Die Urgeschichte Europas. Reinhard PohankaЧитать онлайн книгу.
durch Hirsch und Reh ersetzt. Etwa um 4.000 v. Chr. hatten Klima, Vegetation, Fauna und Flora jenen Stand erreicht, der dem heutigen entspricht. Die Menschen hatten zu dieser Zeit begonnen, Einfluss auf die Gestaltung der Oberfläche Europas zu nehmen. Bereits die Jäger- und Sammlergesellschaften der Mittelsteinzeit, des Mesolithikums, hatten Wälder gerodet und eine Umgebung geschaffen, um jene Tiere anzulocken und heimisch zu machen, die ihre bevorzugte Jagdbeute war. Von 7.000 bis 3.000 v. Chr. breitete sich die Landwirtschaft in Europa aus und rodete Wälder, um Boden für Felder zu gewinnen. Dies führte in einigen Landschaften zur Erosion des Bodens und dessen Abtragung durch Wind und Wasser, wovon er sich in manchen Regionen Europas bis heute nicht erholt hat. Die Veränderung der Landschaft durch den Menschen erfolgte nicht allein durch seine Tätigkeit, auch die von ihm domestizierten Tiere wie Ziege, Schaf, Rind und Schwein nutzten das Land intensiv, fraßen die jungen ausgetriebenen Bäume und verwandelten so Waldflächen in Grasland. Wildtiere waren nicht länger nur Jagdwild, sondern auch Konkurrenten bei der Nahrungsgewinnung und wurden in einigen Fällen, wie beim Auerochsen, bis in die Ausrottung gejagt.
Die Klimaänderung nach der letzten Eiszeit hatte Europa zu einem Kontinent geformt, in dem die Besiedelung und Entwicklung durch den Menschen besonders rasch voranschreiten konnte. Nach neuen kulturhistorischen Erkenntnissen war dafür das Vorhandensein einer größeren Anzahl von domestizierbaren Tieren und von kultivierbaren Pflanzen verantwortlich, die es in dieser Menge in den östlich daran angrenzenden Regionen nicht gab.6
4Bourroughs, William James; Climate change in prehistory. The end of the reign of Chaos, Cambridge University Press 2005; Ludwig, Karl-Heinz; Eine kurze Geschichte des Klimas. Von der Entstehung der Erde bis heute, Herbst 2006
5Yanko-Hombach, Valentina; The Black Sea flood question: Changes in coastline, climate and human settlement, Springer, Dordrecht 2007
6Diamond, Jared; Arm und Reich. Die Schicksale menschlicher Gesellschaften, Ulm 1997
3. DER MENSCH KOMMT NACH EUROPA
(800.000–240.000 v. Chr.)
Die evolutionäre Phase, die zur Aufspaltung der Entwicklungslinien von Menschen und Schimpansen führte, datiert etwa sieben bis sechs Millionen Jahre vor unserer Zeit und führte in Afrika zu einer Anzahl von Arten, die den Hominiden (Menschenähnlichen) zuzurechnen sind.7 2,5 Millionen Jahre vor unserer Zeit war darunter eine körperlich relativ kleine, aber bereits mit einem größeren Gehirn ausgestattete Art, die zu unserer heutigen Spezies Homo gezählt wird: Homo habilis (geschickter Mensch) und sein Verwandter, Homo rudolfensis (Mensch vom Rudolfsee). Etwa zur selben Zeit begannen diese Arten mit der Herstellung und Verwendung von ersten Steinwerkzeugen in Form großer Kiesel, von denen man mit anderen Steinen Abschläge herunterschlug. Mit diesen Steinwerkzeugen beginnt die Altsteinzeit (Altpaläolithikum), die je nach Region bis etwa 300.000–200.000 v. Chr. andauern wird. Eine größere Spezies von Homo (Homo ergaster) erschien etwa 1,9 Millionen Jahre vor unserer Zeit, breitete sich von Zentralafrika kommend rasch aus und gelangte in einer ersten Wanderungswelle bis nach China und Java, aber nicht nach Europa. Dieser Vorgang wird sich schnell ändernden klimatischen Verhältnissen und dem Druck einer sich wandelnden Umwelt zugeschrieben. Vermutlich gab es starke Veränderungen im Verhalten der Spezies, wie die Annahme der Gewohnheit Fleisch zu essen, was zu einer Bevölkerungsvermehrung und zur Auswanderung in neue Gebiete führte. Vielleicht ab 1,6 Millionen Jahre vor unserer Zeit, mit Sicherheit aber erst vor 750.000 Jahren, begann der Mensch der Gattung Homo erectus das Feuer zu nutzen, um zu kochen, sich warmzuhalten oder sich gegen Fressfeinde zu verteidigen.8 Vor etwa 1,5 Millionen Jahren entwickelte Homo erectus neue fortgeschrittene Arten von Werkzeugen wie Faustkeile mit einer symmetrischen Form und einer scharfen Schneide, die sich für viele Arten von Arbeit eigneten, besonders aber zum Verarbeiten von Beutetieren.
Neuere Funde, besonders aus Georgien9 (Schädel fünf aus Dmanisi), könnten nahelegen, dass unsere ältesten Vorfahren nur einer Art des Homo erectus entstammten, und nicht mehreren, wenn man annimmt, dass die Unterschiede im Knochenbau, an den Zähnen und in der Schädelform einer Spezies größer waren, als man bisher angenommen hat.
Es ist noch nicht ganz gesichert, ab wann die Vorfahren des modernen Menschen begonnen haben, Europa zu besiedeln. Nach einigen Steinartefakten aus der Region des Mittelmeeres könnte man vermuten, dass dies zwischen 1,8 Millionen und einer Million Jahre v. Chr. geschehen ist. Die gesicherte und datierte Fundstelle Isernia La Pineta südlich von Rom deutet eher auf eine spätere Besiedelung um oder vor 750.000 v. Chr. hin. Die Fundstelle besteht aus Ablagerungen von Bisonknochen, unter denen sich einige tausend Abschläge und Steinwerkzeuge gefunden haben, leider gibt es von hier keine menschlichen Überreste. Andere Fundorte wie Soleihac in der Auvergne10 könnten je nach Interpretation auf eine Besiedelung ab 900.000 v. Chr. hindeuten und zeigen, welche Schwierigkeiten die Datierung dieses Ereignisses bildet, da der Mensch dieser Zeit nur wenige Spuren hinterlassen hat.
Vermutlich hat das damalige extreme Klima mit Durchschnittstemperaturen unter zehn Grad Celsius die Besiedelung Europas erschwert, sodass diese in einem größeren Unfang erst begann, als der Mensch das Feuer mit Sicherheit beherrschte. Die ersten archäologischen Spuren menschlicher Besiedelung stammen aus der Zeit um 800.000 v. Chr. aus Gran Dolina bei Atapuerca in Spanien, mit dem Fund von sechs Skeletten, die zu einer entwickelten Form von Homo ergaster gerechnet werden und auch unter Homo antecessor oder Homo mauritanicus klassifiziert werden. Schneidemarken auf den Knochen sowie die Art wie sie aufgebrochen wurden lassen vermuten, dass diese Menschen Opfer von Kannibalismus wurden. Ein weiteres Schädelfragment dieser Art und etwa in dieselbe Zeit datiert stammt aus Ceprano in Latium in Italien.
Archäologische Reste des Homo erectus sind in Europa nur wenige bekannt, ein gesichertes Fragment ist ein Unterkiefer aus einer Kiesgrube bei Mauer in der Nähe von Heidelberg, der einer Chronospezies des Homo erectus, dem Homo erectus heidelbergensis zugewiesen wird.11
Das Hauptkriterium der Veränderung der Spezies war weniger die Vergrößerung des Schädels und damit des Gehirnvolumens, sondern die Verringerung der Anzahl der Zähne. Die Schädel selbst bleiben robust mit dicken Knochen und vorgewölbten Augenwülsten, vom Skelettaufbau ist nur wenig bekannt. Auf Grund dieser Schädelreste, wovon die Mehrzahl ungefähr in die Zeit von 400.000 bis 200.000 v. Chr. eingeordnet werden können, wird diese Art des Homo erectus heidelbergensis als der archaische Typ des Homo sapiens angesehen, um ihn von den späteren Entwicklungen in Europa und besonders in Afrika zu unterscheiden.
Es ist bedingt durch die geringe Anzahl menschlicher Fossilien in Europa kaum möglich, eine chronologische und topographische Karte der Besiedelung dieser Zeit zu erstellen. Erst um 200.000 v. Chr. änderte sich die Situation, als sich die archaische Form des Homo erectus heidelbergensis zur am besten in Europa bekannten Art des Urzeitmenschen weiterentwickelt, dem Neandertaler (Homo neanderthalensis).
Es ist wahrscheinlich, dass die Technik der Steinbearbeitung bereits von Homo erectus aus Afrika nach Europa gebracht wurde. Produkte dieser Zeit werden dem Acheuléen zugerechnet, dessen Technik darin bestand, kleinere und größere Faustkeile und Schaber herzustellen. Die gesamte Altsteinzeit hindurch änderte sich an dieser Technik nur wenig, von einem Grundprodukt wurden Teile abgeschlagen, um ein Werkzeug mit Spitzen oder scharfen Kanten herzustellen. In Europa wurde dazu meist Feuerstein verwendet, wie er in Flüssen oder Gesteinsadern vorkommt. Wo solcher nicht vorhanden war, konnten Quarzite oder Hornstein verwendet werden. Die Produkte dieser Zeit sind dadurch charakterisiert, dass sie allgemein und für jede Art von Gebrauch verwendet werden konnten, eine Spezialisierung fand nicht statt.
In die Zeit des Jungacheuléen, es begann in der späten Riß-Kaltzeit und endete zu Beginn der letzten Kaltzeit, fällt der Übergang vom Homo erectus heidelbergensis zum Neandertaler, dabei gewannen die hergestellten Steinwerkzeuge weiter an Qualität. Besondere