Fettnäpfchenführer Brasilien. Nina BüttnerЧитать онлайн книгу.
wofür nicht
40 LINDA TANZT AUF ALLEN BLOCOS
Wie eine Kölsche Jeck Rios Straßen unsicher macht
41 LINDA VERSUCHT SICH IN DER OFFIZIELLEN VARIANTE DES KARNEVALFEIERNS
Wie zu viel alegria zu saudade wird
42 LINDA SINGT ZUM ABSCHIED »PROST PROST, KAMERAD«
10 Dinge, die Sie getan haben müssen
10 Handlungen, mit denen Sie sich in jedem Fall blamieren (oder gar gefährden)
In diesem Buch verwenden wir teilweise die männliche, teilweise die weibliche Form und Ansprache, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind. Wir sind uns der Verantwortung bewusst, alle Geschlechter mitzudenken, haben aber auf eine Nennung aller Geschlechter in allen Fällen aufgrund der Textlänge und Lesbarkeit verzichtet.
Die Autorinnen
1
LINDA KOMMTAN UND WEISSNICHT WEITER
WIE LINDA LERNT ZU WARTEN
In Flugstunde vier von dreizehn, irgendwo über dem Atlantik zwischen Köln und Rio de Janeiro, hat Linda es sich bequem gemacht auf ihrem Fensterplatz. Sie hat gegessen und die ersten Durchsagen in dieser Sprache gehört, die sie die nächsten drei Monate begleiten wird und die ihr noch sehr fremd erscheint. Ein paar Kursstunden Portugiesisch hat sie zwar mitgemacht – aufgeregt und gespannt ist sie trotzdem, wie sie sich wohl zurechtfinden wird in dieser näselnden weichen Sprache und überhaupt in diesem großen Land, von dem sie furchtbar wenig weiß. Sprechen da wohl viele Englisch? Wenn nicht, wie soll sie denn eigentlich ihren Unterricht geben? Ihr Koffer voll mit didaktischem Material, um Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten, beruhigt Linda. Sie ist eine gut vorbereitete deutsche Studentin. Es würde eine hervorragende Übung für sie sein und außerdem eine einmalige Gelegenheit, ein neues Land zu entdecken, bevor sie in den Ernst des Lehrerlebens eintritt. Unmöglich, bei dem Angebot, sich in Brasilien drei Monate lang auszuprobieren und dafür auch noch bezahlt zu werden, Nein zu sagen. Ein Bekannter, der wiederum einen Bekannten hat, der mit einer Brasilianerin verheiratet ist, deren Bruder eine private Sprachschule in Kölns Partnerstadt Rio de Janeiro betreibt, hat sie auf die Idee gebracht. Die Schule war auf der Suche nach einer Aushilfe für die bisherige Deutschlehrerin, die sich eine Auszeit genommen hat. Linda bewarb sich prompt, und ihr zukünftiger Chef, Marcelo Cunha da Silva, klang beim gemeinsamen Chatten locker und sympathisch. Linda packte also, obwohl auch nach zweimaligem Nachfragen noch kein Vertrag eingetroffen war, ihre Koffer in dem fast brasilianisch-optimistischen Vertrauen, dass das schon klappen würde.
Einem mitteleuropäischen Winter entfliehen, endlich! Davon hat sie bisher noch jedes Jahr geträumt. Jetzt schaut sie auf den blauen Atlantik und freut sich schon auf die hügelige Küste, die sie von zahllosen Fotos in Reisereportagen, von Postkarten und aus Filmen über Rio kennt. So häufig wie möglich will sie an den Strand, schön braun werden, auf den Zuckerhut und diese Christus-Statue auf dem Berg sehen – wie heißt der Berg noch gleich? Corcovado, der Bucklige! Dann will sie Samba-Spezialistin werden und schöne Männer beim Fußballspielen sehen. Und sie hat ihren Aufenthalt so gelegt, dass sie in den letzten Tagen noch den Karneval mitmachen würde. Für keinen anderen Ort der Welt hätte sie jemals Köln zur Karnevalszeit verlassen!
»Fliegst du zum ersten Mal nach Brasilien?«, reißt sie ihr Sitznachbar aus den Träumereien. »Du wirst es lieben!«
»Kommst du aus Brasilien?«, fragt Linda zurück.
»Ja, aus Rio, aber ich arbeite in Deutschland. Mir fehlt die Sonne, die Musik, a alegria – die Fröhlichkeit. Ich heiße übrigens Rodrigo. Und du?«
»Linda.«
»Oh, mit dem Namen wirst du viel Erfolg haben in Brasilien! Linda oder lindo heißt auf Portugiesisch ›wunderschön‹. Und, wirst du in Brasilien reisen?«
»Ich weiß noch nicht.« Erst einmal plant sie in Rio anzukommen und sich einzugewöhnen, aber mal sehen, vielleicht kann sie sich später ein paar Tage freinehmen und reisen. Linda nippt an ihrem Tomatensaft.
»Das würde ich an deiner Stelle unbedingt machen«, ereifert sich Rodrigo. »Du musst die Strände im Nordosten kennenlernen, und das Amazonasgebiet ist bestimmt auch toll, obwohl ich selbst noch nie dort war.«
»Echt nicht?«, fragt Linda verwundert.
»Na hör mal, das ist von Rio in etwa so weit wie von Köln nach Moskau. Das macht man nicht mal so einfach.«
GEOGRAFIE UND DEMOGRAFIE EINES RIESEN
Nach der offiziellen Schätzung von 2015 zählt Brasilien 204 Millionen Einwohner, die sehr ungleichmäßig über das Land verstreut leben. Brasilien ist sowohl das fünftgrößte Land der Erde (nach Russland, Kanada, USA und China) als auch das mit der fünftgrößten Bevölkerung (nach China, Indien, USA und Indonesien).
Brasilien ist in 26 Bundesstaaten und den Bundesdistrikt (Distrito Federal) der Hauptstadt Brasília eingeteilt. Brasília ist eine aus dem Nichts geplante Stadt; sie wurde ab 1956 gebaut und 1961 eingeweiht, doch erst seit 1972 war der Umzug von der vormaligen Hauptstadt Rio de Janeiro abgeschlossen. Die Entscheidung, eine Stadt im nahezu unbewohnten trockenen Herzen Brasiliens zu bauen, fällte der damalige Präsident Juscelino Kubitschek (1956–1961), der dadurch das unterentwickelte Binnenland wirtschaftlich stärken wollte. Bis heute ist die Stadt vor allem Regierungssitz und wird höchstens aufgrund ihrer Bauten von Oscar Niemeyer von Touristen besucht.
Die Bundesstaaten genießen ähnlich wie in Deutschland eine gewisse Autonomie. Nach geografischen und demografischen Eigenheiten werden die Staaten in fünf Regionen zusammengefasst:
Sudeste (Südosten) umfasst die Bundesstaaten Rio de Janeiro, São Paulo, Espírito Santo und Minas Gerais. Diese Region ist recht gut entwickelt, hat die höchste Einwohnerzahl (85 Millionen) und -dichte und zeichnet sich durch (sub-)tropisches Klima aus.
Sul (Süden) umfasst die Bundesstaaten Paraná, Santa Catarina und Rio Grande do Sul. Die Region zeichnet sich durch den höchsten Lebensstandard und subtropisches Klima aus.
Nordeste (Nordosten) umfasst die Bundesstaaten Bahia, Maranhão, Sergipe, Ceará, Piauí, Rio Grande do Norte, Paraíba