Perry Rhodan - Die Chronik Band 1. Michael NagulaЧитать онлайн книгу.
lässt. Alle Umstände – die Ideen, die Macher und die Begeisterung der Erstleser, der viel strapazierte Zeitgeist – waren damals an einem Punkt und zur besten Zeit auf das Glücklichste zusammengetroffen. Ich bin stolz, dass ich an Bord berufen wurde und eingestiegen bin; und dass ich den Lesern der Chronik etwas aus der »fernen Vergangenheit« berichten konnte.
Ich wünsche der PERRY RHODAN-CHRONIK, ihrem Verfasser und dem Verlag viel Erfolg und freue mich, ein wenig daran mitgewirkt zu haben.
Was PERRY RHODAN vorausging
Die Welt war traumatisiert. Sie hatte gerade den bislang größten und verheerendsten Konflikt in der Menschheitsgeschichte hinter sich gebracht, den Zweiten Weltkrieg, bei dem sage und schreibe sechzig Millionen Menschen ums Leben gekommen waren, fast die damalige Bevölkerungszahl Deutschlands. Beinahe sechs Jahre lang hatte der Krieg gedauert, der in Europa im September 1939 mit den Angriffen des Deutschen Reiches und der Sowjetunion auf Polen begann und am 8. Mai 1945 mit der Kapitulation der Wehrmacht endete, aber die politischen und gesellschaftlichen Folgen für die gesamte Welt sollten noch Jahrzehnte später deutlich zu spüren sein.
Niemand war von dem Krieg verschont geblieben. Im Holocaust hatte das Dritte Reich zehn Millionen Menschen in Konzentrationslagern getötet, sechs Millionen Juden und vier Millionen Angehörige anderer Volksgruppen. Es war zu einer millionenfachen Entwurzelung in Form von Emigration, kriegsbedingter Flucht und Vertreibung ganzer Bevölkerungsgruppen gekommen. Alle Kriegsteilnehmer hatten immer neuartigere Waffen eingesetzt – zuletzt die noch von den Deutschen mitentwickelte Atombombe, die amerikanische Bomber auf Hiroshima und Nagasaki fallen ließen.
Die Sowjetunion gab in den folgenden Jahren über eine Million Kriegsgefangene frei, aber es dauerte bis 1955, ehe die letzten Zehntausend nach Deutschland heimkehrten. Sie fanden ein Land vor, das von vier Besatzungsmächten kontrolliert wurde: der Sowjetunion, den USA, Großbritannien und Frankreich. Und die Städte glichen noch immer Trümmerlandschaften, weil der Wiederaufbau nur mühsam vorankam.
Bei den Supermächten Sowjetunion und USA hatte das Kriegsende nicht gerade zu einem Ende globaler Machtansprüche oder einem Nachlassen ideologischer Zwangsvorstellungen geführt. Für beide war der jeweils andere des Teufels, und so polarisierten sich die weltanschaulichen Gegensätze und Machtinteressen im so genannten Kalten Krieg, der sich rasch auch auf den Weltraum ausdehnte. Der Weltraum war das neue Grenzland, in dem zunächst wenigstens symbolisch eine neue Vormachtstellung errungen werden konnte. Gleichzeitig war er der Inbegriff grenzenloser Freiheit, weil er noch völlig unerschlossen von Machtinteressen war.
Aber das sollte sich nun ändern. Am 4. Oktober 1957 begann mit dem Start von »Sputnik I« das Raumfahrtzeitalter, und die »Russen« hatten die Nase vorn. »Sputnik I« war der erste künstliche Erdsatellit. Zwei Jahre später, am 13. September 1959, war »Lunik II« der erste künstliche Flugkörper, der gezielt auf der Mondoberfläche aufschlug. Und am 12. April 1961 sollte mit dem ersten bemannten Raumflug von Juri Gagarin die Sowjetunion endgültig zur führenden Raumfahrtnation werden.
In dieser Situation, mitten im Kalten Krieg, suchte die USA nach einem Gebiet der Raumfahrt, auf dem sie ihren Konkurrenten schlagen konnten. Bereits im Juli 1960 hatte in Washington eine Konferenz stattgefunden, auf der die NASA und verschiedene Industriebetriebe einen Langzeitplan für die Weltraumfahrt erarbeiteten. Geplant war eine bemannte Mondumrundung – von einer Landung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Rede. Sie verabschiedeten ein Projekt, das den Namen Apollo trug – nach dem Gott der griechisch-römischen Mythologie, der als treffsicherer Bogenschütze galt.
Was blieb den USA jetzt, nach Gagarins erfolgreicher Erdumkreisung, noch übrig, um den »Russen« ihre Führungsposition in der Raumfahrt spektakulär wieder abzujagen? Nur die Landung auf dem Mond. Am 25. Mai 1961, eineinhalb Monate nach dem großen Erfolg der Sowjetunion, hielt der neue US-Präsident John F. Kennedy vor dem amerikanischen Kongress eine berühmte Rede, in der er eine Vision formulierte: »Ich glaube, dass diese Nation sich dem Ziel verschreiben sollte, noch vor Ende des Jahrzehnts einen Menschen auf dem Mond landen und ihn sicher zur Erde zurückbringen zu lassen. Kein einziges Weltraumprojekt wird die Menschheit in dieser Zeit mehr beeindrucken und wichtiger für die Erforschung des entfernteren Weltraums sein; und keines wird so schwierig zu erreichen sein und so kostspielig werden.«
Nicht einmal vier Monate später lag an den Kiosken in Deutschland das erste PERRY RHODAN-Heft aus. Es handelte von vier entschlossenen Männern, die diese Vision leben und 1971 von Nevada Fields ins neue Grenzland aufbrechen – und die auf dem Mond in den Besitz einer fortgeschrittenen Technologie gelangen, die es ihnen ermöglicht, der Welt als »Dritte Macht« endlich den lange ersehnten Frieden zu bringen.
Kurt Bernhardts Überlegungen
In München brütete ein beleibter Redakteur, der nicht gerade für seine Sanftmut bekannt war, über einer neuen SF-Serie im Heftformat. Kurt Bernhardt, Jahrgang 1916, war schon ein alter Hase im Verlagsgeschäft. Lange Jahre hatte er beim Rastatter Heftverlag Pabel, dem Erzkonkurrenten des späteren PERRY RHODAN-Verlegers Moewig, die dortige Science Fiction-Sparte betreut – in Deutschland die erste ihrer Art! 1959 war er dann zum Wilhelm Heyne Verlag gewechselt, wurde dort als Cheflektor für den wachsenden Taschenbuchsektor tätig und betreute zudem die Heftreihen des angeschlossenen Moewig Verlags. Jetzt machte er sich Gedanken über die Zukunft – und die lag für ihn im Romanheft.
Der Hunger der Deutschen nach Unterhaltung wuchs nämlich zusehends. Stillen konnten die Menschen ihn aber, zumindest aus heutiger Sicht, bestenfalls notdürftig. Das Fernsehen steckte noch in den Kinderschuhen, Dutzende von Kanälen und Dauerberieselung schienen pure Science Fiction, Reisen und teure Hobbys kamen nur für wenige Begüterte in Frage. Dem Durchschnittsbürger blieben bescheidene Freuden: der gelegentliche Kinobesuch, das Radio und natürlich das Lesen.
Doch selbst hier mussten die meisten auf den Pfennig sehen: Gebundene Bücher waren sündhaft teuer, das Taschenbuch gerade erst erfunden und öffentliche Bibliotheken dünn gesät. Lesehungrige gingen stattdessen in die überall zu findenden gewerblichen Leihbüchereien. Für einige Groschen pro Woche konnte man dort Unterhaltungsware aller Art mieten, so genannte Leihbücher. Auf dickem, minderwertigem Papier gedruckt, mit grellen, effektheischerischen Titelbildern versehen, hatten sie aber im strengen und moralischen Klima der Fünfziger- und Sechzigerjahre etwas Anrüchiges. Viele Leihbücher wurden sogar indiziert.
Aufmerksamen Beobachtern wie Kurt Bernhardt entging nicht, dass die Leihbüchereien ihren Zenit bereits überschritten hatten. Im Aufstieg begriffen war hingegen der Heftromanmarkt. Zahllose Titel wetteiferten an den Kiosken um die Aufmerksamkeit der Leser. Ob Western, Heimat- oder Liebesroman, kaum ein Genre der Unterhaltungsliteratur wurde ausgelassen.
Im Bereich des Science Fiction-Hefts bestritten zwei Verlage den Löwenanteil der Publikationen, der Rastatter Erich Pabel Verlag mit UTOPIA und UTOPIA GROSSBAND sowie der Münchner Arthur Moewig Verlag mit TERRA und TERRA SONDERBAND. All diese Reihen waren zwischen 1953 und 1958 gestartet, und vom Konzept wie vom Design her ähnelten sich die Produkte. Man hatte anfangs auf meist gekürzte Übersetzungen englischer und amerikanischer Autoren gesetzt und später auf Nachdrucke deutscher Autoren aus den Leihbüchern. Dazu gesellte sich inzwischen eine immer größer werdende Anzahl deutscher Nachwuchsautoren, die versuchte, mit ihren angloamerikanischen Kollegen gleichzuziehen.
Was es noch nicht gab, waren Serien mit längeren, über zwei oder drei Hefte hinausgehenden Handlungsbögen. Der erste Versuch in diese Richtung, die Abenteuer des Weltraumhelden JIM PARKER, war bereits im Jahre 1957 eingestellt worden – nach immerhin 59 Ausgaben in nur vier Jahren. Die Qualität der Ideen hatte mit der englischsprachigen Konkurrenz einfach nicht mithalten können.
Es waren eher hausbackene Erlebnisse gewesen, die der forsche Titelheld und Raumfahrer, der mit seinem Kumpel Fritz Wernicke seinen Geburtstag zwischen Erde und Venus mit Waldmeisterlikör feierte, als Abenteuer verkauft hatte. Selbst in den spießigen Fünfzigern konnten sie niemanden so recht vom Hocker reißen. Außerdem unterschieden sie sich von Band zu Band nur unwesentlich, was auch daran lag, dass die Serie von einem einzigen Autor geschrieben