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Fettnäpfchenführer Frankreich. Bettina BoujuЧитать онлайн книгу.

Fettnäpfchenführer Frankreich - Bettina Bouju


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war – an den Satz Comment ça va? Diese Frage gehört gewissermaßen zum Standard einer Begrüßung dazu und wird eigentlich immer mit bien (gut) oder très bien (sehr gut) beantwortet. Paula hatte angenommen, dass hinter dieser Hoflichkeits-Small-Talk-Frage wahres Interesse an ihrer Situation stecken würde, und musste leider feststellen, dass dem nicht so war. Bernard hatte die Frage einfach als formelhafte Begrüßung verwendet. Eine sich tagtäglich mehrfach wiederholende Frage, die auf keinen Fall mit erschöpfenden Auskünften über die persönlichen Befindlichkeiten oder gar mit der Wiedergabe schlechter Erlebnisse beantwortet werden darf. Dass der Gastvater Paula so schnell abgewürgt hat, hatte vielleicht auch den Grund, dass für ihn diese persönliche Offenbarung so plötzlich kam, dass er nicht darauf zu reagieren wusste. Seine Antwort »alles wird gut« ist natürlich nicht das, was man in solch einer Situation hören möchte, das heißt aber nicht, dass die beruhigenden Worte nicht ernst gemeint waren.

      Ein zweiter Fehler, der Paula hier unterlaufen ist und der zu einem Missverständnis mit Marie führte, war die Verwendung der Begrüßung Bonne nuit (Gute Nacht). Denn Bonne nuit sagt man in Frankreich nur, wenn man wirklich unmittelbar vor dem Schlafengehen ist. Wie in Deutschland eigentlich auch. Marie hat also annehmen müssen, dass Paula sehr müde ist und vielleicht einfach alleine sein möchte. Ihre Aussage »Du siehst müde aus« war nicht abschätzig, sondern viel eher unterstützend gemeint, nach dem Motto: Ruh dich ruhig aus!

       Was können Sie besser machen?

      Paula hat in ihrer ohnehin schlechten Stimmung alles gegen sich interpretiert. Sich dem »Herrn des Hauses« so schnell anzuvertrauen war entweder ein sehr mutiger oder eben auch ein sehr verzweifelter Akt von ihr. Denn auf die bekannte Frage hätte sie auf keinen Fall gleich ihr ganzes Herz ausschütten sollen. Franzosen sind in diesem Punkt ähnlich oberflächlich, wenn man so will, wie Amerikaner: Das tägliche How are you doing? What’s up? ist auch auf keinen Fall als ernsthafte Frage zu verstehen.

      Wenn Sie sich also jemandem anvertrauen wollen, suchen Sie eher in den gleichaltrigen Reihen. Die ältere Generation hat es meist nicht gelernt, über Gefühle offen zu sprechen. Suchen Sie sich die Person gut aus und tasten Sie sich langsam in dem Gespräch an das Problem heran. Vielleicht können Sie über Umwege herausfinden, ob Ihr Gegenüber grundsätzlich bereit ist, offen und ehrlich mit Ihnen zu reden und über eine gewisse Konversation hinauszugehen. Bei Franzosen kann das ganz schön dauern. Denn sie geben sich schließlich alle Mühe, perfekt zu wirken. Alle Schwierigkeiten und Probleme, die man zugibt und mitteilt, zerstören dieses perfekte Bild, und man muss hart daran arbeiten, es hinterher wieder aufzurichten.

       BEGRÜSSUNGSFORMELN

      Die formalen Regeln der Begrüßung nehmen die Franzosen sehr wichtig. Wenn man in ein Geschäft oder in ein Zimmer kommt, grüßt man immer mit Bonjour (was sowohl »Guten Morgen« als auch »Guten Tag« heißt). Der Zusatz »Madame« oder »Monsieur« ist dabei wichtig. Die Verkäuferin oder der Verkäufer eines Geschäftes wird Sie wahrscheinlich mit Bonjour Monsieur oder Bonjour Madame zurückgrüßen. Ärgern Sie sich nicht, wenn Sie in Frankreich mit Mademoiselle angesprochen werden. Der Begriff »Fräulein« ist in Frankreich keineswegs so verpönt wie bei uns, sondern eher ein Kompliment. Wenn Sie nicht mehr ganz so jung sind und jemand Sie mit Mademoiselle anspricht, hält er sie auf jeden Fall noch für eine junge Frau – aufgrund Ihrer jugendlichen Erscheinung. Ein junges Mädchen mit Madame anzusprechen, wäre hingegen eine echte Beleidigung. Wenn Sie sich nicht ganz sicher sind, dann sprechen Sie junge und nicht mehr ganz so junge Frauen lieber mit Mademoiselle an, das ist in jeden Fall die charmantere Variante.

      Ab etwa 17 Uhr beginnt die Zeit für ein Bonsoir (Guten Abend). Bonne nuit (Gute Nacht) sagt man, wenn man ins Bett geht. Man verabschiedet sich generell mit einem Au revoir (Auf Wiedersehen). Salut zur Begrüßung sagt man nur »unter sich«, wenn Gleichaltrige, enge Verwandte oder Freunde sich treffen. Salut wird sowohl für »Hallo« als auch für »Tschüss« verwendet.

      4

       LE DERNIER CRI

      Eines hatte Paula inzwischen begriffen: Französinnen sind immer und überall schick. Ob in der Metro, im Supermarkt, im Café oder in der Schule – Paula sah nur adrett gekleidete, dezent oder auffällig zurechtgemachte Mädchen und Frauen. Selbst die jüngeren, alternativeren unter ihnen schienen ihr »Gegenmodell« überaus ernst und ambitioniert anzugehen. Wie viel Zeit und Kraft hinter einem so legeren, aber doch schicken Outfit steckte! Trotzdem gefiel es Paula, dass das Frausein hier eine wichtige Rolle zu spielen schien. Irgendwie bewegten die sich alle einfach viel eleganter, unbeschwerter und um einiges graziler als in Deutschland. Sie musste sich richtig zusammenreißen, diesen vielfältigen Schönheiten nicht permanent hinterherzustarren. Jede hatte irgendetwas an, das Paula sich unbedingt merken und zu Hause gleich ausprobieren wollte. Plötzlich ging sie in Gedanken ihre gesamte Garderobe durch und überlegte fieberhaft, ob sie nicht auch einen Rock in dieser Länge hatte, den sie mit einem genauso eng anliegenden Rollkragenpulli auf eben diese Art und Weise kombinieren könnte. Meistens hatte sie gleich beim ersten Blick in den Schrank dann wieder aufgegeben: Es war einfach alles nicht schick genug! Sie musste dringend etwas von ihrem Taschengeld sparen und bald mit Marie shoppen gehen. Die würde ihr dann schon zeigen, was eine echte Französin so trägt. Aber bis dahin musste sie mit dem auskommen, was sie vorfand. Pas le choix! (Keine Wahl!)

      An einem Samstagabend hatte Paula es sich auf dem Sofa der Gasteltern bequem gemacht und schaute Fernsehen. Claudine hatte gesagt, dass das gut für ihr Französisch sei. Und dass sie dringend etwas Übung brauche, weil ihr einfach die Vokabeln fehlten. Und damit hatte sie bei Paula voll ins Schwarze getroffen. Denn eines war klar: Wenn ihre Familie kommen würde, um sie für den Campingurlaub in der Bretagne abzuholen, wollte sie mit ihrem Französisch mehr als glänzen. Ihre Eltern sollten sehen, dass sie das Geld nicht umsonst für sie gespart hatten! Also saß Paula jetzt allein auf dem großen Familiensofa und sah sich eine langweilige Samstagabendshow an, von der sie so gut wie nichts verstand. Aufgeregtes, affektiertes Geplapper, schöne Frauen und ein kleiner Moderator, der immerzu Witze machte, die sie überhaupt nicht kapierte, obwohl sie die einzelnen Wörter sogar verstand. Das Ganze erinnerte sie an die Muppet Show. Bis Marie plötzlich vor ihr stand, die Fernbedienung an sich riss und das Monstrum ausschaltete. »Ça ne va pas, toi?! On est samedi soir, ma belle!« (Geht’s noch?! Es ist Samstagabend, meine Schöne!) Paula erklärte, was Claudine ihr verordnet hatte, woraufhin Marie nur lauthals lachte und ihr zu verstehen gab, dass sie sich jetzt blitzschnell umzuziehen hatte. Na gut, dachte Paula, dann eben kein Fernsehen, soll mir auch recht sein. Marie hatte etwas sehr Schlichtes, fast Biederes an, fand Paula. Also gab sie sich besonders Mühe, ein halbwegs hippes Outfit zu finden. Am Ende entschied sie sich aber doch wieder für ihre Lieblingskombination, die Jeans-T-Shirt-Turnschuhe-Variante, und fand sich eigentlich ganz sexy. »On y va?!« (Gehen wir?!), sagte sie selbstbewusst zu Marie, die jetzt ungeduldig auf dem Sofa saß. »Désolée, Paula. On ne peut pas y aller comme ça!« (Tut mir leid, Paula. So können wir da nicht hingehen!)

      Mon Dieu (mein Gott), was war denn jetzt schon wieder falsch? Marie erklärte ihr, dass sie in eine Bar an der Bastille gehen würden, mit Freunden, von denen sie auch ein paar noch nicht kannte. Und deshalb war es umso wichtiger, dass sie beide wirklich gut aussahen. Marie nahm Paula ungeduldig an der Hand, schleppte sie mit auf ihr Zimmer und zog einen dunklen Rock, einen enganliegenden, weitausgeschnittenen Pulli und einen Seidenschal hervor. »Voilà!« Es wurde kein Widerspruch geduldet und innerhalb von Sekunden hatte Paula an, was Marie für sie ausgesucht hatte. »Tu sais, les Françaises sont toujours élégantes.« (Weißt du, Französinnen tragen immer einen Hauch von Eleganz.) Paula sah in den Spiegel und war schockiert: Sie sah aus wie eine Stewardess! Adrett und langweilig. »Non, je ne veux pas ça!« (Nein, das will ich nicht!), entgegnete sie ihrer Gastschwester jetzt umso energischer und riss sich die Klamotten wieder vom Leib. »Alors, je reste ici!« (Dann bleib ich


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