Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Lenelotte MöllerЧитать онлайн книгу.
strebte er eine Verbindung zwischen extrem linken mit national-konservativen Positionen an und zeigt sogar antisemitische Tendenzen.
Ab 1933 bemühte er sich um die Verbindung zwischen konservativen und linken Oppositionsgruppen. 1937 reiste er nach Paris, um sich mit dem Emigranten und Gesinnungsgenossen Karl Otto Paetel sowie dem Mitarbeiter im Reichsluftfahrtministerium Harro Schulze-Boysen zu treffen. Im März 1937 wurde Niekisch inhaftiert. In seinem Prozess vor dem Volksgerichtshof wurde vor allem sein ungedrucktes Manuskript »Geheimnis des Reichs« als Beweis seiner konspirativen Tätigkeit herangezogen. (Dieses Buch erschien nach dem Krieg mit dem Titel: »Das Reich der niederen Dämonen. Eine Analyse des Nationalsozialismus«.)
Das Urteil fiel 1939 und lautete auf lebenslange Zuchthausstrafe. 1945 wurde er von der Roten Armee befreit, war aber durch die Behandlung in der Haft gesundheitlich schwer angeschlagen.
Er trat in die DKP ein und wurde Mitbegründer der DDR. Doch 1955 trat er, tief enttäuscht, aus der SED aus und verließ gar 1963 die DDR. Er starb in Berlin (West) am 23. Mai 1967.
Quellen und Literatur: Ernst Niekisch: Der Weg der deutschen Arbeiterschaft zum Staat. Berlin-Hessenwinkel 1925; ders.: Grundfragen deutschen Außenpolitik. Berlin-Hessenwinkel 1925; ders.: Politik und Idee. Dresden 1929; ders.: Entscheidung. Berlin 1930; ders.: Der politische Raum deutschen Widerstands. Berlin 1931; Hans Buchheim: Ernst Niekischs Ideologie des Widerstands. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 5 (1957), S. 334–61; Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. München 1962; Uwe Sauermann, Ernst Niekisch und der revolutionäre Nationalismus. München 1985; Birgit Rätsch-Langejürgen: Das Prinzip Widerstand, Leben und Wirken von Ernst Niekisch. Bonn (Diss.) 1997; Hans Christoph Graf von Seherr-Thoß: Niekisch, Ernst. In: NDB 19 (1998), S. 227–229; Michael Pittwald: Ernst Niekisch. Völkischer Sozialismus, nationale Revolution, deutsches Endimperium. [PapyRossa-Hochschulschriften, Band 37] Köln (Diss.) 2002
Theodor Wolff
Theodor Wolff wurde 1868 als Sohn eines Kaufmanns in Berlin geboren und stammte aus einer jüdischen Familie. Nach dem Abitur absolvierte er eine Ausbildung im Mosse Verlag seines Vetters, war aber auch dem Theater sehr zugewandt. Er gründete mit anderen die »Freie Bühne«, ging aber dann als Kultur-Korrespondent nach Frankreich. Von 1906 bis 1933 war er Leiter des »Berliner Tageblatts«, das unter ihm zur wichtigsten Berliner Tageszeitung aufstieg. Diese war demokratisch-liberal und außenpolitisch gemäßigt ausgerichtet. In der Regierung des Kaiserreiches wurde es daher nicht geschätzt und im Ersten Weltkrieg vorübergehend verboten.
1918 gründete Wolff die Deutsche Demokratische Partei, die er allerdings 1926 im Streit um Zensurbedingungen wieder verließ. Von national-konservativen Kreisen wurde er angefeindet. Über die Nationalsozialisten schrieb er:
Diese Burschen wollen Erneuerer sein, dem deutschen Volk und der Welt das Neue bringen. Und sie haben noch nicht einmal die Haut und die Lüste eines Wildschweins, das vor 700 Jahren herumrodete, abgelegt. […] Der Nationalsozialismus ist, obgleich neben Komödianten, Strebern und naiven Enthusiasten einige anständige neurasthenische Talente sich zu ihm verlaufen haben, ein Tugendbund für jene Laster, falsches, eitles Prophetentum, Anstiftung zu Zwietracht, Gewalttat und Bürgerkrieg –, deren Adepten in Dantes Hölle […] eines besonderen Strafvollzuges teilhaftig sind. Keine geschliffene Phrase, keine dunstige Ideologie kann darüber hinwegtäuschen, dass er mit seinem Geschrei nach umstürzender Gewalt und mit seiner Rassenverhetzung die Rohheit, die Verblödung und die gemeinsten Pöbeltriebe anreizt und zu verbrecherischen Ausbrüchen treibt. Würde man eine Untersuchung vornehmen können, so würde man unter den von alten Weibern verhätschelten und von ungebildeten Großindustriellen protegierten Wanderpropheten des Nationalsozialismus nicht wenige pathologisch interessante Gehirne feststellen, und der verquollene Dampf, der von ihnen ausgeht, verbreitet sich über eine Masse, die auf jedes Betäubungsmittel reagiert. Die Benebelten, die mit Theorien nichts anzufangen wissen, greifen zum praktischen Revolver und schießen los. […].
Berliner Tageblatt, 59. Jg., vom 8. Juni 1930, zit. nach: Gotthard Schwarz, Theodor Wolff, S. 270
Nach der Machtübernahme Hitlers gelang ihm die Flucht über Tirol und die Schweiz nach Nizza, wo er mehr Bücher als Artikel verfasste. Nach dem Sieg Deutschlands über Frankreich versuchte Wolff, nach Amerika zu fliehen. Doch bevor dies gelang, wurde er von italienischen Beamten verhaftet und an die Gestapo ausgeliefert. Über Drancy wurde er in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. Dort schwer erkrankt, wurde er ins Jüdische Krankenhaus in Berlin verlegt und starb am 20. September 1943.
Quellen und Literatur: Theodor Wolff: Pariser Tagebuch. München 1908; zit. nach: Gotthard Schwarz: Theodor Wolff und das »Berliner Tageblatt. Eine liberale Stimme in der deutschen Politik 1906–1933. [Tübinger Studien zur Geschichte und Politik, Bd. XXV] Tübingen 1968; Wolfram Köhler: Der Chefredakteur Theodor Wolff. Ein Leben in Europa 1868–1943. Düsseldorf 1978; Bernd Sösemann: Theodor Wolff. Journalist, Weltbürger, Demokrat. Berlin 2004; ders.: Theodor Wolff. Ein Leben mit der Zeitung. Stuttgart 2012
Konrad Heiden
Konrad Heiden wurde am 7. August 1901 in München geboren. Sein Vater war Gewerkschaftssekretär, seine Mutter stammte aus einer jüdischen Familie. Heiden wuchs in Frankfurt auf und studierte nach dem Abitur in München Geschichte und Germanistik und gründete den Demokratischen Studentenbund. Noch vor dem Abschluss zog er allerdings letztlich die Arbeit als Assistent des Münchner Korrespondenten der »Frankfurter Zeitung« vor. So wurde er Redakteur in Frankfurt, später berichtete er aus Berlin. 1931 wechselte er zur Vossischen Zeitung, 1933 emigrierte er in die Schweiz. Im selben Jahr veröffentlichte er »Die Geschichte des Nationalsozialismus«. 1934 zog er nach Saarbrücken und schrieb »Der 30. Juni« [1934] unter dem Pseudonym Bredow, musste nach der Saarabstimmung 1935 die Stadt wieder verlassen und begab sich nach Paris. Er wurde Gründungs- und Vorstandsmitglied des »Bundes Freie Presse und Literatur im Exil«. 1936 erschien in Zürich sein seit mehreren Jahren recherchiertes Buch »Adolf Hitler. Das Zeitalter der Verantwortungslosigkeit. Eine Biographie.« Im folgenden Jahr die Fortsetzung: »Adolf Hitler. Eine Biographie. Ein Mann gegen Europa.« Nach einigen Gefolgsleuten, deren Kurzbiographien die NSDAP als Truppe von Gescheiterten erweisen, stellt er Hitler in deren Reihe:
Und nun noch einer: Realschüler, verlässt die Schule aus Trägheit vor dem Examen, an der Kunstakademie und der Architekturschule abgewiesen, nacheinander Gelegenheitsarbeiter am Bau und in der Fabrik, Ansichtskartenzeichner und Stubenmaler, mehrere Jahre lang Insasse eines Männerasyls, 1914 bis 1920 Soldat, dann ohne Beruf, von Freunden unterstützt, politischer Agitator – dieses Lebensbild Adolf Hitlers ist geradezu Krone und Vorbild für die Lebensläufe all dieser Deklassierten, die als sogenannte Führer der nationalsozialistischen Partei Unterschlupf gefunden haben.
Gegen Ende des ersten Bandes anlässlich der Übernahme des Reichskanzleramtes durch Hitler resümiert Heiden:
Er wurde im steilen Aufstieg nur, was er wirklich war und wozu die Natur ihn gestempelt hat: ein Herrscher mit Bettlerinstinkten. Er konnte von Haus aus nur absolut sein, sei es Fürst oder Vagabund. Er kann nicht leben, ohne tun zu dürfen, was er will; aber er muss das Gefühl haben, dass alle es ihm erlauben. In seinem tiefsten Empfinden kein Herr, sondern eben »Führer«; geht nur voran, wenn er weiß, dass ihm andere folgen. In der Einsamkeit ein Hocker und Träumer, vor der Masse ein gewaltiger Streber. Kein Alleingänger, sondern ein Alleinsitzer. Es ist Deutschlands Tragik, in der zwielichtigen Epoche seiner Geschichte, daß sechs Jahrzehnte Kaiserreich es an Gehorsam gewöhnten, aber keinen echten Herrn hervorbrachten. Darum das Zeitalter der dämonischen Hanswürste.
Heiden, Hitler, Bd. I, S. 235 und 323
1939 wurde Heiden in einem französischen Lager interniert, doch gelang ihm die Flucht nach Lissabon und von dort in die USA. In New York und später in South Orleans verfasste er noch einige Bücher und Artikel. Auch reiste Heiden noch einmal nach Deutschland.
Quellen