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Perry Rhodan Neo 229: Die Schwarze Flut. Rüdiger SchäferЧитать онлайн книгу.

Perry Rhodan Neo 229: Die Schwarze Flut - Rüdiger Schäfer


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Ferienresort als an eine Krankenstation. Psychologie, das hatte man auf Terra bereits vor Beginn der neuzeitlichen Raumfahrt gewusst, spielte bei der Behandlung von Krankheiten eine maßgebliche Rolle. Der Körper und sein durch Millionen Jahre der Evolution optimiertes Immunsystem waren mächtige Waffen gegen jede Art von Erreger. Dabei war der Gemütszustand des Patienten ein ebenso entscheidender Faktor wie die Unterstützung durch Medikamente und chirurgische Eingriffe. Auf diesem Gebiet konnte der Glaube beinahe Berge versetzen. Kein Wunder also, dass allein die Psychologische Abteilung an Bord der CREST II fast hundert Mitarbeiter zählte.

      »Auf einer Skala von eins bis zehn«, riss Steflovs Stimme sie aus den Gedanken. »Wobei die Eins für einen unangenehmen Druckschmerz steht, die Zehn für die kurz bevorstehende Explosion Ihres Kopfs – wo würden Sie Ihre aktuellen Beschwerden einordnen?«

      »Vier«, beschied Thora nach kurzem Zögern.

      Der Mediziner nahm die Arme vom Tisch, lehnte sich in seinem Sessel zurück und schüttelte bedächtig den Kopf. »Kommandantin«, begann er in seiner typischen, langsamen Sprechweise, die stets schon nach kurzer Zeit einschläfernd wirkte. »Ich habe in meiner Karriere zahllose Menschen ...« Er stockte kurz, legte den Kopf schief und sprach dann weiter. »... und Arkoniden gesehen, die Schmerzen erdulden mussten. Ich kann Ihnen nicht helfen, wenn Sie nicht ehrlich zu mir sind.«

      Thora presste die Lippen zusammen. Kurz vor ihrem Termin mit Steflov hatte sie in der gemeinsam mit Perry bewohnten Kabinenflucht einige Dagorübungen absolviert. Ohne Erfolg. Die Kopfschmerzen begleiteten sie nun bereits seit vielen Stunden, und sie wurden immer schlimmer. Zwar hatte das Phänomen sie zunächst gänzlich außer Gefecht gesetzt, war dann aber kurzzeitig verflogen – eine Art Spontanremission. Es schien indes, als hätte der Schmerz nur kurz Atem geholt, um nun umso erbarmungsloser zurückzukehren.

      »Fünf«, sagte sie widerwillig. »Manchmal sechs.«

      »Also mindestens sieben«, übersetzte der Arzt. »Eher acht.«

      »Was ...?«, wollte die Arkonidin aufbegehren.

      Doch Steflov stoppte sie mit einer energischen Geste. »Nur keine Aufregung.« Er lächelte humorlos. »Ich gebe Arkoniden bei der Anamnese immer ein paar Bonuspunkte. Aus irgendwelchen Gründen glauben Vertreter Ihrer Spezies, dass das Eingestehen von Schwäche etwas ist, das man unter allen Umständen vermeiden sollte. Wir Mediziner beurteilen das ein bisschen anders.«

      Thora schwieg. Am liebsten hätte sie sich die pochenden Schläfen massiert. Oder sich ein Kühlband um den Kopf gelegt. Stattdessen saß sie einfach nur da und tat genau das, was Steflov ihr gerade vorgeworfen hatte. Auch nach so langer Zeit unter Menschen kam sie noch immer nicht aus ihrer arkonidischen Haut heraus.

      »Na schön, Doktor«, überwand sie sich schließlich doch. »Ich habe Schmerzen. Mein Schädel dröhnt wie eine Tempelglocke auf Arkon Eins an einem der fünf Katanen des Capits. Geben Sie mir eins Ihrer Wundermittel, und dann kümmern Sie sich um die, die wirklich krank sind.«

      Anstelle einer Antwort wedelte Steflov kurz mit der Hand, wodurch er über seinem Tisch ein Holo aktivierte.

      »Das ist Ihr neuester Hirnscan«, erläuterte er. Er deutete auf die Darstellung, in der verschiedene Hirnareale farbig gekennzeichnet waren. Sein Zeigefinger stieß in einen Bereich am vorderen Rand des Großhirns, der in mattem Rot leuchtete. »Und das ist Ihr Frontallappen«, fuhr er fort. »Man nennt ihn auch Stirnlappen. Ungeachtet der Tatsache, dass die meisten Hirnfunktionen nicht exakt auf klar abgrenzbare Lokationen zurückgeführt werden können, sondern stets das Zusammenspiel einer ganzen Reihe von Faktoren sind, lassen sich trotzdem Zonen definieren, deren neuronale Strukturen bei bestimmten Denkprozessen stärker feuern als andere.«

      Steflov schnippte mit den Fingern, und innerhalb der Projektion flossen plötzlich Tausende silbriger Kriechströme. Sie bewegten sich an den hauchdünnen Axonen und Dendriten der Nervenzellen entlang, entluden sich in den Zellkörpern als winzige Blitze oder liefen irgendwo in den labyrinthartigen Verzweigungen des zerebralen Netzwerks aus. Dort, wo der Finger des Chefmediziners gerade noch gewesen war, kam es zu wahren Blitzgewittern.

      »Der Frontallappen ist hauptsächlich für motorische Funktionen verantwortlich«, sagte er. »Er steuert und kontrolliert also Bewegungen. Zugleich gilt das Stirnhirn als Sitz der individuellen Persönlichkeit und des Sozialverhaltens. Irdische Experten haben diesen Teil unseres Denkapparats deshalb früher als ›Organ der Zivilisation‹ bezeichnet. Es verfügt über ausgeprägte Verknüpfungen mit dem sogenannten Mandelkern. Bei diesem handelt es sich um eine der ältesten Hirnregionen überhaupt, die für unser Gefühlsleben mitverantwortlich ist. Vor allem für die beiden stärksten Emotionen, die wir kennen: Wut und Angst.«

      Thora ahnte längst, worauf Steflov hinauswollte. Sie wusste, dass sich die Gehirne von Menschen und Arkoniden in ihrer grundlegenden Architektur zu neunundneunzig Prozent glichen. Es gab nur wenige Abweichungen; diese waren allerdings signifikant. Die bedeutsamste war der unterschiedliche Aufbau des Frontallappens.

      »Bei Arkoniden liegt in einem Teil des Stirnlappens jene Region, die als Sitz des sogenannten Extrasinns identifiziert wurde«, bestätigte der Arzt ihre Vermutung. »Das muss ich Ihnen vermutlich nicht näher erläutern. Wir reden vom orbitalen Abschnitt des präfrontalen Kortex, dem nach gängiger Lehrmeinung jüngsten Teilbereich des humanoiden Gehirns. Dort verorten wir die Beurteilung emotionaler Stimuli und das Ethikverständnis. Kommt es hier zu einer Schädigung, ist damit so gut wie immer eine Persönlichkeitsveränderung verbunden ...«

      »Das ist alles ungemein faszinierend, Doktor«, unterbrach Thora. »Aber ich verstehe nicht ...«

      »Geben Sie mir bitte noch eine Minute, Ma'am.« Steflov hob beschwichtigend beide Arme. »Und verzeihen Sie mir meine Weitschweifigkeit. Ich versuche, mich kürzer zu fassen.«

      Er schloss für einen Moment die Augen und legte die Stirn in Falten, als müsse er sich die folgenden Worte genau überlegen. Dann suchte er Thoras Blick und schenkte ihr ein klassisches Medizinerlächeln: freundlich, beruhigend, beinahe väterlich.

      Ob man so etwas während der Ausbildung zum Arzt üben muss?, fragte sich Thora unwillkürlich. Die Erinnerungen an Crest stiegen fast zwangsläufig aus ihrem Unterbewusstsein herauf. Plötzlich hockte sie wieder gemeinsam mit Perry neben dem greisen, im Sterben liegenden Mann – ihrem über alles geliebten Ziehvater und Mentor, den sie so sehr vermisste – und hielt dessen Hand. »Meine ... Kinder ...«, hörte sie seine brechende Stimme und spürte, wie sich wässriges Sekret in ihren Augenwinkeln sammelte.

      Hastig schob sie die Bilder aus der Vergangenheit mit aller Macht beiseite. Waren seit jenen dramatischen Minuten während der Endphase des Kampfs gegen die Sitarakh tatsächlich schon wieder fast vier Jahrzehnte vergangen?

      »Besagter Kortex«, holte Steflov sie endgültig in die Gegenwart zurück, »ist außerdem mit den sensorischen Assoziationsgebieten des Gehirns, mit den subkortikalen Modulen des limbischen Systems und mit den Basalganglien verknüpft. Das alles ergibt ein noch immer lediglich ansatzweise verstandenes Geflecht aus Nerven- und Hilfszellen, deren Zusammenspiel uns alle ein Leben lang prägt und formt.«

      Der Mediziner schob das Holo ein wenig zur Seite und projizierte daneben ein weiteres. Es zeigte ebenfalls ein dreidimensionales Abbild eines Gehirns, das sich allerdings merklich von dem Thoras unterschied.

      »Das ist ein Hirnscan Ihres Manns«, erläuterte Steflov, »der kurz nach seiner Rückkehr aus dem Zeitbrunnen von Lashat aufgezeichnet wurde. Die gemessenen Schlüsselparameter entsprechen zu fast hundert Prozent den definierten Optimalwerten. Die gesamte Hirnchemie ist nahezu perfekt ausbalanciert. In der kognitiven Medizin nennt man das ein ›lagerndes Gleichgewicht‹. Es ist extrem selten und bezeichnet einen Zustand der absoluten inneren Ruhe und Ausgeglichenheit.«

      Thora fixierte jenen Bereich von Perry Rhodans Gehirnbild, wo bei ihr die Nervenzellen in helle Aufregung geraten waren. Nichts. Nur langsam und gleichmäßig wandernde Silberströme, welche die elektrische Hirnaktivität zeigten.

      »Ich kann Ihnen noch immer nicht folgen, Doktor«, sagte sie. »Perry hat keinen Extrasinn – und auch keinerlei Anlagen dafür. Ich dagegen ...«

      Sie


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