Perry Rhodan Neo 229: Die Schwarze Flut. Rüdiger SchäferЧитать онлайн книгу.
dieser ebenso zahlreichen wie anschaulichen terranischen Sprichwörter? – den Groschen fallen hören.
»Genau«, bestätigte er. »Ihr Aufenthalt im Zeitbrunnen von CORS-VII-4, dem Elysischen Fragment, hat bei Ihnen den gleichen Prozess in Gang gesetzt wie bei Ihrem Mann auf Lashat. Allerdings verläuft er bei Ihnen, wie wir wissen, nicht komplikationslos. Ich habe mich intensiv mit einigen arkonidischen Kollegen kurzgeschlossen, und nach allem, was wir bisher herausfinden konnten, ist der Grund für all Ihre Probleme der veränderte Aufbau Ihres Frontallappens und des präfrontalen Kortex.«
In Thoras Kopf jagten sich die Gedanken, als sie sich über die Konsequenzen von Steflovs Schlussfolgerungen klar zu werden versuchte. Ähnliches hatten Atlan und die beteiligten Ärzte bereits kurz nach Beginn ihres Martyriums vermutet. »Meine Schmerzen ...«, begann sie.
»... sind die unmittelbaren Auswirkungen einer Anpassung Ihres Gehirns an die innerhalb des Zeitbrunnens initiierten zerebralen Veränderungen, die ich – und das sage ich mit allem nötigen Nachdruck – nicht mal ansatzweise erklären könnte. Allerdings vertragen sie sich nicht mit Ihrer im Vergleich zu Menschen unterschiedlichen Hirnchemie.«
»Was ist Ihre Prognose?«, fragte die Arkonidin. »Die Wahrheit, Doktor«, fügte sie hinzu, als sie Steflovs Zögern bemerkte.
»Die mir vorliegenden Daten reichen nicht aus, um eine verlässliche Vorhersage zu machen«, antwortete der Chefarzt unglücklich. »Allerdings zeigen alle Simulationen einen ... progressiv-degenerativen Verlauf mit irreversibler Hirnschädigung. Das muss jedoch nichts heißen. Die Datenlage ist wie schon erwähnt dünn, und ...«
»Schon gut, Doktor«, unterbrach Thora. »Sie müssen mir keinen Mut zusprechen. Wie viel Zeit bleibt mir noch?«
Steflov zuckte zusammen, als hätte er einen Stromschlag erhalten. »Aber nein!«, rief er mit sichtlichem Entsetzen aus. »Ich fürchte, Sie haben mich gründlich missverstanden. Das gerade eben war kein Todesurteil. Wir wissen noch viel zu wenig, um eine abschließende Diagnose ...«
»Gut«, ließ ihn die Arkonidin erneut nicht ausreden. Ihr Schädel fühlte sich inzwischen an, als sei er mit flüssigem Blei gefüllt. Niemals zuvor in ihrem Leben hatte sie derartige Kopfschmerzen gehabt. »Dann verraten Sie mir, wie Sie mein Leben retten werden!«
Steflov war deutlich anzusehen, wie sehr ihn das Gespräch belastete. Einen Moment lang tat er Thora leid. Dann jedoch übernahm ihr arkonidischer Stolz wieder das Kommando. Schließlich war sie es, die sterben würde. Sie hatte sich in diesem verdammten Zeitbrunnen etwas eingefangen, das ihr nun das Hirn zerschmolz, weil sie eine Arkonidin war. Weil sie anders war als Perry Rhodan. Weil Nathalie sie geradezu gezwungen hatte, in diese vermaledeite schwarze Brühe zu steigen und ...
Halt! Stopp!, rief sie sich zur Ordnung. Du wirst nicht Nathalie die Schuld an allem geben! Früher oder später hätte dein Zellaktivator versagt, und du wärst so oder so gestorben. Es war die einzige Möglichkeit ...
»Ich möchte Kontakt mit dem Faehrlinstitut auf Iprasa aufnehmen!«
Steflov hatte leise gesprochen. Trotzdem kam es Thora vor, als ob er ihr seinen letzten Satz ins Gesicht geschrien hätte.
»Das Faehrlinstitut auf Iprasa?«, wiederholte sie konsterniert. »Wozu?«
Der Chefarzt schnaufte resigniert. »Weil ich mit meinem Latein am Ende bin, Ma'am. Und weil es keinen anderen Ort in der Milchstraße gibt, an dem man mehr über das arkonidische Gehirn weiß. Dafür benötige ich allerdings Ihre Zustimmung. Und eine Anfrage über die offiziellen Kanäle.«
Thora kniff die Augen zusammen und musterte ihn misstrauisch. Trotz des Hammerwerks, das in ihrem Schädel donnerte, begriff sie sofort. »Lassen Sie mich raten«, sagte sie in einer Mischung aus Zorn und Spott. »Sie haben es bereits auf eigene Faust versucht und sind abgeblitzt. Habe ich recht?«
»Ich wollte lediglich Zugriff auf die medizinischen Datenbanken«, gestand Steflov kleinlaut ein. »Dabei habe ich wohl ... so etwas wie einen internen Alarm ausgelöst ...«
Thora seufzte. »Natürlich haben Sie das. Im Faehrlinstitut findet eins der wichtigsten, kompliziertesten und traditionsreichsten Rituale der arkonidischen Kultur statt – die Aktivierung des Extrasinns. Haben Sie etwa geglaubt, dass ein solcher Ort so etwas wie eine allgemein zugängliche Informationsbörse ist?«
Steflov schwieg und zuckte verlegen mit den Schultern. Ein paar Sekunden lang sagte keiner etwas.
»Ich werde mich an Gonozal den Siebten persönlich wenden«, brach Thora schließlich das Schweigen. »Seit Perry mit Atlan und Mirona Thetin aufgebrochen ist, besteht eine ständige Kommunikationsverbindung zum imperialen Flaggschiff. Das tue ich aber nur unter einer Bedingung ...«
»Und die wäre?«, fragte Steflov.
»Geben Sie mir etwas für meinen Kopf. Etwas, das wirkt ... und ersparen Sie mir jegliche Vorhaltungen bezüglich Nebenwirkungen und eventuellen Spätschäden.«
»Das kann ich unmöglich verantworten.« Der Arzt leckte sich nervös die Lippen. »Schon die Freistellung für den Dienst habe ich nur sehr ungern erteilt. Ich müsste Sie eigentlich sofort stationär einweisen und hierbehalten. Sie wissen, dass mir dieses Recht zusteht und dass ich Sie notfalls gegen Ihren Willen ...«
Er brach ab und stieß einen Laut der Resignation aus. Thora hatte ihn während seines kurzen Monologs nur stumm mit ihren rötlichen Augen fixiert. Das genügte.
»Na schön«, lenkte der fast zwei Meter große Mann ein. »Der Form halber benötige ich allerdings Ihre Bestätigung, dass Sie die Medostation gegen meinen ausdrücklichen Rat verlassen. Ich flehe Sie jedoch an: Wenn es schlimmer wird, melden Sie sich! Sofort!«
»Versprochen«, akzeptierte die Arkonidin, während ihr Steflov ein dünnes Datenpad reichte. Thora Rhodan da Zoltral presste ihren Daumen auf ein gekennzeichnetes Feld und entband den Chefarzt dadurch von jeglicher Verantwortung für seine Patientin. Dann erhob sie sich und strebte auf das breite Doppelschott zu, das aus dem Büro hinausführte. Bevor sie es erreichte, drehte sie sich noch einmal um.
»Und Doktor ...« Auf ihren Zügen lag ein freundliches Lächeln. Steflov sah sie fragend an. »Bitte handeln Sie nie wieder über meinen Kopf hinweg, wenn es um die offizielle Kontaktaufnahme mit imperialen Stellen geht. Habe ich mich da klar ausgedrückt?«
»Glasklar, Ma'am«, versicherte Drogan Steflov.
4.
Perry Rhodan
Das Klirren machte einem scharfen Zischen Platz. Perry Rhodans Einsatzanzug hatte soeben selbsttätig den Verschlusszustand hergestellt. Tausende winziger Kristallsplitter rasten als Mikrogeschosse auf ihn zu und verdampften im gerade noch rechtzeitig aktivierten Schutzschirm. Sekundenlang sah Rhodan so gut wie nichts. Dann hatten sich die Systeme seiner Montur justiert und lieferten ein künstliches Bild der Umgebung, das auf den Messungen der Ortungssensoren basierte.
Der Kristallwald war zu gespenstischem Leben erwacht. Die Kronen der Bäume schüttelten sich, als würden sie von einem Orkan gebeutelt, doch es gab keinen Wind. Rhodan sah, wie sich ein doppelt mannsdicker Stamm so weit nach hinten bog, dass seine Äste beinahe den Boden berührten. Nach menschlichem Ermessen hätte er eigentlich brechen müssen. Stattdessen verharrte er einen Augenblick in seiner unnatürlichen Stellung – und peitschte dann wie der Hebelarm eines abgefeuerten Katapults nach vorn, um einen weiteren Regen aus Splittern abzuschießen.
Rhodan hob instinktiv die Arme. Die Belastungsanzeige seines Abwehrschirms stieg kurzzeitig auf über achtzig Prozent. Für die Mission zum Elysischen Fragment hatte er eine der schweren terranischen Einsatzmonturen gewählt. Im Gegensatz zu den leichten Versionen vermochten sie einen Schutzschirm auf hyperenergetischer Basis zu errichten. Für die Abwehr materieller Objekte und ihrer kinetischen Energie war allerdings auch ein normales Prallfeld geeignet.
Die Wucht des Schwarms aus Kristallsplittern, der auf Rhodan einprasselte, ließ ihn taumeln. Neben ihm wurde Mirona Thetin von gleich zwei Bäumen gleichzeitig attackiert. Rhodan hatte keine Ahnung, wie leistungsfähig