Reisen ans Ende der Welt. Ibn BattutaЧитать онлайн книгу.
will, wird sich daher immer innerhalb der Grenzen dieser Tatsachen zu bewegen haben.
Es erschien notwendig, verschiedene Namen und Begriffe zu erläutern. Um historische Fakten und die geographische Lage sichtbar zu machen, mussten die Bezeichnungen zahlreicher Städte, Flüsse und Gegenden durch den modernen Ausdruck ergänzt werden. Um aber den Fluss der Darstellung nicht durch einen Anmerkungsapparat zu stören, wurden diese Erklärungen in Klammern gesetzt und sehr kurz gehalten. Weitere Erläuterungen geographischer und anderer Begriffe sind am Schluss des Buches zu finden. Dem Interessenten, der sich näher mit Ibn Battuta, seiner Zeit und den arabischen Reisenden des Mittelalters beschäftigen möchte, soll das Literaturverzeichnis weitere Hinweise geben.
Am Ende dieser Einleitung sei noch ein Wort erlaubt. Indem Ibn Battuta seine Erlebnisse dem Dichter Ibn Djuzayy diktierte, vermuten manche, die literarische Arbeit sei nur jenem – modern ausgedrückt – »Ghostwriter« zuzuschreiben. Aber gerade dies dürfte nicht zutreffen; denn arabische Poeten sind für ihre äußerst blumenreiche Sprache bekannt, und bei einem solchen Thema wäre sicher jeder Dichter der Versuchung verfallen, das ganze Reservoir der arabischen Sprache auszuschöpfen. Da dies aber nicht der Fall ist, darf man mit Recht annehmen, dass in diesem Werk Ibn Battuta selbst spricht.
Hans D. Leicht
Chorasan
und Transoxanien
Durch Steppe und Wüste
Im Namen Gottes des gnädigen Erbarmers, des Allmächtigen! Gott segne unseren Herrn Mohammed, seine Familie und seine Genossen und gebe ihnen Heil!
Zehn Tage nach unserem Aufbruch von Al-Sara, der Residenz des Sultans Uzbek (Sarai, auf der Ostseite der Wolga, in Höhe des heutigen Wolgograd), trafen wir in Sarachuq ein, das am Ufer des großen und wasserreichen Flusses Ulusu (Ural) liegt, den wie in Bagdad eine Schiffsbrücke überquert. Hier war unseren Pferden als Zugtieren eine Grenze gesetzt. So entlohnten wir die Pferdeführer und mieteten Kamele.
Nach einem kurzen Aufenthalt in dem von einem alten und frommen Türken geleiteten Hospiz brachen wir wieder auf. Dreißig Tage lang waren wir dann unterwegs, angestrengt marschierend, mit nur zweistündiger Rast am Tag. Lediglich zum Zubereiten der Mahlzeiten machten wir eine längere Pause. Jeder von uns aß und schlief in seinem Wagen, auch wenn dieser durch die Steppe holperte. Bei mir im Wagen hatte ich drei Sklavinnen. Denn in dieser Wildnis reist man möglichst schnell, weil keine Herbergen zur Verfügung stehen und man auf die einzelnen Wasserstellen angewiesen ist, die eine Strecke von zwei oder drei Tagen auseinanderliegen.
Auf diese Weise kamen wir schließlich nach Chwarizm (Urgentsch), der größten, schönsten und bedeutendsten Stadt der Türken. Hier gibt es prächtige Basare, breite Straßen, viele Gebäude und Einrichtungen, die der Behaglichkeit dienen. Wie ein aufgewühltes Meer wogt die Masse der Bevölkerung durch diese Stadt. Als ich eines Tages mit dem Pferd ausritt und in den Basar kam, musste ich mein Vorhaben nach halbem Weg aufgeben, so sehr war ich von der Menge eingekeilt. Auch der Weg zurück war mir versperrt. Es blieb mir nichts anderes übrig, als mit größter Geduld zu warten, bis sich eine Möglichkeit bot, nach langer Zeit und mit erheblichen Schwierigkeiten den Rückzug anzutreten. Ich folgte einer Empfehlung und besuchte an einem Freitag den Basar, wo er weniger bevölkert war. Da konnte ich dann bis zur großen Moschee und ihrer Koranschule vordringen.
Die Stadt gehört zum Herrschaftsbereich von Sultan Uzbek, der hier durch seinen Emir Qutludumur repräsentiert wird. Er war der Erbauer der Koranschule, während seine fromme Frau Turabak die Moschee errichten ließ. Der Emir, ein Verwandter des Sultans, ist Gouverneur von Chorasan.
Kadi Abu Hafis Omar, der mich in sein prächtiges Haus eingeladen hatte, berichtete mir, dass der Emir bereits von meiner Ankunft unterrichtet worden sei, mich aber hier nicht besuchen könne, da er sich von einer Krankheit noch nicht erholt habe. So begab sich der Kadi mit mir in die Residenz. In einer kleinen, reich geschmückten Halle empfing uns der Emir. Er saß auf einem Seidenteppich und hatte eine Decke über seine Beine gebreitet, da er an Gicht litt, einem unter den Türken sehr verbreiteten Leiden. Ich musste ihm vom Sultan, von meinen bisherigen Reisen und der Stadt Byzanz erzählen. Anschließend wurde auf goldenen und silbernen Schüsseln ein reichhaltiges und hervorragend schmeckendes Mahl aufgetragen.
In die Herberge, die sich in der Schule befand, zurückgekehrt, erhielten wir vom Gouverneur reiche Geschenke, darunter auch Lebensmittel und Brennmaterial. Nach einem Freitagsgebet in der Moschee erklärte mir Kadi Abu Hafis, dass der Emir Anweisung gegeben habe, mir 500 Dirhams zu schenken und für mich ein Bankett, ebenfalls im Wert von 500 Dirhams, vorzubereiten, an dem die Scheichs, Gelehrten und Persönlichkeiten der Stadt teilnehmen sollten. Ich begab mich zu ihm und sagte ihm: »O Emir, du lässt ein Bankett für mich bereiten, bei dem doch alle Teilnehmer nur ein wenig essen können. Wenn du jedem seinen Anteil an Geld geben würdest, so hätte er mehr davon.«
Dies tat er dann auch. Ich erhielt aber auch tausend Dirhams und kaufte mir ein vorzügliches Pferd, das mich für die nächsten drei Jahre begleiten sollte. Die Frau des Kadis schickte mir hundert Silberdinare, und ihre Schwester Turabak, die Frau des Gouverneurs, gab mir zu Ehren ein Bankett, an dem dann die schon erwähnten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens teilnahmen. Sie sandte mir auch ein Pelzgewand und ein vortreffliches Pferd, die tugendhafteste, frömmste und großzügigste aller Frauen – Gott möge ihr alles Gute angedeihen lassen!
Die in Chorasan wachsenden Melonen sind unübertrefflich, vielleicht noch mit jenen von Buchara oder Isfahan zu vergleichen. Ihre Schale ist grün und das extrem süße Fleisch von roter Farbe. Sie werden in Streifen geschnitten, an der Sonne getrocknet und in Körbchen nach Indien und China exportiert. Während meines Aufenthalts in Delhi wurden mir immer wieder solche Melonenstreifen zu den Mahlzeiten vorgesetzt.
Zu meiner Weiterreise mietete ich Kamele und kaufte eine Doppelsänfte. Die Diener ritten einige der Pferde, während der Kälte wegen die anderen Tiere in Pferdedecken gehüllt wurden. So brachen wir in die Wildnis Chorasmiens auf, einen 18-Tage-Marsch durch unbewohnte Sandgebiete vor uns.
Nach vier Tagen erreichten wir die Stadt Al-Kat, den einzigen Ort an dieser Strecke (die alte Hauptstadt von Chorasmien, auf dem rechten Ufer des Amu-Darja, etwa 50 km nordöstlich von Chiwa). Wir kampierten außerhalb der Stadt an einem See, der zugefroren war. Die Buben spielten und rutschten darauf herum. Der Richter von Kat hatte von meiner Ankunft erfahren und suchte mich auf, wobei ihn die Theologiestudenten und die Scheichs der Stadt begleiteten. Auch der Emir erschien bei mir mit seinen Offizieren und Dienern. Obwohl wir rasch weiterreisen wollten, drängte er mich, ihm zu Ehren an einem Bankett teilzunehmen, bei dem die in der Stadt lebenden Dichter ihre Verse rezitierten.
Sechs Tage lang ging es dann durch die Wüste, in der es keinen Schluck Wasser gab. Eine Tagesreise vor Buchara kamen wir in die hübsche Stadt Wabkana, die zahlreiche Wasserläufe und Obstanlagen besitzt. Ihre Bewohner pflanzen vor allem die Pflaume an, die sie als Trockenfrucht nach Indien und China ausführen. Im grünen Zustand ist diese Pflaume süß, getrocknet besitzt sie jedoch eine scharfe Säure, die, mit Wasser vermischt, getrunken wird. Mir ist aus Spanien oder Marokko nichts dergleichen bekannt.
Durch eine dichtbesiedelte und kultivierte Gegend mit Wäldern und Flüssen waren wir einen Tag lang unterwegs, um nach Buchara zu gelangen. Dies war einst die Hauptstadt der Länder jenseits des Oxus (Amu-Darja), bevor sie vom verfluchten Dschingis Khan, dem Tataren, zerstört wurde. Mit wenigen Ausnahmen liegen daher heute ihre Moscheen, Schulen und Basare in Schutt und Asche. Auf ihre Bewohner blickt man jetzt verächtlich herab, und ihr Wort hat keine Geltung mehr. Sie legen falsches Zeugnis ab und halten es mit der Wahrheit nicht genau. Nicht ein Mensch hat eine religiöse Erziehung mehr oder bemüht sich auch nur um eine solche.
Araber beim Hüten der Kamele
(Schule von Bagdad, 13. Jahrhundert)
Das