Perry Rhodan: Pan-Thau-Ra (Sammelband). Andreas BrandhorstЧитать онлайн книгу.
entfernt war.
Mirton-Kehn spuckte auf den Stahlboden und grunzte. Sein Speichel war vom Peschtan dunkel gefärbt. Der Fleck war kaum von Blut zu unterscheiden.
»Was für ein Unsinn!«, rief der Logistiker laut. So laut, dass der gesamte Trupp, der in einer lang gezogenen Formation vorrückte, ihn hören musste, auch bei abgeschalteten Akustikfeldern.
Der Trupp kam zum Halten. Alle Stielaugen richteten sich auf Mirton-Kehn.
»Was für ein kompletter Schwachsinn! Wisst ihr, was wir sind? Trottel! Idioten!«
Die Loower rückten auf, näher an den Logistiker heran.
»Ihr fühlt euch angesprochen? Gut so! Erkenntnis ist der erste Schritt zur Veränderung. Das ist gute Entelechie!«
Er hatte den Verstand verloren. Er musste den Verstand verloren haben. Ihre Ausbilder hatten sie auf diesen Augenblick vorbereitet. Den Augenblick, der unweigerlich kommen musste, wie sie unermüdlich betont hatten. Gleich, wusste An-Keyt, würden ihre Kameraden Mirton-Kehn zu Boden reißen, ihm die Waffe abnehmen und ein Beruhigungsmittel injizieren. Danach würde man sehen. Weiter waren die Übungen nie gegangen und – merkwürdigerweise, befand die Zweidenkerin jetzt – hatte niemand je nachgefragt, was sie tun sollten, wenn die Injektion nicht genügte, einen Kameraden zu heilen.
Negan-Parr war jetzt bei ihm. Der Vordenker machte keine Anstalten, den Logistiker zu packen, sondern sagte lediglich, in einem Tonfall, den An-Keyt nicht deuten konnte: »Was ist Unsinn, Mirton-Kehn?«
»Alles. Einfach alles, was wir hier treiben!«
»›Alles‹? Das musst du mir erklären. Kannst du das?«
»Klar. Ich meine, wir fangen es völlig falsch an. Wir ziehen durch diesen Riesenkahn, Sektor um Sektor, und wenn wir Flachaugen sehen, drücken wir ab. Und wenn wir durch einen Sektor durch sind, öffnen wir ihn dem Vakuum und machen ihn unbewohnbar.«
»So ist es. Was soll daran Unsinn sein?«
Ein Kreis hatte sich um Mirton-Kehn gebildet. Während er sprach, drehte er sich auf dem Absatz, um das gesamte Publikum mit seinen Gesten abzudecken. An-Keyt stand einen Schritt neben dem Kreis. Sie war zu langsam gewesen, er hatte sich bereits geschlossen. Und ein befremdliches Glitzern, das in den Augen ihrer Kameraden lag, sagte ihr, dass sie besser beraten war, zu bleiben, wo sie war.
»Versteht ihr nicht? Wir sehen ein Flachauge – und wumm! Weg ist es.«
»Ja ... worauf willst du hinaus?«
»So können wir mit ihnen nicht umspringen. So wird das nichts.«
»Und was schlägst du stattdessen vor?«
»Sie sollen leiden!« Mirton-Kehn stieß den Satz so heftig hervor, dass sich Speichelspritzer über seine Zuhörer ergossen. »Denkt doch nach! Der Tod, den wir ihnen geben, kommt so schnell, dass sie ihn nicht einmal bemerken. Die Strahler – ein Blitz und gut. Der Projektilwerfer – Mev-Sopran hat es gut gemeint, das wissen wir alle –, die Flachaugen haben nicht einmal gesehen, was auf sie zukommt.«
Er hatte den Verstand verloren. Kein Zweifel. Was An-Keyt hörte, war so absurd, dass sie sich weigerte, es zu glauben. Die Loowerin verspürte Hass, den Wunsch zu töten. Er war in ihr, ein Teil ihrer selbst, spätestens seit dem Hinterhalt. Alle ihre Kameraden verspürten ihn. Doch als sie Mirton-Kehn hörte, erkannte sie, dass ihr Hass nur ein blasser Abklatsch von dem war, der in dem Logistiker tobte.
Und nicht nur von dem Mirton-Kehns.
Kein Soldat versuchte, den durchgedrehten Logistiker zu stoppen, kein Tentakel hob sich, um ihn zum Schweigen zu bringen.
»Da ist etwas dran«, sagte Jevek-Kart. Es war das erste Mal seit dem Hinterhalt, dass der Söldner sich vor der Gruppe zu Wort meldete. »Wir sind zu gut zu ihnen.«
Jetzt. Jetzt war der Zeitpunkt, an dem der Vordenker sich einschalten musste, dachte An-Keyt. Er konnte unmöglich dulden, dass sein Rivale die Initiative an sich riss.
Einen Augenblick herrschte Stille, als der Trupp wartete, wie Negan-Parr reagierte.
Der Vordenker ließ einen Tentakel wie eine Peitsche auf den Boden knallen. »Zu gut. Viel zu gut!« Er stöhnte die Worte, als bedeuteten sie für ihn die Erlösung aus einer tiefen Qual. Sie waren ein Signal.
Es gab kein Halten mehr. Die Soldaten brüllten durcheinander, überboten sich in Vorschlägen, wie man es den Feinden zeigen, ihnen Respekt beibringen konnte, einer grausamer als der andere.
An-Keyt folgte dem Aufruhr ungläubig. Sie brüllte, um sich Gehör zu verschaffen. »Das ist nicht, wofür wir auf die PAN-THAU-RA gekommen sind! Wir kämpfen für das Leben. Und auch wenn wir gezwungen sind, für diesen Zweck Leben zu nehmen, heißt das noch lange nicht ...«
Es war zwecklos. Niemand beachtete sie. Es war, als hätten ihre Kameraden eine andere Bewusstseinsebene erreicht. Nicht die erhabene der Entelechie, nein, als wären sie den gegenteiligen Weg gegangen, an einen Ort, von dem An-Keyt geglaubt hatte, dass er Loowern nicht zugänglich sei.
Schließlich hielt sie es nicht mehr aus. Sie rannte davon, so schnell sie konnte, nahm Korridor um Korridor, bis das Pochen ihres Blutes den Nachhall der Stimmen in ihren Gedanken übertönte.
Niemand hielt sie auf.
Was war los mit ihren Kameraden? Was war in Mirton-Kehn gefahren? Sie hatte die Schweigsamkeit des Logistikers stets als ein äußeres Anzeichen von Unerschütterlichkeit gedeutet, hatte geglaubt, dass es dem Logistiker besser gelang, sich vom Leib zu halten, was auf der PAN-THAU-RA geschah. Wieso drehte ausgerechnet Mirton-Kehn jetzt durch? An einem Tag wie jeder andere? Und wie kam es, dass die anderen sich seinem Rausch angeschlossen hatten, statt ihn herunterzuholen?
An-Keyt verlangsamte ihre Schritte. Ihre Ausbildung gewann an Boden, und sie überprüfte mit einem Auge die Anzeigen des Orters und des Helk-Netzes. Sie hatte sich vom Trupp entfernt, sich in Gefahr begeben. Der nähere Umkreis war sauber. In wenigen Augenblicken würde die Kälte des Vakuums alles Leben in diesem Sektor auslöschen, das sich hier und da noch verkrochen haben mochte.
Rausch ...
Heute war kein Tag wie jeder andere. Ihre Kameraden hatten dieses Peschtan genommen. An-Keyt hielt an, zog den Tornister vom Rücken und holte das Tütchen hervor, das sie darin verstaut hatte. Sie untersuchte es. Es bestand aus durchsichtigem Plastik, wie es Loower üblicherweise für die Verpackung von Lebensmitteln benutzten. Ein geschmacksneutrales Material, gut verträglich für Loower-Mägen. Die wenigsten Loower machten sich die Mühe, das Plastik vor dem Essen abzuziehen. Wer es tat, galt als Sonderling.
Woher stammte dieses Peschtan? An-Keyt hatte noch nie davon gehört. Das musste nichts heißen. Loower benutzten eine Vielzahl von bewusstseinsverändernden Drogen, um ihrem Ziel des neo-entelechischen Denkens näher zu kommen. An-Keyt hat hunderte ausprobiert. Als Kind spielerisch, später, während ihrer entelechischen Studien, gezielt. Mirton-Kehn mochte dieses Peschtan angefordert haben, vielleicht hatte er es sogar geschmuggelt. Als Logistiker verfügte er über entsprechende Möglichkeiten. Was wusste sie schon, was in dem Loower vor sich ging? Aber wieso hätte der Vordenker das Peschtan dann als eine Gabe des Oberkommandos ausgeben sollen? Negan-Parr hätte niemals eine solche Regelübertretung begangen. Schon gar nicht jetzt, nach dem Hinterhalt.
Nein, schloss An-Keyt, das Peschtan musste tatsächlich vom Oberkommando geschickt worden sein. Vielleicht sogar von Kilan-Gerp persönlich, wenn sie Negan-Parrs Worten in vollem Umfang Glauben schenken konnte. Aber wozu? War man sich im Oberkommando nicht darüber im klaren, welche Wirkung es auf die Soldaten hatte? Oder war es eine Fehllieferung, hatte man aus Versehen die falsche Substanz geliefert?
An-Keyt betastete das Tütchen zwischen ihren Greiflappen. Starrte es an, als wäre in der Paste selbst die Wahrheit verborgen.
Oder, kam ihr der Gedanke, handelte es sich um Absicht? Wusste das Oberkommando von der Wirkung des Peschtan und hatte es vorsätzlich an die Soldaten ausgegeben?
Ihre Greiflappen verkrampften sich um das Tütchen. Das Plastik