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Fettnäpfchenführer Finnland. Gudrun SöffkerЧитать онлайн книгу.

Fettnäpfchenführer Finnland - Gudrun Söffker


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geplant und neu errichtet.

      Die Uspenski-Kathedrale wurde 1868 geweiht. Benannt ist sie nach der Entschlafung Mariens, die am 15. August gefeiert wird (in der katholischen Kirche Mariä Himmelfahrt). Zunächst ein Gotteshaus für die zahlreichen Russen, die seit dem 19. Jahrhundert in Helsinki lebten und arbeiteten, ist die Hauptkirche der orthodoxen Gemeinde in Helsinki inzwischen lange finnischsprachig. Etwa 1,1 Prozent aller Finnen gehören der orthodoxen Kirche an, etwa 76 Prozent der evangelisch-lutherischen. Neben Karelien liegt ein weiteres orthodoxes Zentrum am nordwestlichen Ufer des Inarisees in Lappland, wo die kleine Gruppe der Skoltsamen lebt (siehe »Wo beginnt Lappland?«).

      »Und die Schiffe hier, haben die auch etwas mit Russland zu tun?« Greta zeigt auf mehrere monströse Fahrzeuge.

      »Die? Nein.«

      »Die sehen ziemlich merkwürdig aus, so klobig und irgendwie unmodern.«

      »Das sind finnische Schiffe, alle hier gebaut. Und die Technologie ist Weltspitze.«

      Greta verstummt. Lauris scharfe Redeweise überrascht sie. Er fängt ihren unsicheren Seitenblick auf, zuckt einmal kurz mit den Augenbrauen und ergänzt: »Das sind Eisbrecher, längst nicht unsere ganze Flotte und auch nicht die allerneuesten, aber hier liegen sie im Sommer. Sieh mal dort links das Gebäude!« Ein gelber klassizistischer Bau mit angedeuteten Säulen. »Das ist das Außenministerium.«

      »Und was hat das mit den Eisbrechern zu tun?«

      »Streng genommen gar nichts. Hier auf Katajanokka war früher auch die Marine stationiert, seit 1989 ist das ganze Außenministerium in den Gebäuden untergebracht. Über die Hälfte aller Eisbrecher, die auf der Welt fahren, wurden in Helsinki gebaut.«

      »Aha. Ich ... ich kenne mich nicht so aus mit Schiffen. Und ich hab auch noch nie einen Eisbrecher gesehen.«

      Nun ist es Lauri, der sie erstaunt ansieht. »Die braucht ihr doch in Deutschland auch?! Stell dir mal vor, ihr wärt auf andere Länder angewiesen, die euch die Häfen freihalten müssen. Was ist, wenn die sich weigern?«

      Darüber hat Greta noch nie nachgedacht. »Bestimmt gibt es Eisbrecher, aber ich kann mich nicht erinnern, dass das in der Politik eine große Rolle spielt.«

      »Hier schon. Die Ostsee friert jeden Winter zu. Und Finnland sorgt für eisfreie Fahrrinnen. Nach längerer Pause ist 2016 wieder ein neuer Eisbrecher hier gebaut worden, die Polaris, die auch mit Flüssigerdgas angetrieben werden kann, der erste Eisbrecher dieser Art weltweit! Genial sind auch die um 360 Grad schwenkbaren Propellergondeln, die sowohl schieben als auch ziehen können. Außerdem ist dieser Eisbrecher auch im Sommer einsetzbar, z. B. als Rettungsschiff bei Unglücken allgemein und speziell bei Ölkatastrophen. Stell dir mal vor, wie bedeutend das erst wird, wenn die Nordostpassage regelmäßig befahrbar ist!« Lauri kennt die Länge, die Breite, die Firma, ja, fast schon jeden Mitarbeiter mit Namen. Noch nie hat er so lange am Stück gesprochen.

      »Technisch mag das beeindruckend sein, aber brauchen wir Eisbrecher heute noch als Sicherheitsgarantie für ein Land?« Greta ist skeptisch. »Es gibt auch bei uns Menschen, denen kann man gar nicht genug nationale Sicherheit bieten. Aber das mit Eisbrechern oder anderen einfachen Lösungen zu verbinden, halten die meisten zum Glück immer noch für Quatsch.«

      Lauri schaut kurz zu Greta hinüber. »Wie bei uns auch«, stimmt er zu. »Immer mehr Menschen behaupten, dass man schärfere Gesetze im Sinne nationaler Interessen braucht. Aber mit Abgrenzung hat man Kommunikation bisher immer erschwert und Annäherung verhindert.« Lauri grinst. »Wenn man dem Gedanken folgt, sind Eisbrecher ja geradezu Integrationshelfer: Sie schneiden Fahrrinnen hinein, wo sonst niemand den anderen erreichen könnte.«

      Am Marktplatz liegt kein Eisbrecher, sondern ein altes Feuerschiff am Kai, auf dem ein Café eingerichtet ist.

      »Wie wär’s, wollen wir uns dort setzen?« Jetzt ein bisschen Entspannung mit Blick aufs Wasser wäre schön.

      Doch Lauri schüttelt den Kopf. »Ein andermal gerne. Unseren Staatsgast Greta muss ich zuerst in das Staatszelt führen.«

      Der Staatsgast fühlt sich eigentlich mit genug Politik versorgt. Aber Lauri strebt mit schnellen Schritten quer über den Markt. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.

      »Greta, wenn ich bitten darf.« Er bleibt vor einem älteren Plastikzelt stehen. »Unsere Loge.«

      Greta lacht kurz und pflichtschuldig.

      »Du siehst, wie nah das Außenministerium und der rote Empfangsteppich beieinander sind. Dies ist das berühmteste Café des ganzen Marktes. Ich lade dich ein.«

      Lauri stellt Kaffee in Pappbechern und zwei munkki, fettgebackene Hefekuchen, auf einen Bistrotisch vor dem Zelt, und zeigt nach oben: »Lies mal!«

      »Presidentti« steht groß und überdeutlich auf handgemalten Pappschildern. Und der Kaffee schmeckt, königlich geradezu.

       TRADITIONELLER KAFFEEGENUSS

      Seit 1929 trinken die Finnen Presidentti-kahvi. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der ältesten nordischen Kaffeerösterei ist er damals gemeinsam mit Juhla Mokka (Festtagsmokka) auf den Markt gekommen. Inzwischen wird er allerdings dem veränderten Geschmack gemäß stärker geröstet. Noch heute ist die Firma Paulig, 1876 von einem Deutschen als Kolonialwarenhandel gegründet, dafür verantwortlich. Bis zum Jahr 1967 hatten sie ihre Rösterei auf Katajanokka.

       Noojoo!

      Überraschungen bringen einen immer mehr aus der Bahn als erwartete Probleme. Bei der Suche nach einer Adresse wird der Großteil der Menschen sich »ganz normal« benehmen, bei der Suche nach einem Schrankplatz schon nicht mehr unbedingt. Obwohl es durchaus verzeihlich ist, den Kaffee zu den Nudeln, die Nudeln ins Abtropfregal und den Präsidenten ins Parlament zu verbannen. Aber die Eisbrecher den Russen zu schenken geht gar nicht. Viel lieber werden sie nach Russland verkauft, wie einige ausgediente Exemplare, die auf den weiten kalten Flüssen im Osten ihr Gnadenbrot bekommen oder auch moderne Konstruktionen von Frachtschiffen mit hohen Eisklassen. Welch Frevel, dann zu glauben, die Spitzenklasse der Schiffbauindustrie sei von Haus aus russisch. Lauri zeigt eine technikpatriotische Haltung, die nicht ungewöhnlich ist. Hochqualitative Produkte aus dem Elektronikbereich, aber auch der Metall- und Papierindustrie haben Finnland in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts international bekannt gemacht. Oft in der Hand gehabt und sicher selten beachtet: Die Deckel vieler Pappbecher auch in Mitteleuropa tragen die Aufschrift des finnischen Verpackungsunternehmens Huhtamäki. Oft unter den Füßen gehabt und ebenso übersehen: Fahrstühle und Rolltreppen der finnischen Firma Kone.

      Der Kaffee ist zwar nicht so richtig finnisch, aber das macht nichts. Er ist finnisch genug. Der Präsident ist natürlich auch finnisch, obwohl er erstaunlich viel Russisches an sich hat. Nachdem Finnland nämlich 1917 seine Selbstständigkeit erklärt hatte (siehe »Feierst du mit?«), sind die Befugnisse des früheren russischen Generalgouverneurs zum großen Teil auf den Präsidenten übergegangen. Nach mehreren Verfassungsänderungen verfügt der Präsi-dent heute über weniger Kompetenzen als früher. So vertritt zum Beispiel nicht mehr er, sondern der Ministerpräsident Finnland im Europäischen Rat. Der Präsident ist aber nach wie vor Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Und der Präsidentenpalast direkt gegenüber dem Marktplatz wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Zar Alexander II. genutzt (mehr zum Verhältnis der Finnen zu den Russen in der Episode »Wo liegen die finnischen Wurzeln?«). Insofern ist es sicher manchmal kompliziert, zu erkennen, was »eigentlich« finnisch ist. Dass es den Finnen zumindest früher ähnlich ging, legt ein viel zitierter Ausspruch aus der Mitte des 19. Jahrhunderts nahe: Schweden sind wir nicht, Russen wollen wir nicht werden, also lasst uns Finnen sein!

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