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Sophienlust Staffel 15 – Familienroman. Susanne SvanbergЧитать онлайн книгу.

Sophienlust Staffel 15 – Familienroman - Susanne Svanberg


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      »Ein Reh. Ich hab’s ja gleich gesagt«, sagte Angelika.

      *

      »Ist Tante Isi heute nicht hier?«, fragten die Kinder enttäuscht beim Abendbrot.

      »Nein. Sie musste nach Gut Schoeneich hinüber. Dort hat man wieder ein Pferd gestohlen«, berichtete Frau Rennert, während sie den Kleinen ihre Brote in mundgerechte Happen schnitt.

      »Ein Pferd?« Nick blieb fast der Brocken im Hals stecken.

      »Man hat es erst bemerkt, als man die Pferde in den Stall brachte.«

      »Welches Pferd?« Nick sprang hoch, setzte sich aber sofort wieder.

      »Ich glaube, Patricius heißt es. Du weißt ja, ich kenne mich damit nicht so aus.« Frau Rennert machte ein betrübtes Gesicht.

      »Das darf doch nicht wahr sein«, stöhnte Nick und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.

      »Patricius hat schon zwei Rennen gewonnen«, berichtete Henrik weinerlich. Ihm war der Schreck ordentlich auf den Magen geschlagen. Entschlossen schob er den Teller weg.

      »Ui, das ist doch der tolle Hengst mit der schwarzen Mähne!« Fabian pfiff nach Jungenart durch die Zähne. Das trug ihm einen strafenden Blick der Heimleiterin ein.

      »Aber die Pferde sind doch die ganze Zeit über bewacht worden«, jammerte Pünktchen. »Wir haben den Mann, der den Zaun repariert hat, selbst gesehen.«

      »Wie kann denn jemand am helllichten Tag ein Pferd in ein Auto verladen, ohne dass jemand etwas bemerkt?« Irmela ließ Messer und Gabel sinken.

      »Wenn ein Auto zur Koppel gefahren wäre, hätten wir es doch sehen müssen.« Pünktchen bekam vor Aufregung ganz heiße Backen.

      Alle beteiligten sich an der Diskussion, nur die kleine Anja konnte nicht mitreden. Dabei hätte sie manches zu erzählen gehabt. Doch alle hatten das seltsame Betragen des kleinen Mädchens längst vergessen.

      Anja versuchte sich durch Gesten Gehör zu verschaffen. Doch da sie nicht beachtet wurde, gab sie es bald wieder auf. Stumm saß sie vor ihrem Teller. Das Stückchen Wurstbrot, das Frau Rennert ihr besorgt ins Mündchen geschoben hatte, wälzte sie appetitlos hin und her.

      Warum konnte sie nicht mehr erzählen, was sie bedrückte? Warum kam kein einziger Ton aus ihrem Mund, obwohl sie sich so viel Mühe gab? Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, was es bedeutete, stumm zu sein. Zum ersten Mal fühlte sie sich aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, fühlte sie sich einsam und allein. Sie sehnte sich nach ihren Eltern, nach dem kleinen Bruder. Doch diese waren unerreichbar. Schwester Regine hatte gesagt, dass sie im Himmel seien. Aber lagen sie nicht draußen im Regen zwischen den verbogenen Metallteilen des Autos?

      Anja presste die Augen zusammen, wie immer, wenn die schreckliche Erinnerung Besitz von ihr ergreifen wollte. Rasch befolgte sie den Rat von Tante Isi, an etwas anderes, an etwas Schönes zu denken. Sie stellte sich Onkel Hans vor, wie er sie lachend in die Arme schloss und hochhob. Übermütig schwenkte er sie über seinem Kopf hin und her. Und sie dachte an Tante Grit, die so wunderschöne blonde Haare hatte und so sanft und lieb war. Ja, Tante Grit hatte sie lieb. Fast so lieb wie ihre Mami. Tante Grit hatte gesagt, dass sie nun zusammenbleiben würden. Wann würde sie wiederkommen?

      Vielerlei Sehnsüchte stritten in dem kleinen Mädchen, das so Furchtbares erlebt hatte, miteinander. Anjas dunkle Augen füllten sich mit Tränen. Sie liefen über die dicken Bäckchen, tropften auf das leichte Kleidchen.

      Frau Rennert beobachtete ihre Schützlinge genau. Sie ahnte, dass sich Anja ausgestoßen fühlte, weil sie sich nicht äußern konnte wie ihre Spielgefährten, die nun alle durcheinanderschrien. Sie nahm Anja wie ein Kleinkind auf ihren Schoß und drückte sie liebevoll an sich. »Nicht traurig sein, Anja. Unsere Schreihälse beruhigen sich gleich wieder. Und dann haben sie auch wieder Zeit für dich. Du weißt doch, dass wir dich hier sehr lieb haben.«

      »Glaubst du, wir sollten doch noch einmal aufpassen droben an der Pferdekoppel?«, tuschelte Fabian währenddessen Nick ins Ohr. »Es muss ja nicht nachts sein.«

      Der große Junge schüttelte müde den Kopf. »Wir haben Vati versprochen, nichts mehr zu unternehmen«, meinte er resignierend.

      »Wir können doch ganz zufällig vorbeikommen.« Fabian ließ sich von seinem Vorschlag nicht so schnell abbringen.

      »Wenn man sein Wort gegeben hat, muss man es auch halten«, belehrte Nick den Jüngsten.

      »Aber wenn diese Verbrecher noch mehr Pferde stehlen?«, überlegte Fabian.

      Nick zuckte die Achseln. »Mein Vati hat bestimmt die Polizei benachrichtigt. Sie wird die Diebe schon stellen.«

      »Glaubst du?« Fabian war skeptisch.

      »Wenn ich einmal groß bin, werde ich Polizist«, erklärte Peter, der aufmerksam zugehört hatte. »Dann fange ich die bösen Diebe.«

      »Das dürfte ein bisschen zu lange dauern.« Pünktchen lachte herzlich.

      *

      Diesmal sonderte sich Anja absichtlich von den anderen Kindern ab. Während die anderen Völkerball spielten, musste sie immerzu an den Mann denken, der Patricius mitgenommen hatte. Niemand außer ihr wusste, wann er es getan hatte. Und niemand ahnte, dass er nicht den Weg vom Dorf heraufgekommen war, sondern geradewegs aus dem Wald. Anja hätte auch Auskunft darüber geben können, weshalb die Polizei auch diesmal wieder keinerlei Spuren fand, doch sie konnte ja nicht sprechen und sich überhaupt nicht verständlich machen.

      Langsam stapfte Anja bergan. Irgendwo da oben lag noch der Nelkenstrauß, den sie am Tag zuvor vor lauter Aufregung hatte fallen lassen.

      Anja war froh, dass sie von den anderen Kindern nicht vermisst wurde. Wie von einer geheimnisvollen Macht angezogen, ging sie wieder an dem Bächlein entlang. Dabei sah sie immerzu in die Richtung, aus der der Dieb gekommen war. Sie hatte ihn zwar nur von Weitem und auch nur von hinten gesehen, doch sie war ganz sicher, dass sie die Gestalt wiedererkennen würde.

      Anja war jetzt bereits in Höhe der Koppel und sah den Holzzaun zwischen den Bäumen und Sträuchern schimmern. Da war auch wieder der Mann, der einige Latten auswechselte. Aber jetzt wurde er gerufen. Langsam stieg er bergab.

      Anja stellte sich auf einen abgesägten Baumstamm, um besser sehen zu können. Doch plötzlich fühlte sie etwas Hartes in ihrem Rücken. Sie wurde blitzschnell herumgedreht und sah in ein bärtiges Männergesicht.

      »Was hast du hier zu schaffen, kleine Kröte?«, keuchte eine dunkle furchterregende Stimme.

      Anja wollte vor Schreck aufschreien, doch sie bekam nicht einen einzigen Laut heraus.

      »Aha, du bist’s! Ausgerechnet du! Na, mir kann’s recht sein. Du kannst wenigstens keinem etwas erzählen.«

      Die Hand, die Anja noch immer hinten am Kleid festhielt, griff noch härter zu und schüttelte die Kleine.

      Angstvoll sah Anja in das wutverzerrte Gesicht des Mannes.

      »Wehe, wenn du jemanden hierherführst. Und wenn du zu berichten versuchst, dass du jemanden hier getroffen hast, dann bringe ich dich um. Weißt du, was das heißt? Es ergeht dir dann genauso wie deinem Vater, deiner Mutter und deinem kleinen Bruder. Nur mit dem Unterschied, dass du langsam sterben wirst. So etwa!«

      Die Hände des Mannes legten sich um Anjas zarten Hals und drückten langsam immer stärker zu. Das Kind wand sich in panischer Angst und rang nach Luft.

      »Du hast mich niemals hier gesehen, ist das klar? Du wirst überhaupt keinem sagen, dass du hier oben an der Koppel warst. Ich lasse mir von einer kleinen miesen Kröte, wie du es bist, die Tour nicht vermasseln, das merke dir! Und wenn du nicht gehorchst, hast du die längste Zeit geatmet!«

      Anja hustete und bäumte sich in wilder Panik auf. Doch gegen den Griff dieses Mannes konnte sie nichts, aber auch gar nichts ausrichten.

      »Überlege dir gut, was du tust. Du bist die letzte deiner Familie, und es wäre für


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