Mami Staffel 13 – Familienroman. Lisa SimonЧитать онлайн книгу.
jetzt der versprochene Champagner?«
»Nur zu gern. Er steht schon kalt. Aber ich war nicht sicher, ob du…«
»Warum nicht? Wir wollen es doch beide, oder?«
Sie kam sich richtig sündig vor. Torsten schien es zu gefallen, daß sie ein wenig die femme fatale herauskehrte, eine für Julia eher ungewohnte Rolle. Ganz im Hinterkopf hatte sie von sich selbst den Eindruck, daß sie »es« hinter sich bringen wollte.
»Ja, Julia…, ich will endlich einmal mit dir allein sein…«
Seine Lippen streiften ihren Nacken, als er ihr in den Mantel half. Julia fühlte eine Gänsehaut, aber nicht, weil ihr so kalt war…
Sein Haus war eine Überraschung. Sie hatte tatsächlich eher erwartet, daß er ein cooles Design bevorzugen würde. Statt dessen standen gemütlich wirkende Polstermöbel vor dem Kamin im Wohnzimmer, und an den Wänden fanden sich Regale mit unzähligen Büchern. Es wirkte auch nicht so, als hätte er vorher besonders aufgeräumt. Gelesene Zeitungen lagen neben dem Sessel, der dem Kamin am nächsten stand. Offenbar sein Lieblingsplatz.
»Fühle dich bitte wie zu Hause, Julia. Ich hole die Gläser und den Schampus. Du kannst dir auch gern die anderen Räume ansehen, wenn du willst.«
»Vielleicht zeigst du sie mir später…«
»Gern.«
Sie sahen sich an. Beide dachten ans Schlafzimmer.
Schließlich ging alles viel leichter, als Julia befürchtet hatte. Der Champagner entspannte sie, seine Zärtlichkeiten machten Julia willig und begierig auf mehr. Sie stand auf, als er sich erhob und ihr die Hand reichte.
»Komm, Liebling…, ich möchte dich so sehr…«
Jetzt also… Julia schmiegte sich an ihn. Torsten war wunderbar. Er versuchte sie zu nichts zu überreden, was sie nicht auch wollte. Und doch wirkte er sehr männlich und entschlossen, als er sie jetzt zur Treppe führte und hinaufschaute.
»Dort oben ist das Schlafzimmer. Das Bad ist gleich daneben. Falls du…«
»Ja, danke. Ich würde mich gern… frischmachen…«
Fast hätte sie gelacht. Es klang wie ein Dialog in einem Mädchenpensionat.
Torsten war sehr rücksichtsvoll. Als sie aus dem Badezimmer kam, war er nicht im Zimmer. Julia schlug die Decke mit der kühlen dunkelblauen Seidenbettwäsche zurück und schlüpfte darunter. Dann hörte sie ihn auf der Treppe. Offenbar hatte er unten noch abgeschlossen.
Plötzlich, siedendheiß und völlig unpassend, fiel ihr ein, daß ihre Mutter gar nicht wußte, wo sie Julia erreichen konnte. Das ernüchterte sie so gründlich, daß sie fast aus dem Bett gesprungen wäre. Aber da kam Torsten herein, in der Hand die Champagnergläser und angetan mit einem hübschen Morgenmantel. Julia atmete tief ein. Sie wollte jetzt nicht an solche Dinge denken wie Kinder, die krank werden konnten. Das war ihre Nacht – ihre und Torstens…
»Ich liebe dich, Julia, habe ich dir das schon einmal gesagt?«
Die Zauberworte… Julia mußte die Lippen befeuchten, die vor Aufregung ganz trocken waren, um ihm antworten zu können. Ja, sie liebte ihn auch. Das war keine Episode…
*
Frau Bernsdorf schaute noch einmal nach Patrick. Er schlief wie ein kleiner Engel. Nach dem ausgiebigen Fernsehabend war das auch kein Wunder. Erstaunlicher fand sie, daß ihm nicht schlecht geworden war bei dem Durcheinander, das er genascht hatte. Aber kleine Jungen hatten in diesem Alter starke Mägen. Vermutlich würde das Frühstück ein wenig schmaler ausfallen als sonst, aber Spaß hatte ihm der Abend wenigstens gemacht. Ob ihre Julia genausoviel Spaß hatte? Angelika Bernsdorf wünschte es ihr von Herzen. Julia nahm ihre Pflichten immer sehr genau, aber sie gönnte sich selbst zuwenig Spaß. Für die Kinder war das auch nicht gut, sie nutzten das schon weidlich aus, besonders Nele.
Nele hatte Julia weh getan mit ihrem überraschenden Wunsch, zu ihrem Vater gehen zu wollen. Frau Bernsdorf befürchtete sogar, daß es nicht bei diesem einen Mal bleiben würde.
Dabei war Thomas wirklich ein miserabler Vater. Na gut, er schlug die Kinder nicht oder tat ihnen sonst etwas Böses an. Aber ein permanentes Übersehen konnte seelisch genauso einen Schaden anrichten. Gerade für ein kleines Mädchen…
Seufzend nahm sie das Buch vom Tisch, in dem sie seit einigen Tagen las. Aber dann legte sie es doch wieder zur Seite. Sie mußte immer an Julia denken, die heute wohl endlich wieder einmal die Freuden der Liebe kosten durfte. Hoffentlich war es ein netter Mann, der sie zu schätzen wußte.
»Ach was. Natürlich war er nett. Einen anderen würde Julia gar nicht aussuchen«, sagte sie leise und mußte dann über sich selbst lächeln. Einmal Mutter, immer Mutter…
Als das Telefon mitten in die Stille hinein zu klingeln begann, zuckte sie erschrocken zusammen. Wer rief um diese Zeit noch an? Es war nach elf…
»Hier spricht Angelika Bernsdorf.«
»Städtisches Krankenhaus, Schwester Marie am Apparat. Sind Sie die Mutter von Nele Bogner?«
»Nele? Was ist ihr passiert?« stieß Angelika Bernsdorf entsetzt hervor.
»Sind Sie die Mutter? Ich darf nur den Angehörigen Auskunft geben.«
»Ich bin ihre Großmutter!«
»Ach so. Wir haben die Telefonnummer in Neles Tasche gefunden. Nele hatte einen Unfall. Sie liegt hier auf der… äh… Intensivstation. Können Sie die Eltern verständigen?«
»Ja… natürlich… o Gott, was ist denn los mit ihr? Ist es sehr… schlimm?«
Natürlich mußte es sehr schlimm sein, denn sonst wäre Nele nicht auf der Intensivstation. Die Frage gab Angelika Bernsdorf Zeit, das Unfaßliche zu begreifen.
»Bitte rufen Sie die Eltern an. Es sollte jemand herkommen.«
»Ja, ja, ich… sofort…«
Sie legte auf. Und wollte wählen, aber dann wurde ihr bewußt, daß sie Julias Telefonnummer gar nicht besaß. Sie versuchte es bei Julia zu Hause, aber natürlich meldete sich niemand.
Thomas. Er mußte doch etwas wissen…
Irgendwo hatte sie die Nummer ihres Ex-Schwiegersohnes. Fieberhaft blätterte Angelika Bernsdorf in den abgegriffenen Seiten ihres alten Telefonbüchleins. Da war sie…
Es meldete sich lediglich der Anrufbeantworter. Zuerst wußte sie gar nicht, was sie sagen sollte. Dann sprach sie hastig in den Hörer.
»Ich weiß zwar nicht, wie das zustande kommt, aber Nele ist im Städtischen Krankenhaus, weil sie einen Unfall hatte. Ich fahre jetzt dorthin. Bitte melde dich dort.«
Dann mußte sie noch ihre Nachbarin aus dem Bett klingeln, damit sie gegebenenfalls auf Patrick aufpassen konnte. Das war kein Problem, denn sie halfen sich ständig gegenseitig. Nur daß die Nachbarin natürlich wissen wollte, warum Angelika Bernsdorf, die sonst immer ruhig und besonnen wirkte, so aufgeregt war, brachte Julias Mutter fast um die restliche Fassung.
»Nele ist im Krankenhaus. Ich muß sofort hin.«
»Aber wo ist denn ihre Mutter?«
»Ich habe jetzt keine Zeit für Fragen. Ich brauche ein Taxi.«
Endlich… Der Wagen fuhr vor. Angelika Bernsdorf gab dem Fahrer den Namen der Klinik und lehnte sich dann zurück, um gleich wieder wie eine Feder nach vorn zu schnellen.
»Bitte, fahren Sie so zügig wie es geht. Es eilt…«
»Ja, ja, aber die roten Ampeln muß ich trotzdem beachten«, gab der Mann mürrisch zurück.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis das Taxi vor dem Krankenhaus hielt. Neles Großmutter knetete immer wieder die Hände im Schoß, ohne es zu merken. Dabei betete sie wortlos, daß es doch bitte nicht so schlimm sein möge…
Es war so schlimm,