Lebens begegnet war. Als müssten höhere Wesenheiten allein durch ihr Benehmen ausdrücken, dass sie viel höher standen als bloße Normalsterbliche.
Aber trotzdem ...
Kiriaade!
Mit einer Mischung aus Unbehagen und Betroffenheit gestand Rhodan sich ein, dass ihr Schicksal ihn nicht allein aus militärisch-taktischen Gründen berührte.
Andromeda lag, kosmisch gesehen, vor der Haustür der Milchstraße. Die Kraft, die nach Andromeda griff, würde nach der Eroberung Hathorjans, wie die Tefroder die Galaxis nannten, vielleicht die Fühler nach der Heimatgalaxis