Reisen ans Ende der Welt. Ibn BattutaЧитать онлайн книгу.
die nun einmal zum Lebensstil eines Orientalen gehörten. In Agades erreichte ihn das Schreiben des Sultans von Marokko, was für die hervorragende Nachrichtenverbindung jener Zeit spricht, und das ihn zur Rückkehr bewog. Glücklicherweise zog er im Monat Ramadan durch das Hoggargebiet, wo er in dieser einzigen ruhigen Zeit des Jahres von muslimischen Wüstenräubern verschont blieb, die dieses Fest ebenfalls respektierten. Zwei Jahre nach dem Aufbruch zu dieser letzten Reise traf er schließlich Ende Dezember 1353 wieder in Marokko ein.
Genügsam wie die Kamele, die er zu betreuen hat, lebt dieser Beduinenjunge in der Steppe, immer aber die Hand nach einem Bakschisch ausstreckend.
Noch 22 Jahre lebte er in seiner alten Heimat und genoss dort große Ehren. Im Jahre 1377 rief Allah seinen strenggläubigen, aber doch lebensgewandten Diener für ewig in das von seinem Propheten Mohammed gepriesene Paradies.
Ein Mann von Intellekt
und Wissbegierde
Ibn Battutas Reiseberichte sind nicht allein für die Wissenschaft von Bedeutung, gab er doch genaue Beschreibungen von Land und Leuten seiner Zeit, sondern auch für den an frühen Entdeckungen und Abenteuern Interessierten, der hier in ein Jahrhundert zurückversetzt wird, das reich an politischen Ereignissen und kulturellen Schöpfungen in Asien war, aber auch bereits den Aufbruch der Kulturvölker, die Welt näher zu erforschen, einleitete.
Ibn Battuta verfällt nicht dem Reiz, seine Berichte mit Übertreibungen oder Märchen auszuschmücken, sondern bleibt stets auf dem Boden der Tatsachen oder zumindest des ihm Mitgeteilten. Abweichungen davon sollten daher nicht überbewertet werden. Wenn er nämlich beim Besuch Ceylons den Adam’s Peak, der damals Serendib genannt wurde, besteigt und von ihm glaubt, er sei der höchste Berg der Welt, so mag ihn der Eindruck überwältigt haben, den er bereits auf der Anfahrt vom Meer aus hatte, und der bei einer Erhebung von 2243 Metern über dem Meer, aus dem dieser Berg scheinbar unmittelbar emporstrebt, auch einen modernen Menschen zu falschen Schätzungen verleitet. Wenn Ibn Battuta dennoch einmal der durch Jahrhunderte der Seefahrt spukenden und aus den Erzählungen von Tausendundeiner Nacht bekannten Sage vom Vogel Rock verfällt, so muss man die ganze Mentalität der Leute des Mittelalters verstehen, die auf kleinen, leichten Schiffen im riesigen, von seinem Umfang nur wenig bekannten Meer stets in Furcht vor dem Unbekannten und dem Gigantischen lebten. Inmitten einer Schar zitternder und sich verloren glaubender Seeleute mag schließlich auch Ibn Battuta von der allgemeinen Psychose angesteckt worden sein und in einer atmosphärischen Erscheinung jenes legendäre Riesentier erblickt haben.
Neben solchen meist persönlichen Impressionen darf man jedoch Ibn Battutas Berichten den Glauben schenken, der bei fast allen arabischen Reisenden jener Jahrhunderte angebracht ist, zumal sich auch Vergleiche anbieten, die viele seiner Behauptungen bestätigen. Seine Fahrten übertreffen an Entfernung und Zeitdauer die weltberühmt gewordene Reise Marco Polos und sind in ihrem literarischen Ertrag zumindest ebenbürtig, trotzdem aber auch heute noch nur einem recht kleinen Kreis geläufig. Dies mag auch darin begründet sein, dass sich im Werk Ibn Battutas, das sich ja aus mehreren Einzelarbeiten zusammensetzt, viele Schilderungen jener Gegenden des Vorderen Orients befinden, die weitgehend bekannt sind und es damals schon waren, zum anderen Ibn Battuta nicht immer die zeitliche Folge einhält und in spätere Abschnitte Reflexionen früherer Erlebnisse einbaut. So hatten bisher alle Herausgeber bei der Einordnung des tatsächlichen Ablaufs der Ereignisse einige Schwierigkeiten. Die mangelnde Kenntnis Ibn Battutas und seines Lebenswerks dürfte auch darin begründet sein, dass man in Europa und damit im nichtmuslimischen Bereich keinen allgemeinen Kontakt zu arabischen Schriftstellern besaß, weshalb ein Ibn Battuta im Schatten Marco Polos verschwand, der in dem geistig aufblühenden Italien seiner Zeit eine gute Ausgangsbasis für die Aufnahme seiner Erlebnisse vorfand.
Die Schwierigkeit bei der Einordnung der Berichte Ibn Battutas erklärt auch, weshalb sich die bisherigen Veröffentlichungen meist über mehrere Jahre erstreckten. Vier Bände gaben C. Defremery und B. R. Sanguinetti zwischen 1853 und 1858 in Paris heraus, und auch die Gesamtausgabe von Sir Hamilton Gibb, »The Travels of Ibn Battuta«, nahm die Jahre 1958 bis 1971 in Anspruch.
Wenn nun nachfolgend der größte Weltreisende des Mittelalters zu Wort kommt, so muss dies im Rahmen einer Auswahl und nicht eines umfassenden Werkes geschehen. Von der Bedeutung her gesehen, wird seine wichtigste und zeitlich längste Reise, der Besuch und Aufenthalt in Indien wie auch die Fahrt nach China und die Rückkehr über die indonesische Inselwelt, den größten Raum beanspruchen. Mit dieser Reise und ihrer Beschreibung hat nämlich Ibn Battuta die bis dahin traditionellen Gebiete arabischer Geographen überschritten und seiner islamischen Welt erstmals ein umfassendes Bild jener Länder vermittelt, die zwar den Händlern nicht mehr unbekannt waren, aber für die Mehrzahl seiner Zeitgenossen jenseits des eigenen Vorstellungsbereichs lagen. Wo andere, auch noch für den modernen Leser interessante Momente und vielleicht kuriose Erlebnisse Ibn Battutas gegeben sind, sollen sie in geraffter Form und in Auszügen ein Bild von der Vielgestaltigkeit jener spätmittelalterlichen Zeit, in der sich bereits ein Umbruch andeutet, vermitteln.
Zwischen Marokko und Indonesien leben rund 400 Millionen Menschen, die sich zum Islam bekennen. Die Moschee ist, von Mohammed eingeführt, Mittelpunkt des religiösen Lebens. Zu den berühmtesten zählt die Omar-Moschee in Jerusalem.
Zum Verständnis zahlreicher Kommentare Ibn Battutas soll noch darauf verwiesen werden, dass der Araber ein strenggläubiger Muslim war. Wenn er sich unterwegs einen eigenen Harem zulegt, wenn er sich junge, hübsche Sklavinnen kauft und behauptet, dass es für ihn eine Selbstverständlichkeit sei, täglich mit all seinen Frauen und Konkubinen zu schlafen, so ist dies für ihn und seine Religion durchaus nicht unsittlich. Auch seine geradezu bestürzende Teilnahmslosigkeit, als ihm eine solche Frau eine Tochter schenkt, lässt sich nur aus der Gesamthaltung des Muslims zu weiblicher Nachkommenschaft erklären. Hingegen spricht er mit Leidenschaft gegen die Unzucht, die ihm besonders in den unbekleidet umhergehenden Frauen Afrikas entgegentritt; hier ist es nicht das Geschlechtliche, sondern die Nacktheit, die den an verschleierte, ja fast vermummte Frauen gewöhnten Muslim abstößt, während Sklavinnen und Dirnen ihre ganzen Reize in der Öffentlichkeit demonstrieren dürfen.
Schließlich soll nicht übersehen werden, dass Ibn Battuta auf seinen Reisen Handel trieb, dass er also von Geschäften und Gewinn abhängig war. Auch diese Tatsache findet immer wieder ihren Niederschlag in Äußerungen und Bewertungen. Als Rechtsgelehrter und mehrfacher Mekkapilger genoss er außerdem an Fürstenhöfen im islamischen Bereich besondere Achtung. Es ist daher verständlich, wenn er einen Khan oder Sultan vornehmlich danach beurteilt, wie sich dieser ihm gegenüber verhält. Je reichhaltiger die Geschenke und je eindrucksvoller die Freizügigkeit, die ihm widerfuhr, desto günstiger lauteten die Prädikate, die Ibn Battuta einem Gastgeber zu verleihen bereit war. Knausrige Potentaten hingegen konnten nicht mit der literarischen Gunst des schon zu seinen Lebzeiten geschätzten Arabers rechnen. Geschenke, Bestechungen und überschwängliche Lobhudeleien haben noch in der Gegenwart im Orient einen anderen Stellenwert als im Abendland.
Trotz allem steht fest, dass die geistige Welt mit Ibn Battuta einen Autor besitzt, der an Mut, Wissbegierde und am konsequenten Festhalten seines Ziels, auch bei schweren persönlichen Rückschlägen, den großen Entdeckern und Weltreisenden ebenbürtig ist, die meisten von ihnen aber an Intellekt und an der Fähigkeit, seine Eindrücke schriftlich festzuhalten, in den Schatten stellt.
Der Kenner arabisch-islamischer Dichtung, die sich durch blumenreiche Sprache und vielgestaltige Bilder auszeichnet, wird solches bei Ibn Battuta vermissen. Dieser Araber hatte nie im Sinn, seinen Zeitgenossen und der Nachwelt ein literarisches Denkmal zu schenken. Ihm ging es allein darum, seine Erlebnisse und Eindrücke aus fremden Ländern festzuhalten, dazu zwar den Wortschatz seiner damals hochentwickelten Muttersprache auszuschöpfen, jedoch keine dichterische Großtat zu liefern. Ibn Battuta bleibt stets sachlich, manchmal vielleicht sogar zu nüchtern. Aber gerade diese Tatsache macht seine Niederschrift auch noch für