Fürstenkrone 11 – Adelsroman. Viola LarsenЧитать онлайн книгу.
und Bitterkeit mich erfüllen. In Tihany hörte er, dass seine Stiefmutter noch einmal dagewesen sei. Ein grimmiges Lächeln spielte um seine zusammengepressten Lippen. Sie würden sich alle wundern! Ein Graf Tihany ließ sich niemals kaufen! Auch nicht, wenn ein süßer Traum dabei zerrann und sein Herz vor Weh brach.
*
Jagdschloss Erlau lag – von unsichtbaren Scheinwerfern angestrahlt – in magischem Licht da, als sich die Gäste nacheinander einfanden. Man ging zu Fuß über die steinerne Brücke in den Innenhof, der wie ein Märchen aus uralten Zeiten anmutete.
Hier im Innenhof begrüßte der Hausherr an der Seite seiner Tochter und seines Sohnes die Gäste.
Baronesse Elga brauchte nicht zu befürchten, dass irgendeine Dame ihr den Rang ablaufen würde. Sie sah in ihrem lindgrünen Duchessekleid, das mit weißen Samtapplikationen verziert war, so zauberhaft aus, dass alle Blicke sekundenlang wie gebannt an ihrem Gesicht und ihrer Gestalt hingen.
Die vergossenen Tränen sah man ihr nicht mehr an, denn sie nährte in ihrem Herzen die Hoffnung, dass heute alles gut werde. Da Sandor Tihany die Einladung nicht abgesagt hatte, war sie gewiss, dass er käme. Und sie wollte gar nichts unversucht lassen, um ihn von ihrer ehrlichen Liebe zu überzeugen. Eine Gelegenheit dazu würde sich heute gewiss finden.
Ihre Ungeduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Die meisten Gäste waren schon da und hatten sich in den Park begeben. Hier hatte man auf einer weiten Rasenfläche kleine Tische aufgestellt, an denen das Abendessen eingenommen werden sollte. Bunte Lampions tauchten die ganze Szene in ein feenhaftes Licht. Durch Trauerweiden hindurch sah man den stillen See silbern schimmern.
In einem steinernen Pavillon, der etwas erhöht lag und dessen Decke von sieben Säulen getragen wurde, saß eine Tanzkapelle in malerischer Tracht, die zarte Weisen spielte.
Die Gäste waren allseits entzückt und ließen es an Lob nicht fehlen.
Gräfin Tihany war eine der Ersten gewesen. Sie sah sehr apart aus und erinnerte in keiner Weise mehr an eine trauernde Witwe. Verschiedene Gäste nahmen ihr das übel, aber sie scherte sich wenig daran. Sie war nur sehr ungehalten, als sie feststellte, dass ihr Stiefsohn noch nicht erschienen war, und blickte, während sie sich mit einigen Herren unterhielt, ständig zum Toreingang.
Graf Tihany war einer der Letzten. Er hatte seinen alten Wagen etwas entfernt in einem Seitenweg geparkt und bot Margret Lindemann den Arm.
»Hast du Angst?«, fragte er mit unsicherer Stimme.
»Ein bisschen schon. Ich war noch nie auf solch einem Fest. Wie herrlich das Jagdschloss aussieht. Man sieht es schon durch die Bäume schimmern.«
Auch er war tief beeindruckt von dem angestrahlten Schloss. Nein, solche Extravaganzen hätte er sich niemals leisten können.
Langsam schritt er mit Margret Lindemann über die steinerne Brücke. Seine äußere Ruhe war gespielt. In Wirklichkeit pochte sein Herz wie ein Hammer. Er wusste, dass er in wenigen Minuten Elga gegenüberstehen und dass es ihn übermenschliche Kraft kosten würde, die Stimme seines Herzens zum Schweigen zu bringen.
Mit einem verirrten Lächeln sah er zu Margret hin, deren Hand locker in seinem Arm hing. Sie sah reizend aus in dem himmelblauen Georgettekleid, das sie sich selbst ausgesucht hatte.
Baronesse Elga stand mit ihrem Vater und einigen Gästen noch im Innenhof. Sie erblickte Sandor zuerst, und ihr zweiter entsetzter Blick traf die junge Dame an seinem Arm. Elga war es, als erhielte sie einen Faustschlag ins Gesicht.
Ihr Vater bemerkte ihr Erblassen und wandte sich den Eintretenden zu. Auch er musste einen leichten Schock überwinden, als er den Grafen mit seiner Begleiterin sah. Für ihn war es sofort klar, dass Graf Tihany sein Erscheinen als einen Racheakt ansah. Das war ihm wirklich glänzend gelungen, wie der Baron mit einer bitteren Bewunderung feststellen musste.
Er fasste unwillkürlich nach dem zitternden Arm seiner Tochter, um ihr damit einen gewissen inneren Halt zu geben. Elga sah ihn einen Moment dankbar lächelnd an, aber in ihren Augen las er trotzdem den Schmerz und die Enttäuschung.
Der Baron ging auf die beiden Gäste zu.
»Wie nett, dass Sie meiner Einladung Folge geleistet haben, Graf. Und dies ist die Ihnen so nahestehende junge Dame?«
Ein leiser Spott lag in dieser Frage, was Graf Sandor nicht entging. Er stellte Margret vor, die von der Erscheinung des Barons und der hinter ihm stehenden Baronesse wie geblendet war.
Baron Waldstein stellte seiner Tochter die beiden Gäste vor. Mit keinem Wort ließ er durchblicken, dass er wusste, dass sich die jungen Menschen bereits kannten.
Elga hatte sich mit eiserner Energie gefasst. Sie hatte sogar für Margret ein gewinnendes Lächeln, während sie Sandor höflich, aber reserviert die Hand reichte. Er sah sie nur kurz an. Wenn ich sie länger ansehe, dachte er, dann schmilzt mein Groll zusammen, und das darf nicht sein.
Elga hörte aus dem kurzen Gespräch, das ihr Vater führte, dass Fräulein Lindemann die Tochter des Gutsverwalters von Tihany war. Wie schnell er sich getröstet hat, durchzuckte es sie. Sie war froh, dass in diesem Moment die letzten Gäste ankamen und begrüßt werden mussten. Sie spürte, wie Tränen ihren Blick verschleierten und dass es ihr fast unmöglich war, gefasst und sicher zu wirken.
»Ganz tapfer sein, mein Kleines!«, raunte ihr Vater ihr zu und drückte ihre Hand.
Graf Tihany ging mit Margret durch das Tor in den festlich erhellten Park. Lautes Stimmengewirr, untermalt von den Klängen der Tanzkapelle, scholl ihnen entgegen. Sie blieben einige Momente fasziniert stehen.
»Dies ist das schönste Fest, das ich je erlebt habe«, flüsterte Margret und sah ihn an.
Sandor schien nicht ihrer Ansicht zu sein. Er schwieg, als habe er nichts gehört, und sein Gesicht wirkte wie versteinert.
Der Baron kam mit Elga und den letzten Gästen hinter ihnen her.
Da es sich rasch herumsprach, dass der blendend aussehende junge Mann Graf Sandor Tihany war, wurde dieser bald von Leuten umringt, die ihn von früher kannten oder doch wenigstens seine Eltern gekannt hatten. Seine Stiefmutter hatte ihn und seine Begleiterin auch bereits gesichtet.
Sie kam auf ihn zu, drängte ihn für einen Augenblick zur Seite und raunte ihm ins Ohr: »Empörend, wie du dich benimmst!« Dann ließ sie ihn stehen. Margret wurde von ihr wie Luft behandelt.
Diese Bemerkung seiner Stiefmutter schürte nur seinen Groll und bestärkte ihn in der Annahme, dass sie das alles eingefädelt hatte.
Baron Albert sowie Fräulein Achenbach waren ebenfalls schockiert über das Verhalten des Grafen, obwohl er so äußerst sympathisch wirkte. Sie begrüßten ihn jedoch genauso liebenswürdig wie alle anderen Gäste, und ebenso nett wurde auch Margret empfangen.
Der Baron, der zuerst angeordnet hatte, dass Graf Tihany mit am Tisch seiner Tochter sitzen sollte, änderte auf Elgas Bitten hin unauffällig die Tischordnung. So kam Graf Tihany mit Margret an den Tisch, an dem Baron Albert und eine junge Dame sowie einige weitere junge Leute aus den ersten Kreisen der Umgebung und der Stadt Platz genommen hatten.
Graf Tihany war auffallend schweigsam, sodass Baron Albert in der Hauptsache das Gespräch mit den anderen führte. Zum Glück war er ebenso geistreich wie sein Vater, sodass keine Sekunde Langeweile aufkam, sondern die jungen Damen immer etwas zu lachen hatten.
Auch Margret fand den jungen Baron überaus charmant. Ab und zu sah sie auf Graf Tihany, und es war ihr völlig rätselhaft, wieso er heute so in sich gekehrt und wortkarg war. Packte ihn etwa die Trauer, dass ihm Erlau nicht mehr gehörte?
Diener in roter Livree mit Goldbesatz servierten ein lukullisches Abendessen. Aber zwei Menschen rührten davon kaum etwas an. Das waren Elga und Graf Tihany.
Wenn sie sich unbeobachtet fühlten, flogen Blicke hin und her, ohne dass sie sich jemals trafen, denn das vermieden sie beide geflissentlich. Tiefer Groll saß in ihren Herzen. In Elga wühlte zudem noch brennende Eifersucht auf die hübsche Margret Lindemann,