Der Goldkäfer. Эдгар Аллан ПоЧитать онлайн книгу.
dich auf dem Ast so weit wie möglich herausarbeitest. Wenn du etwas Ungewöhnliches siehst, teile es mir mit.“
Wenn ich bisher noch ein wenig an meines Freundes Geistesverwirrung gezweifelt hatte, so war das jetzt endgültig vorbei. Es gab keine andere Möglichkeit, als ihn für wahnsinnig zu halten, und ich machte mir ernsthafte Sorgen, wie ich ihn nach Hause bringen sollte. Während ich noch nachdachte, was am besten zu tun sei, hörten wir wieder Jupiters Stimme.
„Ich sehr fürchten, auf diesem Ast weit vorzugehen – er vollständig abgestorben sein.“
„Sagtest du, der Ast wäre abgestorben, Jupiter?“, fragte Legrand mit zitternder Stimme.
„Ja, Massa, er tot wie ein Türnagel – ganz bestimmt – sein Leben vorbei.“
„Was in Himmels Namen soll ich nun anfangen?“, fragte Legrand anscheinend in höchster Verzweiflung.
„Anfangen?“, sagte ich erfreut, weil ich eine Gelegenheit fand, mich einzumischen. „Natürlich nach Hause gehen und sich zu Bett legen. Kommen Sie mit, seien Sie vernünftig. Es ist sehr spät, und denken Sie an Ihr Versprechen.“
„Jupiter“, schrie er, ohne mich im Geringsten zu beachten, „kannst du mich hören?“
„Ja, Massa Will, ich Sie hören ganz deutlich.“
„Untersuche einmal genau das Holz mit deinem Messer und sage mir, ob du es für sehr morsch hältst.“
„Es sein sicher morsch, Massa“, antwortete der Neger etwas später, „aber doch nicht so morsch, als ich gedacht haben. Allein können ich mich sicher etwas hinauswagen.“
„Allein? – Was meinst du damit?“
„Nun, ich meinen das Käfer. Es sein sehr schweres Käfer. Wenn ich ihn zuerst fallen lassen, dann der Ast werden nicht brechen vom Gewicht von einem Nigger.“
„Du verdammter Schurke!“, rief Legrand, offenbar sehr erleichtert. „Was soll das heißen, dass du mir solchen Unsinn erzählst? Wenn du dich unterstehst, den Käfer fallen zu lassen, schlage ich dir den Schädel ein. Gib acht, Jupiter, hörst du, was ich sage?“
„Ja, Massa brauchen armen Nigger nicht so anzubrüllen.“
„Nun, dann pass auf! Wenn du dich, so weit du es für sicher hältst, auf den Ast hinauswagst und den Käfer nicht fallen lässt, werde ich dir einen Silberdollar schenken, sobald du herabkommst.“
„Ich gehen vor, Massa Will“, antwortete der Neger sehr bereitwillig. „Ich jetzt ganz am Ende sein.“
„Ganz am Ende?“ Legrand schrie jetzt förmlich. „Sagtest du, dass du am Ende des Astes bist?“
„Fast am Ende – oh, oh, oh! Barmherziger Gott, was sein auf dem Ast?“
„Nun?“, rief Legrand höchst entzückt, „was gibt es da?“
„Es sein nur ein Schädel – jemand seinen Kopf auf dem Ast gelassen und die Krähen alles Fleisch davon gegessen.“
„Ein Schädel, sagst du? – Sehr gut! – Wie ist er an dem Ast befestigt? Was hält ihn fest?“
„Wahrhaftig, Massa, ich müssen sehen. Aber dies sein merkwürdig – da sein ein sehr dicker Nagel in dem Schädel, der ihn an dem Zweig festhalten.“
„Und nun, Jupiter, tu genau, was ich dir sage. Hörst du mich?“
„Ja, Massa.“
„Also, gib acht. Suche das linke Auge des Schädels.“
„Hm, ja! Aber er haben ja kein linkes Auge mehr.“
„Verfluchter Dummkopf! Du weißt doch, was deine rechte und was deine linke Hand ist?“
„Ja, ich das wissen – ich das alles wissen – mit linker Hand ich spalten Holz.“
„Natürlich, denn du bist linkshändig! Und dein linkes Auge ist auf derselben Seite wie deine linke Hand. Jetzt, denke ich, kannst du das linke Auge von dem Schädel finden, oder vielmehr den Platz, wo es gesteckt hat. Hast du es gefunden?“
Hier folgte eine lange Pause. Endlich fragte der Neger: „Sein das linke Auge von dem Schädel auf derselben Seite, wo die linke Handseite von dem Schädel gewesen? Denn das Schädel haben überhaupt keine Hand – aber das machen nichts. Ich nun das linke Auge gefunden – hier sein das linke Auge. Was sollen ich machen mit ihm?“
„Lass den Käfer hindurchfallen, so weit die Schnur reicht. Aber nimm dich in acht, dass du die Schnur festhältst.“
„Alles getan, Massa Will. Sehr leichte Sache, den Käfer durch das Loch zu lassen – sehen ihn jetzt unten hängen.“
Während der ganzen Unterredung war von Jupiter nichts zu sehen gewesen. Aber der Käfer, den er herabgelassen hatte, wurde nun am Schnurende sichtbar und glitzerte wie eine Kugel von flammendem Gold in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne, die noch gerade mit einem Schimmer die Höhe traf, auf der wir standen. Der Käfer hing ganz frei von Zweigen und wäre, wenn man ihn losgelassen, gerade vor unsere Füße gefallen. Legrand nahm sofort die Sense und mähte damit gerade unter dem Insekt einen Kreis von drei oder vier Metern im Durchmesser ab. Dann befahl er Jupiter, den Käfer fallen zu lassen und herabzukommen.
Nunmehr trieb mein Freund genau an der Stelle, wo der Käfer hingefallen war, einen Pflock in die Erde und nahm aus seiner Tasche ein Maßband. Indem er ein Ende davon an der Stelle des Baumes befestigte, die dem Pflock am nächsten war, rollte er es weiter ab und legte es in der Linie, die durch den Baum und den Pflock gegeben war, auf eine Entfernung von fünfzig Fuß hin, wobei Jupiter den Weg von Brombeeren frei machte. Auf dem nun erreichten Punkte wurde ein zweiter Pflock in den Boden getrieben und um ihn herum als Mittelpunkt ein Kreis von etwa vier Fuß im Durchmesser abgemäht. Legrand nahm nun einen Spaten, gab einen Jupiter und einen mir und bat uns, so schnell wie möglich zu graben.
Um die Wahrheit zu sagen, ich habe noch nie an einer solchen Beschäftigung große Freude gehabt und diesmal hätte ich sie sehr gerne verweigert. Die Nacht rückte auch heran und ich fühlte mich schon sehr ermüdet von der durchgemachten Anstrengung. Aber ich sah keine Möglichkeit, der Sache zu entgehen, und fürchtete mich, durch eine Weigerung meinen armen Freund erst recht zu erregen. Wahrhaftig, hätte ich mich auf Jupiters Hilfe verlassen können, ich würde ohne Zögern versucht haben, den Verrückten mit Gewalt nach Hause zu bringen. Aber ich kannte die Verfassung des alten Negers zu gut, um bei einem Kampf mit seinem Meister irgendwie auf seinen Beistand zu rechnen. Ich zweifelte nicht, dass Legrand von einer der im Süden so häufigen abergläubischen Ideen über vergrabene Schätze befallen war und dass seine Fantasie sich verstärkt hatte durch die Auffindung des Käfers und vielleicht auch durch den hartnäckigen Glauben Jupiters, der Käfer sei von purem Gold. Ein schon zum Wahnsinn geneigtes Gehirn konnte leicht durch solche Erlebnisse verführt werden – besonders wenn sie mit Lieblingsideen harmonierten – und dann rief ich mir auch wieder die Worte des armen Menschen zurück, der Käfer würde ihm den Weg zum Reichtum zeigen. Ich war durch all dies sehr traurig und verstört, beschloss aber endlich, aus der Not eine Tugend zu machen und bereitwillig zu graben, um auf diese Weise den Fantasten so schnell wie möglich durch den Augenschein von der Torheit seiner Idee zu überzeugen.
Die Laternen wurden angezündet und wir gingen alle mit einem Eifer an die Arbeit, der einer vernünftigeren Sache würdig gewesen wäre. Wie der Lichtschein so auf uns und unsere Arbeit fiel, musste ich unwillkürlich denken, wie malerisch doch unsere Gruppe sei und wie seltsam und unheimlich doch unsere Arbeit einem Wanderer erscheinen würde, der zufällig auf uns stieße.
Das Graben dauerte ununterbrochen zwei Stunden, wir sprachen wenig und machten uns nur Sorgen wegen des lauten Gebells des Hundes, der an unserem Unternehmen ein leidenschaftliches Interesse nahm. Er lärmte schließlich so sehr, dass wir fürchteten, er könnte in der Nähe befindliche Landstreicher anlocken – oder vielmehr war das die Besorgnis Legrands, denn ich wäre über jede Unterbrechung froh gewesen, die mir Gelegenheit gegeben hätte, den Irren nach Hause zu bringen. Jupiter verstand es, dem Lärm