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Fettnäpfchenführer Finnland. Gudrun SöffkerЧитать онлайн книгу.

Fettnäpfchenführer Finnland - Gudrun Söffker


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       29 IST DAS FRAUENPOWER? Ja, neben der Sonnenbrille, ganz unten in der Handtasche hab ich sie gesehen

       30 IST DAS HEUTE NOCH AKTUELL? Vom Unterschied zwischen Künstler und Werk

       31 SINGST DU GERNE? Egal, heute singt jeder

       EPILOGI

       ANHANG 10 Dinge, die man getan haben muss

       ANHANG 10 Handlungen, mit denen man sich blamiert

       GLOSSAR

       VORWORT

      Zufällig kommt man nicht in Finnland vorbei. Es sei denn, man reist von Schweden zum Weißen Meer. Das passiert nicht sehr oft. Wer einen bestimmten Grund hat, nach Finnland zu fahren, hat meist auch eine bestimmte Absicht. Man möchte lukrative Geschäfte tätigen, einen wunderbaren Urlaub verleben oder liebe Freunde treffen. Man kann auch überraschende Architektur, undurchdringliche Wälder und weite Seen erkunden.

      Manchmal trifft man bei diesen Gelegenheiten Menschen: Finnen (nicht immer, aber manchmal schon). Natürlich sind nicht alle Menschen Finnen, und die Toleranz verlangt, diesen Zustand nicht allzu laut zu bedauern. Natürlich muss sich auch niemand wie ein Finne benehmen, nicht mal die Finnen müssen das. Um aber zu vermeiden, dass man sich garantiert und offensichtlich wie ein Nicht-Finne benimmt, und zwar in einer Form, die die oben angedeuteten Absichten durchkreuzen könnte – dafür gibt es dieses Buch.

      Man kann Finnland ausprobieren, im Geiste durchleben, man kann sich wundern oder sich freuen, über alle Menschen in diesem Buch und über sich selbst. Man kann denken, noojoo, ach na ja, so wild ist das alles gar nicht. Man kann entsetzt oder bedauernd in das leise voi voi, oje, einstimmen, das manchmal nicht zu überhören ist. Man kann auch mit einem fröhlichen sopii! bestätigen, dass es so recht ist, einverstanden! Einverstanden zu sein hat etwas mit verstehen zu tun. Aber nicht alle Dinge kann man erklären. Vielleicht kann man sie trotzdem begreifen: Felsen, Birken und Seen kann man tatsächlich kennenlernen, indem man sie begreift. Menschen empfinden das dagegen meist als unhöflich. Das ist in Finnland nicht anders als in Mitteleuropa. Überhaupt sind viele Dinge gar nicht so unglaublich anders. Es sind eher die Zwischentöne, auf die es ankommt, die man schnell überhört, wenn die Umgebung zu laut ist. Aber das ist in Finnland nun wirklich nicht das Problem.

      1

       WO LIEGT HELSINKI?

       IRGENDWO DA IM NORDEN, ZWISCHEN SINGSCHWÄNEN, RUSSEN UND PISA

      »Wo nur liegt dieses Finnland? Ist das eigentlich noch Europa?« Ja, klar, Europa geht bis zum Ural. »Und bis zum Eismeer? War das nicht mal ein Teil von Russland? So wie Estland und die anderen Länder da?«

      Finnland ist Finnland, hatte nie einen eigenen König und ist seit 1917 ein selbstständiger Staat, EU-Mitglied schon seit 1995. So viel kann Greta erwidern. Aber das sind natürlich nur Fakten. Wie viel davon im Alltag spürbar ist, weiß Greta noch nicht. In ihrem Alltag hat sie bisher wenig Kontakt mit Finnland gehabt – glaubt sie. Bestenfalls im Winter- oder Motorsport sind mal Finnen aufgetaucht und in der Musik. Aber was erfährt man da schon über das Land?

      Greta ist nun selbst auf dem Weg nach Finnland, in Gedanken bereits hier und heute, ganz konkret in zwei Wochen. Finnland soll nicht nur ein Urlaubstrip sein, dann hätten ihre Freunde bestimmt in eine andere Klischeekiste gegriffen, um ihr in Gestalt interessierter Fragen wohlmeinende Tipps und komprimiertes Halbwissen mit auf den Weg zu geben. Dann hätten sie sie gewarnt, wahlweise vor zu wenigen oder zu vielen Lebewesen: »Da gibt’s doch kaum mehr Menschen als in Berlin!« Sachlich gesehen korrekt. »Vor lauter Mücken sieht man da die Sonne gar nicht mehr!« Aha. »Und erst die unendlichen Schneemassen: Da kannst du ab Oktober gar nicht mehr vor die Tür.«

      Aber Greta will ja keinen Urlaub machen, sie will in Finnland studieren. »Toll! Die Unis da sind bestimmt genauso fantastisch wie die Schulen. Da fällt keiner durchs Raster, da werden alle mitgenommen, und diese Lesefähigkeit ...« Greta hatte eigentlich ohnehin nicht vor, durchs Raster zu fallen. Und lesen kann sie durchaus, sogar ziemlich lange schon und gar nicht so schlecht, für den Hausund Unibedarf allemal ausreichend, leider aber nicht auf Finnisch, das heißt, lesen kann sie es sogar etwas, weil das gar nicht so schwer ist. Immer schön vorne betonen und alle Buchstaben hintereinandersetzen: y-li-o-pis-to, Universität. Oder ke-sä-pä-i-vä, Sommertag. Fremdartig klingende Lautkompositionen, die Greta dazu veranlasst haben, im Studienführer zu überprüfen, dass der Master of European Studies wirklich komplett auf Englisch angeboten wird.

      Wieso sie das ausgerechnet in Finnland studieren muss? »Mit einem Bachelor in Kommunikationswissenschaften kannst du doch nach England gehen oder in die USA und echte Auslandserfahrung sammeln, die einem auch nutzt. Denk doch mal, die vielen Kontakte, die du dort gleich aufbauen könntest.« Kontakti, das Wort gibt es auch auf Finnisch. Dieses Wort hat es Greta angetan, kontakti drückt für sie genau das Gefühl aus, das bei Formulierungen wie »zwischenmenschliche Interaktion« mit sofortiger Wirkung seine Existenz verleugnet und nur äußerst schwer wieder zum Leben zu erwecken ist.

      »Aber die Finnen sprechen doch so wenig miteinander, wie willst du da kontakti knüpfen?« Manche Freundinnen klingen ehrlich besorgt. Um das Gegenteil zu erproben, ist Gretas finnischer Wortschatz bisher zu eingeschränkt, eben auf kontakti, hei, hallo, und kiitos, danke. Offenbar wissen die Finnen aber um dieses Problem und sind bemüht, sprachunkundigen Neuankömmlingen den Einstieg zu erleichtern, indem sie sie einige Wochen lang mit allen grammatikalischen Spezialitäten versorgen, die man sich auf Deutsch nicht vorstellen kann. Also sprechen sie ja doch, die Finnen. Greta hat einen solchen Sprachkurs an der »Sommeruniversität« schon gebucht, genau vor Beginn ihres Masterstudiums. Und das eine wie das andere soll in Helsinki stattfinden. »Ach, da, wo die Sonne untergeht?«, hatte ein Kommilitone gefragt und ihre verständnislos stummen Augen auch mit der amüsierten Erklärung »Na: Hell ... sink ... i« nicht zum Lachen gebracht. Greta war kurz davor gewesen, dem Kommilitonen etwas von der Mitternachtssonne zu erzählen, die sie allein mit Elchen, Lachsen und weizenblonden Finnen zu verbringen gedenkt, aber da hatte er sich schon jemand anderem zugewandt.

      Finnland. Auf der anderen Seite der Ostsee. Das weite Land voller Seen und Wälder, von dem sie eigentlich nichts weiß, und das deshalb so verlockend geklungen hat. Okay, ein bisschen voreingenommen ist Greta vielleicht doch, denn ihre Cousine ist schon mal am Nordkap gewesen, und die Fotos sind einfach traumhaft. Die wunderbar schillernden Farben des Himmels gießen darauf miteinander ein Sommerbild, das die Schönheit aller Blumen zugleich widerzuspiegeln scheint.

      Nach diesem Gedanken hat Greta sich aber jegliche Romantisiererei verboten, um zunächst die realen Dinge anzusteuern: Studienbewerbung rechtzeitig abschicken, WG-Zimmer suchen, Flug buchen, Geld tauschen – Stopp: Die haben ja den Euro, mit Singschwänen und Moltebeerenblüten auf der Rückseite. Genau, deshalb will sie nach Finnland, wegen der Singschwäne und Moltebeeren. In den Monaten vor der Abreise sind ihr erstaunlich viele finnische Euromünzen in die Hände gelangt. Ob so viele Finnen nach Deutschland kommen? Oder doch so viele Urlauber nach Finnland fahren? Merkwürdig, was einem im Alltag sonst nicht auffällt. Svenja, die Cousine, hat immer nur vom »Norden« an sich gesprochen. Ob Nordkap, Lappland, Oslo oder die Schärenküste, einem bestimmten Land hat sie nichts zugeordnet.


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