Fürstenkrone 11 – Adelsroman. Viola LarsenЧитать онлайн книгу.
die mit dem heutigen Tag begonnen hat!«
Gehorsam leert Sabrina ihr Glas, aber das köstliche Getränk mundet ihr nicht, sondern erscheint ihr schal und ohne Geschmack. Noch immer rinnen heiße Tränen aus ihren Augen.
»Warum – warum bist du so anders zu mir, Wolfhart?«, fragt sie schließlich gequält.
Ein Schatten huscht über seine ausgeprägten Züge. »Verzeih, Moorprinzesschen!«, bittet er sanft. »Früher warst du ein Kind. Auch das letzte Mal, als ich vor drei Jahren hier war, warst du noch ein Kind. Jetzt aber bist du eine erwachsene Dame, und diese Tatsache ändert alles.«
»Das begreife ich nicht!«, begehrt Sabrina auf. »Hast du mich deshalb nicht mehr lieb, Wolfhart?«
Fürst Wolfhart antwortet nicht, sondern starrt ins Feuer, und es ist, als erschauten seine Augen in dem zuckenden Flammenspiel längst versunkene Bilder, deren grenzenlose Traurigkeit ihn bitter werden lässt.
Tiefes Mitleid überströmt Sabrinas Herz. Sie möchte gut zu dem einsamen Mann sein, und es drängt sie, ihm wie früher tausend zärtliche Worte zu sagen.
Sie lächelt unter Tränen, beugt sich spontan vor, und ihre beiden Hände umschließen seine Rechte.
»Ich bin dir gut, Wolfhart«, sagt sie schlicht.
Er sieht sie seltsam an, dann zieht er seine Hand fast brüsk zurück und erhebt sich.
»Ich habe dir mein Mitbringsel noch gar nicht überreicht«, lenkt er kühl ab. »Gedulde dich bitte einen Augenblick, Sabrina.«
Als er wenig später in die Halle zurückkehrt, überreicht er ihr einen zauberhaften japanischen Kimono aus kirschroter Seide, der mit silbernen Blütenornamenten kunstvoll bestickt ist.
»Ich hoffe, dass er dir gefällt«, sagt er dabei förmlich.
Die Kälte seiner Worte lässt Sabrinas heiße Freude jäh ersterben.
*
Entgegen seiner ursprünglichen Absicht, nach der drei Jahre währenden Konzerttournee rund um die Erde nun für einige Monate auf Schloss Ravenhill auszuruhen, eröffnet Fürst Wolfhart dem bestürzten Fräulein Tabea am kommenden Vormittag, dass er die Heideinsel spätestens in acht Tagen wieder verlassen wolle.
»So schnell wollen Sie schon wieder von uns fort, Durchlaucht?«, fragt sie erschrocken. »Und ich dachte, Sie wollten diesmal einige Monate bei uns bleiben. Sie haben …«
»Ich habe meine Absicht eben geändert«, unterbricht Fürst Wolfhart sie schroff. »Warum haben Sie übrigens die Fahne noch nicht einholen lassen, Fräulein Tabea? Ich schätze es nicht, wenn ich Befehle wiederholen muss!«
»Jawohl, Durchlaucht!«, stammelt das alte Fräulein fassungslos. »Ich werde Sönke sofort Bescheid sagen.«
Liebevoll eilt Sabrina, die gerade das Speisezimmer betritt, Fräulein Tabea zu Hilfe. »Gib mir das Tablett, Tante Tabea«, bittet sie herzlich, »ich werde uns bedienen.«
»Vielen Dank, Sabrina«, murmelt Fräulein Tabea erleichtert.
Fürst Wolfhart verbeugt sich knapp vor seinem Mündel.
»Guten Tag, Sabrina!«, sagt er kühl und höflich.
»Hast du die erste Nacht im Moorschloss angenehm geruht?«, fragt Sabrina zaghaft.
»Danke, ja.«
Sein Verhalten ist keineswegs ermunternd, aber Sabrina ist verzweifelt bemüht, das Eis zwischen sich und ihm zu brechen.
Sie kann es einfach nicht fassen, dass die alte, vertraute Gemeinsamkeit für immer zerstört sein soll. Angestrengt sucht sie nach einem geeigneten Gesprächsthema und meint schließlich: »Der Turmhahn prophezeit herrliches Wetter. Werden wir auf die Jagd gehen, Wolfhart?«
Jetzt wirft der Fürst dem jungen Mädchen einen kurzen herrischen Blick zu. »Ich habe allerdings vor, morgen zur Jagd zu gehen«, erklärt er unmissverständlich.
Sabrina errötet über die schroffe Ablehnung ihrer Begleitung. Trotzdem versucht sie ein letztes Mal, eine Brücke über den Ozean des Fremdseins zwischen Wolfhart und sich zu schlagen, und sagt: »Sönke hat mir erzählt, dass die früheren Herren von Ravenhill hervorragende Falkner waren!«
»Sönke ist ein altes Waschweib!«, erwidert der Fürst unwirsch. »Glaube nicht an die Ammenmärchen, die er dir auftischt!«
Jetzt kann Sabrina den Tränen nicht mehr wehren, die heiß über ihre schmalen Wangen rinnen.
»Weine nicht!«, fordert Fürst Wolfhart da hart, und mit einer ungeduldigen Gebärde wischt er ein Brotkrümchen zur Seite. »Du bist viel zu sensibel, Sabrina, und es ist höchste Zeit, dass du aus dieser Abgeschiedenheit hier heraus und in die Welt kommst. Die Heideinsel ist zu still und zu einsam für ein junges Menschenkind wie dich. Du bist jetzt erwachsen, Sabrina, und musst dir dein eigenes Leben selbstständig aufbauen.«
Wie am Abend zuvor, so entnimmt Sabrina auch jetzt diesen Worten nur, dass sie die Geborgenheit des Moorschlosses verlassen und in die Fremde gehen soll. Grenzenlose Angst ergreift Besitz von ihr.
Wie aus weiter Ferne hört sie, wie Fürst Wolfhart ernst schließt: »Ich hoffe, du verstehst mich recht, Sabrina, und erkennst, dass ich nur dein Bestes will.«
»Jawohl, Wolfhart«, erwidert Sabrina leise. Sie hält jetzt den Blick auf den Teller gesenkt, damit Fürst Wolfhart die verräterischen Tränen nicht bemerken kann, die ihren Blick noch immer verdunkeln.
»Ich reise in einigen Tagen ab«, erklärt Fürst Wolfhart weiter und nimmt sich ein wenig von der köstlichen Pfirsichspeise, die Fräulein Tabea zum Nachtisch zubereitet hat. »Du hast also nicht mehr viel Zeit zu verlieren, um eine Entscheidung über dein zukünftiges Leben zu treffen, Sabrina, denn ich möchte, bevor ich gehe, deine Zukunftspläne wissen.«
»Jawohl, Wolfhart!«, sagt Sabrina noch einmal leise und ist fast erleichtert, als er seinen Teller zur Seite schiebt und sich höflich vor ihr verbeugt.
Kühl sagt er: »Ich möchte mich für eine Weile niederlegen, Sabrina. Bitte, lass dich in keiner Weise stören!« Nach diesen Worten erhebt er sich und geht auf die Tür zu, die in seine Zimmerflucht führt.
Sabrina presst fest ihre Lippen zusammen und steht ebenfalls auf. Ohne das übliche Gongzeichen zu geben, das in der Küche verkünden soll, dass der Tisch abgetragen werden kann, eilt sie aus dem Speisezimmer und durch die Halle ins Freie. Unter dem Portal verharrt sie sekundenlang ganz still und blickt über die Heideinsel, die sie so innig liebt und die ihre Heimat geworden ist.
Ich muss von hier fortgehen, hämmert ihr Herz in verzweifelter Qual. Ich muss die Insel und das Schloss verlassen und irgendwo in der Fremde unter gleichgültigen Menschen leben, denn so hat Wolfhart es bestimmt!
Vom Schmerz überwältigt, kann Sabrina keinen einzigen anderen Gedanken fassen, und wie betäubt steigt sie darum langsam die Freitreppe hinab und wählt einen verschlungenen Seitenpfad, der mitten durch die blühende Heide führt.
Nun, da sie ganz allein mit sich ist und von niemandem gesehen und gehört werden kann, schlägt sie beide Hände vor ihr schmales verstörtes Gesichtchen und weint herzzerbrechend.
Ich ertrage es nicht, von hier fortzugehen, gesteht sie sich. Ich werde sterben, wenn ich von alledem, was ich liebe, Abschied nehmen muss! Ich habe Angst vor der Fremde, ich kenne niemanden auf der ganzen Welt, und ich werde überall einsam sein!
Da aber bäumt sich verzweifelt ihr Stolz auf und richtet die boshafte Frage an sie, ob sie vielleicht zu feige sei, den Lebenskampf zu wagen. Lange genug, mahnt dieser Stolz, hast du Wolfharts Güte als etwas Selbstverständliches hingenommen, und nie hast du dir Gedanken darüber gemacht, dass du irgendwann einmal dein eigenes Leben bestehen musst. Es war sehr leichtsinnig von dir, fröhlich in den Tag zu leben und niemals an die Zukunft zu denken.
Schuldbewusst senkt Sabrina ihr Köpfchen. Sie ist gerecht und klarsichtig genug, um zu erkennen, dass sich Wolfhart lange Jahre hindurch selbstlos und gütig