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Paganini - Der Teufelsgeiger. Christina GeiselhartЧитать онлайн книгу.

Paganini - Der Teufelsgeiger - Christina Geiselhart


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du mir das erklären?“

      „Das Gewicht des Körpers ruht auf dem linken Bein, der rechte Fuß wird leicht nach vorn versetzt. Die Geige hält man zwischen Kinn und Schulter liegend, ohne Stütze der linken Hand, der Ellbogen nach innen, damit die Finger mit Kraft niedersausen …“

      „Das ist mir bekannt. Nur, Niccolò hebt immer eine Schulter etwas höher, so dass er schief aussieht, der Gimpel! Doch was ist mit dem Bogen?“

      „Der Daumen liegt leicht gebogen am Anfang des Frosches, das Ende des Zeigefingers gebogen auf dem Holz, sozusagen zum Ausbalancieren. Während des Spiels ruht die Violine im rechten Winkel zum Körper, das heißt, man hebt den rechten Arm so weit an, bis sich der Bogen mit den Saiten auf gleicher Höhe befindet. Capito?“

      Antonio wackelte mit dem Kopf, zuckte mit den Schultern, murmelte, er habe bei Niccolò nie auf diese Details geachtet und nie wäre ihm seine Haltung oder Bogenführung absonderlich vorgekommen. Im Gegenteil, auf alten Gemälden und Lithographien hielten die Geiger ihr Instrument immer mit einer leichten Neigung nach unten.

      „So lehrt die italienische Schule des 18. Jahrhunderts, doch das ist veraltet. Inzwischen gilt die verfluchte französische Schule, auf die Niccolò offensichtlich pfeift. Diese Franzosen wollen sich überall breitmachen, auch in der Musik, und Niccolò sträubt sich mit Recht dagegen. Sie entspricht ihm nicht. Er hat seine eigene Methode gefunden dank der er genial spielt. Was willst du mehr, Antonio? Fördere ihn, statt an ihm rumzumäkeln.“

      Ein wenig bereute er nun, den Jungen wegen jeder Kleinigkeit so schrecklich verprügelt zu haben. Seine Frau hatte recht gehabt, den schmalbrüstigen Kerl zu schützen. Sie hatte oft recht, obwohl sie ein einfältiges und dummes Weib war und seit der Geburt von Paola ziemlich hässlich geworden. Durch ihre Haare zogen Silberfäden, ihre Haut war bräunlich-gelb gescheckt, aber am schlimmsten sah sie aus, wenn sie zeterte. Jedes Kind hatte einen Zahn gekostet, und da Teresa mittlerweile sieben geboren hatte, fehlten ihr sieben Zähne, zwei davon in der vorderen oberen Reihe. Maria benedetta, hatte Teresa ein gutes Herz. Vielleicht liebte sie sogar ihren Mann. Jedenfalls liebte sie alle ihre Kinder, auch die gestorbenen. Die lebenden hütete sie wie eine Henne, bekochte sie gut, sang ihnen Lieder vor und salbte sie mit Olivenöl ein. Nur schade, dass sie von Hausarbeit nichts hielt. Dreck und Unrat verklebten die Winkel, Staub bedeckte die Möbel, Schimmel die Wände, schmierige Schlieren verunreinigten die Böden, Flecken die Fenster. Diese Wohnung ähnelte einem Hühnerstall. Und in diesen Hühnerstall kam Antonio als geschlagener Gockel auf allen Vieren zurück. Er würde sich seine Niederlage nicht anmerken lassen, stattdessen wollte er Niccolò bald mit einer neuen, besseren Geige überraschen.

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      Vater hat mich nie mehr wegen meiner Haltung geschlagen. Auch nicht wegen irgendetwas anderem. Noch immer ist er streng, manchmal gibt es eine Backpfeife, aber er ist nicht mehr ganz so finster und böse. Als letzten Winter ein englischer Admiral unsere schöne Stadt belagerte, wurde er sogar freundlich. Er versammelte uns Kinder im Wohnzimmer und erklärte, was die Engländer in Italien suchten. Er sagte: Sie wollen mehr Land, mehr Macht und mehr Geld. Ähnlich den Österreichern, bloß dümmer. Sie wollen, dass wir alle englisch reden, ihr scheußliches Bier trinken, ihre Ideen annehmen und ihren Regen. Er sagte, wegen der Engländer könne er mir die neue Geige nicht zu Weihnachten schenken. Die Engländer hinderten ihn an seinen Geschäften, sagte er, aber sie würden ihn und mich nicht daran hindern, viele Konzerte zu geben. Schon wenige Monate später kamen die Franzosen und verscheuchten den englischen Admiral. Darüber waren wir nicht besonders froh, denn es hieß, junge Genueser Männer müssten in den Krieg gegen Frankreich ziehen. Vater ist zwar nicht jung, aber auch nicht alt, und er ist nicht so böse, dass wir ihn ins Pfefferland wünschen. Auch Mama mag ihn trotz seiner scharfen Stimme und den buschigen Brauen, die schwarz wie das Gefieder eines Raben über den funkelnden Augen wachsen. Er blieb also bei uns und so konnten wir unsere Pläne verwirklichen. Ich studiere weiterhin bei Costa, dabei hasse ich den Mann täglich mehr. Er schiebt immerzu meine Geige in eine horizontale Lage und tut mir dabei weh. Er zupft an meinem rechten Arm, als sei er eine Saite, und rammt ihn nach oben. Er schlägt auf meine Schultern, drückt sie mit seiner schweren Pranke, weil ich die Gewohnheit habe, sie hochzuziehen. Er schüttelt mich, stampft mit dem Fuß auf, wenn ich die Geige sinken lasse, rauft sich die Haare, wenn ich Auftakte mit dem Niederstrich, Niederschläge mit dem Aufstrich vortrage. Er staunt allerdings darüber, wie gekonnt ich den Bogen zwischen Daumen und Zeigefinger halte. Leicht wie eine Feder, doch kraftvoll wie ein Pfeil, sagt er und fügt an, dass mir Gott einen überlangen kleinen Finger verpasst habe, damit ich den Bogen sorglos im Gleichgewicht halten könne. Ein Quälgeist, der die Quälerei meines Vaters zeitweise übertrifft. Denn während Vater milder wird, zwingt mir Costa nun ein Pensum von zehn Stunden Übungen täglich auf. Das macht mich außerordentlich müde und manchmal wird mir schlecht, ich schwanke und falle hin. Aber immer so, dass meiner Geige nichts geschieht. Da bin ich sehr vorsichtig, denn ich liebe sie irgendwie. Ich schlafe mit ihr ein und wache mit ihr auf. Sie ist meine Gefährtin, obwohl mir ihre Stimme nicht besonders gefällt. Es ist wie mit Menschen. Manche haben einen Geruch, der abstößt, und manche haben Stimmen, die klirren. Ich hätte Vater anvertrauen können, dass der Klang meiner Geige mir Kopfschmerzen verursachte, ließ es aber sein, um seinen Zorn nicht zu reizen. Ich habe ihm aber gesagt, dass meine Vorträge in der Chiesa di San Filippo Neri im Mai und in der Chiesa Nostra Signora delle Vigne im Dezember weitaus schöner ausgefallen wären, hätte ich eine bessere Geige gehabt. Er zitierte als Antwort eine Zeitung, die von einem „wohlklingenden Konzert“ schrieb. Ich entgegnete, dass die meisten Genueser über jene Durchschnittsohren verfügten, in denen ein verstimmtes Klavier wohltemperiert klinge. Er antwortete mit einer Backpfeife. Nun gut. Jedenfalls wollte er vom Kauf einer Geige vorerst nichts wissen. Zu teuer! Nicht nötig! Ein Talent könne zaubern, sagte er. Ein talentierter Musikant hole aus einer krächzenden Geige himmlische Melodien.

      Das brachte mich auf die Idee, mein Konzert im Teatro S. Agostino mit Vogelgezwitscher zu beenden. Ich wartete den Jubel und das Getrampel des Publikums verneigend und lächelnd ab und schob, sobald ein wenig Ruhe eingekehrt war, meine Geige erneut unters Kinn. Applaus ließ das Haus von neuem erbeben. Die Zuhörer hofften auf eine Zugabe im klassischen Sinn. Mich aber ritt ein Kobold. Statt einer klassischen Zugabe imitierte ich den Gesang einer Nachtigall. Ich schloss die Augen. Im Saal herrschte unwirkliche Stille und ich fühlte die Nacht um mich aufsteigen. Eine helle, strahlende Nacht, in der die Nachtigall ihren Geliebten ruft. Als ich die Augen öffnete, fürchtete ich die Reaktion des Publikums und als ich zu meiner Rechten die schwarzen Augen meines Vaters blitzen sah, fürchtete ich sogar um mein Leben. Der Erlös dieser Veranstaltung nämlich sollte mir mehr Türen öffnen, höhere Studien ermöglichen, die mein Vater nicht zahlen konnte. Er hatte sogar einen Artikel in der Gazetta di Genova veranlasst, der die Leute zum Kommen zusammentrommelte. Und da waren sie nun, viele neugierige Genueser, die mein Konzert rasend beklatschten und denen ich als Dank zum Abschluss Vogelgesang präsentierte. Würden sie es mir verübeln? Die seltsame Ruhe, die eintrat, nachdem ich meine Geige abgesetzt hatte, machte mich nervös. Ich tänzelte verlegen hin und her, da streifte mein Blick meinen Vater. Er lächelte. Nein, mehr noch. Er lachte und mit ihm lachten plötzlich alle. Und diese amüsierten Lacher schickte der Sturm wie kleine Wellen den großen Wellenbrechern voraus. Sekunden später erzitterte das Teatro unter dem Beifallsgetöse des Publikums. Ich hatte gewonnen. Vater erwog nun wenigstens den Gedanken an eine gute Geige. Und dieser Gedanke ging in ihm um. Er erkundigte sich, besuchte Musikhandlungen, ließ sich in die Geigenmacherzunft einweihen, aber zögerte.

      Mein Konzert hörte auch ein junger Mann, den sie als den Marchese Giancarlo Di Negro ansprachen und sich dabei verneigten. Unglücklicherweise sah ich ihn erst am Schluss der Vorstellung, denn wäre mir seine Anwesenheit aufgefallen, hätte ich meine Variationen über „La Carmagnola“ nicht gespielt. Vater sagte, es sei nicht ratsam, einen Adligen an die Jakobiner zu erinnern. Vor allem nicht jetzt, da in Frankreich die Köpfe der Blaublütigen rollten. Mein Lehrer Luigi ist Jakobiner, nur Vater weiß es nicht. Er hat mir einen Kopfputz gezeigt, den sie die phrygische Mütze nennen und die von den Jakobinern Frankreichs getragen wird. Mein Lehrer Luigi ist schuld daran, dass ich die Melodie von „La Carmagnola“ kenne. Nachdem er sie mir einmal vorgesungen hatte, echote sie in meinem


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