Sauerland Live. Reiner HänschЧитать онлайн книгу.
neuen Handy etwas sehnsüchtig hinterher. Sie würde natürlich auch gerne ihren Euro zurückbekommen, wenn sie das tolle Dings mit dem neuen Weh-Lahn dann irgendwie doch nicht haben darf.
Der Bandit Schimmeroth will etwas sagen, weil er ja schließlich der Herr im Hause ist, weiß aber nicht genau, was. Also hält er seine verbrecherische Klappe.
„Kommen Sie mal mit“, versuche dann ich die Betreuung der jetzt leicht verstört wirkenden Frau Pütter zu übernehmen. Max ist schon mal rausgegangen.
Frau Pütter ist noch etwas unschlüssig, schaut auf ihr Steinzeithandy, das sie noch immer fest umklammert in den Händen hält, dann auf das Galaxie-Telefon, das sie nun leider doch nicht haben darf, auf Herrn Schimmeroth, der sich doch solche Mühe gegeben hat … und dann sieht sie mich an.
Ich scheine von allen verbliebenen Aussichten vielleicht die Schlimmste zu sein - aber sie entschließt sich doch, mir ihr Vertrauen zu schenken.
Ich fühle mich sehr geehrt. Biete ihr meine starken Arme an, sie hakt sich dankbar ein und dann verlassen wir durch eine schnell gebildete Rettungsgasse unter den Augen der staunenden Menge das Reich des allmächtigen Handyfones und treten hinaus in die unendliche Freiheit des ganz normalen Lebens ohne Weh-Lan.
„Wo wohnen Sie denn, Frau Pütter?“
„Na, hier gleich umme Ecke!“
„Gut. Dann gehen wir da mal hin. Ich bringe Sie mal eben umme Ecke“, sage ich und führe die alte Dame in die Richtung, in die sie zeigt.
„Aber ich will doch noch gar nicht …“
„Doch, doch, ich bringe Sie jetzt mal nach Hause“, wiederhole ich mit etwas Nachdruck und muss jetzt auch die Führung in diesem Pas de deux übernehmen.
Max sieht uns beiden von ein paar sicheren Metern Entfernung zu und ich will ihm zurufen, dass ich gleich zurück bin, aber als er sieht, wie ich versuche, Frau Pütter an meinem starken Arm über die recht gut befahrene Straße zu zerren, kommt er tatsächlich näher. Wahrscheinlich, weil er es einfach nicht mehr mit ansehen kann und es endlich hinter sich bringen will, oder weil er vielleicht doch eine nette jugendliche und menschliche Einsicht hat und zwei älteren Menschen einfach über die Straße helfen will.
„Ist es noch weit?“, frage ich auf der sicheren anderen Seite dann die etwas störrische Frau Pütter und sie sagt: „Nä, da is‘ ja de Haustür!“ Sie ist kurz davor, ihren Arm aus meinem leichten Schraubzwingengriff zu befreien, aber ich halte dagegen.
„Dann machen Sie ihr Handy doch jetzt mal an, bitte, Frau Pütter.“
„Getz?“, fragt sie und ich sehe so etwas Angst vor der unmittelbaren Zukunft in ihren Augen.
„Ja, jetzt! Bitte!“
Sie holt es misstrauisch aus ihrer Handtasche, in der es vor Kurzen erst verschwunden ist, macht es etwas umständlich an und dann helfe ich ihr schnell, die richtigen Touch-Punkte zu treffen, damit wir auch auf der richtigen Seite ihres Handy landen und dann habe ich’s auch schon.
Da: W-Lan. Na, bitte.
Ich reiche ihr kaltlächelnd das Gerät und zeige triumphierend auf das Display.
„Bitteschön! Sehen Sie mal!“
Sie schaut auf das Display, über ihr Gesicht geht ein unerklärliches Leuchten, und sie sieht dann wieder mich und dann noch mal das Display an, und dann sagt sie: „Rastamann! Da isser ja wieder!“
„Genau“, sage ich. Zack, Zack. So einfach geht das. Und werfe bei dieser günstigen Gelegenheit auch Max gleich noch einen leicht überheblichen Blick zu. Siehst du? Bin nicht so doof, wie du denkst.
Der wirft aber dann doch noch fachkundig ein, dass die liebe Frau Pütter ja vielleicht ihr W-Lan- Netz mal verschlüsseln sollte, damit nicht jeder …
„Ach, wat, junger Mann“, sagt sie da, „Rastamann war ja mein Hund. Den kennt ja keiner.“
Ja, da hat sie natürlich recht. Und dann will sie noch ‘ne kleine Runde mit dem Hund gehen.
„Aber gehen Sie nicht zu weit, Frau Pütter. Besser wär’s, Sie bleiben ab jetzt doch lieber mit ‘Rastamann‘ im Haus.“
„Jo, da hamse recht. Sons‘ haut er wieder ab, woll.“
Und dann verabschieden wir uns von der lieben Frau Pütter und begleiten sie mit zufriedenen Blicken auf ihrem Weg in das Haus Grabenstraße Nummer vier. Sie wird also wahrscheinlich nicht bei uns einziehen, sondern ihr Leben weiter allein meistern können, weil Alex Knippschild wieder einmal das Böse bekämpfen konnte.
„Was wolltest du eigentlich in dem Laden?“, fragt Max mich dann noch kurz, als wir ins Auto steigen.
„Ach“, sage ich, „nicht so wichtig.“
Ich will ihm jetzt einfach nicht sagen, dass ich mich eigentlich für so ein tolles Samsung Galaxy interessiert habe, das ja für nur einen Euro zu haben gewesen wäre und ich dann natürlich auch gerne für zwei weitere Jahre den entsprechenden Knebelvertrag unterschrieben und mich dem allmächtigen Handyfone bereitwillig geopfert hätte.
Nein, das kommt für mich jetzt nicht mehr in Frage. Wir lassen uns doch nicht für dumm verkaufen! So nicht! Nicht mit uns!
„Ja, bin ich denn mackacki? Da krich ich doch die Pimpernellen!“, rufe ich laut über die Straße und Max ist es schon wieder peinlich.
Aber dann fahren mein Sohn und ich endlich mit dem Gefühl, heute schon etwas wirklich Gutes getan zu haben, nach Hause.
So kann‘s doch weitergehen!
Erste Sauerländer Weisheit:
Tolle Technik – gut und schön
Alles brauchsse nich‘ versteh’n.
Das zweite Abenteuer
Wie ‘ne Omma!
„Ich weiß nicht, ich weiß nicht“, sagt meine liebe Frau Steffi, sieht mich mit ihrem skeptischen Schiefblick an, dem eigentlich nichts durchgeht und der alles begreifen will. Ich ahne aber schon, dass sie eben doch sehr genau weiß, was sie ja angeblich nicht weiß.
Jetzt zuppelt sie an mir rum.
Steffi zuppelt öfter mal an mir rum. Meistens an meinen Sachen, weil irgendwas nicht so sitzt, wie es sitzen sollte, oder wie sie sich ein bestimmtes Kleidungsstück an mir vorgestellt hatte.
„Mmh“, sagt sie dann meistens und wirkt immer etwas unzufrieden, tritt einen Schritt zurück, um meine Wirkung so im Ganzen zu beurteilen und im schlimmsten Fall schüttelt sie den Kopf. Da sitzt mal der Hemdkragen schief, über meinem kleinen Bauch spannt es ein wenig und die „Mach-einen-Knopf-mehr-zu-Empfehlung“ kommt auch schon mal öfter. Nein, nein, nicht, dass Sie denken, ich hab das Hemd bis zum Bauchnabel offen und zwischen einer urwaldigen Brustbehaarung auch noch eine schwere Goldkette am Baumeln. Nein, nein. Ich hab’s nur gerne etwas freier um den Hals herum. Wenigstens zwei Knöppe auf.
Na, ist auch nicht so wichtig jetzt.
Denn heute zuppelt sie wieder mal an meinen Haaren herum. Das passiert so alle paar Wochen, oder auch wenn ich sie mal gewaschen habe. Das habe ich heute und dann weiß ich ja selbst, dass ich nicht mehr wie ein menschliches Wesen aussehe.
Dieses ganze Haarpracht-Volumen und die verdammte Fülle, so, wie es uns ja auf den Shampoo-Flaschen versprochen wird! Alles ist so schrecklich locker und aufgebauscht, kein Zusammenhalt mehr in dem ganzen Gewölle, mein Kopf ist auf einmal viel größer und runder … ach, es sieht einfach unmöglich aus. Da muss dann erst mal wieder Fett in die Haare, damit man da auch gestalterisch wirken kann. Nivea geht eigentlich ganz gut.
Ja, direkt nach einer Haarwäsche sehe ich aus wie ein Alpaka oder Richard Wagner, wie ein … ein aufgeplusterter prähistorischer Vogel oder wie …. wie …