Sophienlust - Die nächste Generation Staffel 1 – Familienroman. Karina KaiserЧитать онлайн книгу.
könnte sie nicht besser untergebracht sein. Ich bin froh, dass Sie die Kleine zufällig gefunden haben. Natürlich muss das Jugendamt noch entscheiden, ob Romina in Sophienlust bleiben kann. Möglicherweise gibt es irgendwo Verwandte, die sich um sie kümmern wollen. Aber das wird sich von ganz allein zeigen.«
Der Polizist schaute sich kurz suchend um, griff in einen Schrank und holte einen Teddy hervor, der eine Polizeiuniform trug. Diesen Plüschbären drückte er der Siebenjährigen in die Hand, lächelte ihr aufmunternd zu und fuhr ihr mit der Hand liebevoll über den Haarschopf. Er wollte das kleine Mädchen, das noch gar nicht so recht begriff, was ihm passiert war, wenigstens ein bisschen trösten. Artig bedankte Romina sich für das Geschenk, drückte den Teddy an sich und verließ an Nicks Hand die Wache. Fabio folgte den beiden. Er brauchte keine Leine. Wo seine kleine Freundin war, da war auch sein Platz.
*
Schwester Regine war längst von ihrem Zahnarztbesuch nach Sophienlust zurückgekehrt und bemerkte, dass Denise von Schoenecker einen nervösen Eindruck machte.
»Ist etwas nicht in Ordnung?«, erkundigte sie sich besorgt. Sie scheinen beunruhigt zu sein.«
»Das ist richtig. Nick wollte in Maibach ein paar Einkäufe erledigen. Er müsste aber eigentlich schon längst wieder hier angekommen sein. Wenn er Probleme hätte, hätte er sicher angerufen. Aber ich habe nichts von ihm gehört. Nun mache ich mir natürlich Gedanken.«
»Dann rufen Sie ihn doch an und fragen Sie ihn, wodurch er aufgehalten wurde. Er hat sein Handy doch ganz sicher bei sich.«
»Das schon, aber ich will nicht den Eindruck erwecken, ihn drängen zu wollen. Ein bisschen warte ich noch ab bevor ich mich melde.«
Denise hatte kaum ausgesprochen, als die Heimleiterin Frau Rennert aufgeregt angelaufen kam. Ihr Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes.
»Haben Sie schon von dem Unglück gehört, das sich in Maibach ereignet hat? Eben hat das Radio in den Nachrichten gemeldet, dass auf der Kirmes ein Wohnwagen ausgebrannt ist. Ein junges Elternpaar und dessen kleine Tochter sind in den Flammen umgekommen. Ist das nicht furchtbar?«
Denise war ebenso entsetzt wie Schwester Regine, als sie von dieser Katastrophe hörte. »Mein Gott, wie furchtbar!«, entfuhr es ihr. »Warum müssen so schreckliche Dinge immer wieder passieren? Die armen Eltern, und das arme Kind. Möglicherweise verspätet Nick sich deshalb. Wie ich meinen Sohn kenne, wird er versuchen, irgendwie zu helfen. Aber da wird er wohl leider nichts mehr ausrichten können.«
»Wahrscheinlich nicht«, bestätigte Schwester Regine. »Vermutlich müssen wir ihn sogar trösten und ihn wieder aufbauen. Da kommt er nämlich gerade.«
Die Kinderschwester hatte einen Blick aus dem Fenster geworfen und Nicks Wagen vorfahren sehen. Ungläubig schüttelte sie den Kopf, als sie zusammen mit Nick ein kleines Mädchen und einen Hund aussteigen sah. »Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass Nick es geschafft hat, doch noch irgendwie zu helfen. Sehen Sie mal.«
Denise und Frau Rennert entdeckten nun auch das fremde Kind, das einen Teddybären an sich gedrückt hielt und sich ein wenig unsicher umschaute.
»Ich weiß noch nicht, was sich zugetragen hat«, bemerkte Denise. »Aber offensichtlich bekommen wir einen neuen Gast.«
Die drei Frauen eilten Nick und Romina entgegen und hatten nach wenigen Minuten erfahren, was sich ereignet hatte. Romina wurde liebevoll begrüßt, und alle versuchten, sich ihre Bestürzung nicht anmerken zu lassen. Das kleine Mädchen sollte nicht noch weiter verunsichert werden.
»Kommst du mit mir?«, fragte Schwester Regine betont fröhlich. »Unsere größeren Kinder sind in der Schule. Aber Kim ist im Haus und wird sich freuen, wenn er dich sieht. Er malt gerade ein Bild für unsere Köchin. Die hat nämlich nächste Woche Geburtstag, und das Bild soll eine Überraschung für sie sein. Dein Fabio kann auch mitkommen. Über den freut Kim sich bestimmt auch. Kim ist ein bisschen jünger als du. Aber er ist ein netter und kluger Junge.«
Während Nick sich mit seiner Mutter unterhielt und ihr genau berichtete, was er an diesem Tag erlebt hatte, ging die Kinderschwester mit Romina in den Aufenthaltsraum. Für Kim war es nicht ungewöhnlich, dass plötzlich ein fremdes Kind auftauchte. An solche Situationen war er inzwischen gewöhnt. Er reichte Romina sofort die Hand.
»Guten Tag. Ich bin Kim, und wie heißt du? Willst du jetzt bleiben bei uns lange? Ist immer schön, wenn kommen neue Kinder, und du bist nettes Kind. Wir können sein Freunde.«
»Ich heiße Romina, und mein Hund heißt Fabio«, gab das Mädchen Auskunft. »Du bist auch nett, aber warum sprichst du so komisch?«
Kim zog die Schultern hob. »Deutsch ist noch schwer. Ich nicht kann es so gut, weil ich komme aus Vietnam. Aber ich habe schon gelernt viel und kann verstehen alles.«
»Vietnam? Das muss ganz weit weg sein. Davon habe ich noch nie etwas gehört.« Romina setzte sich neben Kim und schaute ihn fragend an. Schwester Regine hielt sich im Hintergrund. Der erste Kontakt zu einem Kind aus Sophienlust war für Romina jetzt sehr wichtig, und zu Kim schien sie auf Anhieb eine gute Verbindung aufzubauen.
»In Vietnam spricht man bestimmt eine ganz andere Sprache, die hier niemand versteht«, mutmaßte die Siebenjährige. »In Italien ist das auch so. Das sprechen alle Leute italienisch. Ich kann das auch ganz gut. Mein Papa ist nämlich Italiener. Das heißt, er …, er war … Italiener. Jetzt ist er gestorben, und meine Mama auch. Sie sind …, sie sind beide …, tot. Unser Wohnwagen hat gebrannt, und dann …«
Obwohl Kim noch sehr klein war, verstand er genau, was jetzt in Romina vorging. Tröstend nahm er ihre Hände in die seinen.
»Dann deine Eltern sind jetzt bei meinen Eltern. Sie alle sind zusammen im Himmel, und da es ist sehr schön für sie. Du nicht musst sein traurig. Meine Eltern es geht gut und deinen Eltern auch. Sie können nur nicht wieder kommen auf die Welt. Aber sie sich freuen, dass wir sind in Sophienlust und haben es gut hier.«
»Hat es bei euch auch ein Feuer gegeben?«, wollte Romina wissen. »Sind deine Eltern dabei auch gestorben?«
»Nein, sie sind mit Boot geflüchtet vor bösen Leuten. Dann ist Boot umgekippt und alle sind ertrunken, nur ich nicht. Zuerst alles war ganz schlimm. Aber dann ich bin gekommen nach Sophienlust, und hier alle waren meine Freunde. Ist hier wie eine richtige Familie, und jetzt ist auch deine Familie. Du schon bald bist wieder fröhlich. Ist nirgendwo schöner als in Sophienlust. Du kannst glauben mir. Alle Eltern die sind gestorben, wohnen zusammen auf ganz hellem Stern und gucken zu, was wir machen. Deine Eltern sind ganz bestimmt glücklich, weil du jetzt bist hier bei uns.«
»Auf welchem Stern wohnen unsere Eltern denn nun? Kann man den abends am Himmel sehen?«
»Ja, ich ihn zeige dir – wenn es ist dunkel. Es ist schöner heller Stern. Manchmal ich winke meine Eltern zu. Schwester Regine hat gesagt, dass sie das sehen können und dann sie freuen sich.«
»Ich werde meinen Eltern auch zuwinken«, entschied Romina. »Schließlich möchte ich, dass sie sich auch freuen. Vielleicht haben sie deine Eltern schon getroffen und sich mit ihnen unterhalten.«
Schwester Regine hatte schweigend zugehört und war tief gerührt. Immer wieder war es erstaunlich, wie gut Kinder einander trösten konnten. Was der kleine Kim innerhalb weniger Minuten geschafft hatte, wäre ihr in mehreren Wochen nicht gelungen. Es konnte eben kein Erwachsener den Trost spenden wie ein ebenfalls betroffenes Kind.
Die Kinderschwester zweifelte nicht daran, dass Romina sich schnell einleben würde. Natürlich würde sie noch um den Verlust ihrer Eltern trauern. Aber die Kinder würden ihr helfen und es ihr so leicht wie möglich machen. Wie es für das kleine Mädchen weitergehen würde, konnte Schwester Regine nicht sagen. Vielleicht gab es irgendwo Verwandte, die sich jetzt um das Kind kümmern und es zu sich nehmen wollten. Sollte sich jedoch herausstellen, dass Romina mit ihrem Fabio ganz allein auf der Welt war, würde sie ein neues Dauerkind von Sophienlust sein, und selbstverständlich war auch Fabio willkommen.
*
Im Grunde genommen war es eine fröhliche kleine