Fürstenkrone 11 – Adelsroman. Viola LarsenЧитать онлайн книгу.
findet, und selbstverständlich komme ich für den hierdurch für Sie entstehenden finanziellen Schaden auf. Darüber hinaus werde ich persönlich bemüht sein, Ihnen geeignete Engagements über meine Agentur zu vermitteln.«
Betreten und ratlos sehen sich die Musiker an. Irgendwie fühlen sie sich alle an dem Misslingen des vergangenen Abends mitschuldig, und jeder von ihnen möchte dem Chef ein entschuldigendes Wort sagen.
Aber nur Rulle bringt den Mut dazu auf. Langsam hinkt der kleine, gebückte grauhaarige Mann zu Fürst Wolfhart hin.
»Das tut uns allen leid, Chef«, sagt er, »und mir am meisten! Wir alle sind nicht ohne Schuld, aber könnten wir nicht …?«
Flüchtig huscht ein Lächeln über Fürst Wolfharts ernstes Antlitz.
»Schon gut, Rulle«, unterbricht er dann freundlich den Alten. »Machen Sie sich weiter keine Gedanken, meine Herren. Die Sache ist für mich erledigt!« Damit neigt er leicht und grüßend das Haupt und wendet sich rasch ab.
Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in London sucht Fürst Wolfhart Sabrinas Appartement auf.
Totenblässe überzieht Sabrinas zarte Wangen, aber darauf achtet Fürst Wolfhart nicht. Höflich reicht er ihr die Hand, und genauso höflich und korrekt verbeugt er sich vor ihr.
»Willst du nicht Platz nehmen?«, fragt Sabrina. Sie zweifelt keinen Augenblick daran, dass sich diese Aussprache auf das Konzert des vergangenen Abends beziehen wird.
»Du hattest vollkommen recht, Sabrina«, beginnt der Fürst schließlich. »Ich werde das Moor eindämmen.«
Sabrina glaubt, Wolfhart nicht recht verstanden zu haben. »Ich verstehe dich nicht«, sagt sie hilflos.
Wolfhart lächelt flüchtig. »Doch, Sabrina, ich habe mir in der vergangenen Nacht alles ganz genau und reiflich überlegt. Es ist zweifellos eine lohnendere Aufgabe für einen Mann, Land zu schaffen und auf dieser gewonnenen Erde neues Leben zu erwecken, als durch die Welt zu reisen und für ein versnobtes und teilnahmsloses Publikum den Bajazzo zu spielen.«
»Wolfhart!«, begehrt Sabrina entsetzt auf. »Wie kannst du so sprechen? Gerade du, dem eine Welt zu Füßen liegt und …«
»Lass!«, unterbricht Fürst Wolfhart sie und bringt sie mit einer kurzen Handbewegung zum Schweigen. »Du musst nicht glauben, dass mich der Misserfolg des gestrigen Abends künstlerisch getroffen hat. Nein, nein, so ist das nicht, Sabrina! Ich überschätze mein Können nicht, aber ich weiß, was ich zu leisten vermag. Es ist etwas ganz anderes, was mich heimzukehren veranlasst!«
Jetzt, denkt Sabrina, und ihr Herz beginnt wie rasend zu pochen, jetzt wird er von der Prinzessin sprechen und mir sagen, dass zwischen ihnen alles wieder gut ist, dass er freiwillig auf seinen Künstlerruhm verzichtet, um an der Seite der geliebten Frau in der Heimat zu leben.
Aber zu ihrem Erstaunen spricht Wolfhart darüber nicht ein Wort, sondern erklärt ruhig: »Sicher gibt es überall auf der Welt Menschen, für die es sich lohnt zu spielen. Aber glaube mir, Sabrina, diese Menschen sind sehr, sehr selten. Was in den großen Städten der Welt in unsere Konzerte kommt, will lediglich dabei gewesen sein, verstehst du? Dieses Publikum geht genauso zum Pferderennen, zu einer Varietéveranstaltung oder zu einer Cocktailparty. Es kommt nicht, um sich der Musik hinzugeben, sondern, um zu sehen und gesehen zu werden.«
Ein Lächeln erhellt seine Züge.
»Nimm meine Worte jedoch nicht allzu ernst! Du stehst noch am Anfang deiner Laufbahn. Geh du den einmal beschrittenen Weg zu Ende!«
»Aber – aber da gibt es doch keinen Unterschied, Wolfhart!«, wirft Sabrina verständnislos ein.
Müde hebt Fürst Wolfhart die Schultern. »Für mich ist das alles ganz anders«, antwortet er. »Ich habe den Nektar des Ruhms gekostet, aber er schmeckt mir heute schal. Dennoch bin ich zu jung, zu kraftvoll, um mich tatenlos in der Einsamkeit zu vergraben.« Mit einem Ruck hebt er den Kopf, sieht Sabrina an und fährt mit erhobener Stimme fort: »Du warst es, die mir meine wahre Aufgabe gezeigt hat. Ich werde Land schaffen und bebauen, wie es meine Väter taten. Und ich werde das Moor auch bezwingen.«
»Oh, Wolfhart!«, flüstert Sabrina.
»Wolfhart …« Wie in einer Vision sieht sie die Heimat vor sich und kann sich lebhaft vorstellen, wie alles sein wird, wenn der Herr von Ravenhill erst einmal begonnen hat, das Moor zu zähmen.
Fürst Wolfhart erhebt sich indes aus seinem Sessel und beginnt im Zimmer hin und her zu wandern.
»Du aber wirst die Stufen des Erfolges emporsteigen, Sabrina, denn für dich ist der Ruhm noch verlockend«, fährt er fort. »Für dich lohnt es sich noch, der Kunst zu dienen, und ich bin der Letzte, der dich in deinem Willen behindern will. Vielleicht war es nicht recht von mir, die Leitung deiner Ausbildung zu übernehmen. Du warst mir zu vertraut, als dass ich ganz unvoreingenommen hätte sein können. Dein Start war gut, aber nun solltest du doch zu Prof. Braman gehen und dort noch ein oder zwei Jahre studieren. Dann sehen wir weiter. Ich bin überzeugt, dass die Tore der Welt dir danach offen stehen.«
Sabrina ist wie gelähmt. Wolfharts Worte haben sie wie Peitschenhiebe getroffen, muss sie doch annehmen, dass er sie mit voller Absicht aus seinem Leben ausschließt, um mit einer anderen Frau glücklich sein zu können.
»Ja«, sagt sie leise. »Ja, Wolfhart, ich – ich werde nach Luzern gehen.«
»Es ist schön, Sabrina, dass du so verständnisvoll bist. Ich habe bereits mit Walter Braman telefoniert, und er nimmt dich gern als Schülerin auf. Ich halte es für richtig, dass du unmittelbar von London aus nach Luzern fliegst. Glückauf, Moorprinzesschen!«, sagt er dann leise und verlässt rasch den Raum.
Erst als die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen ist, begreift Sabrina, dass dies ein endgültiger Abschied war. Laut aufschluchzend schlägt sie beide Hände vor ihr Gesichtchen.
Es kann nicht sein, hämmert ihr Herz in unsagbarer Qual. Ich habe Wolfhart doch lieb, und ich weiß auch, dass ich ihm nicht gleichgültig bin. Während unseres ersten Konzertes in Paris habe ich es ganz deutlich gespürt.
Ein Stöhnen entringt sich ihrer Brust, und heiße, brennende Tränen rinnen aus ihren Augen.
*
Sabrina ist bereits in ihrem blauen Reisekostüm und hält eine Reisetasche in der Hand, als sie Fürst Wolfhart in der Halle des Palace Hotels trifft. Mit einem leichten Neigen des Kopfes nimmt sie den Arm, den er ihr freundlich bietet, und ahnt nicht, welche Kraft es ihn kostet, ruhig und gelassen zu erscheinen. Sie spürt nicht, dass auch ihm der Abschied namenlos schwerfällt, und mit gesenktem Blick geht sie an seiner Seite in den Teeraum des Hotels, wo sie noch eine kleine Erfrischung einnehmen soll.
Sabrina wundert sich selbst darüber, dass ihre Augen trocken und tränenleer bleiben, obwohl heißes Weh ihr das Herz zusammenschnürt. Doch sie will nicht, dass Wolfhart davon etwas bemerkt. Da ihr keine Zeit mehr bleibt, sich von den einzelnen Mitgliedern des Orchesters zu verabschieden, bittet sie leise: »Bestelle bitte allen meine Grüße und meinen Dank für die kameradschaftliche Zusammenarbeit, Wolfhart. Grüße vor allem Rulle von mir.«
»Ach ja, Rulle«, sagt Wolfhart da. »Er ist der Einzige, um den ich mir echte Sorgen mache.«
Sabrina hebt den Kopf. »Warum nimmst du ihn nicht mit aufs Moorschloss?«, fragt sie. »Es gibt dort genug zu tun, und ich glaube, Rulle kann nur glücklich sein, wenn er in irgendeiner Weise für dich tätig sein kann.«
Sekundenlang leuchten Wolfharts Augen auf. »Du hast recht!«, gibt er zurück. »Ich werde Rulle mit mir nehmen! Auf dem Moorschloss haben wir Platz genug, und an Arbeit fehlt es auch nicht. Aber jetzt wird es Zeit, Moorprinzesschen!«, sagt er dann nach einem Blick auf die Uhr, steht auf und ergreift die Reisetasche. »Der Wagen wartet schon auf uns. Selbstverständlich werde ich dich begleiten.«
»Nein!«, wehrt Sabrina ab. »Lass nur!« Der Gedanke, während der langen Fahrtstrecke bis zum Flugplatz noch an der Seite des geliebten, aber für immer verlorenen Mannes sein zu müssen, erfüllt sie mit heißer Angst.
Aber