Arkadiertod. Thomas L. ViernauЧитать онлайн книгу.
mit dem preußischen Adler vom Arm, das ihn als Staatsbeamten auswies. Von den Fassaden wurden überall die Schwarzen Adler entfernt. Alles was auch nur entfernt an preußische Hoheitszeichen erinnerte, wurde von den beflissenen Berlinern übermalt oder abgehangen. Die königliche Kunstausstellung, die erst vor wenigen Wochen geöffnet hatte, schloss ihre Pforten. Man sah, wie eilig Portraitbüsten der königlichen Familie herausgetragen wurden.
Kopfschüttelnd standen ein paar Leute herum und beobachteten das konfuse Treiben ihrer Mitbürger. Wie konnte man nur so schnell die Seiten wechseln? Gab es denn überhaupt kein Ehrgefühl?
Eine sehnige Dame, die vor einem Modesalon herumwirtschaftete und bemüht war, ihr Aushängeschild mit dem schwarzen Preußenadler abzumontieren, lamentierte lautstark herum.
»Wir müssen seh’n wo wir bleiben. Der König haut einfach ab, doch wir müssen uns arrangieren. Keine Zeit für Sentimentalitäten!«
Sie sprach mit gewollt hochdeutschem Sprachduktus und versuchte, ihre Berliner Herkunft zu verleugnen.
Angewidert wandten sich die herumstehenden Männer ab. So etwas hatten sie sich in ihren schlimmsten Alpträumen nicht vorgestellt. Berlin kroch zu Kreuze. Einem Eroberer, der den preußischen Ungehorsam nicht vergessen würde.
Was für ein bitterer Tag war das!
Der Mann mit dem Zweispitz und dem zerfurchten Gesicht stand mitten in der kleinen Gruppe ratlos dreinschauender Männer, die Berlins vorzeitige Kapitulation miterleben mussten. Er musste hier weg. Die Stimmung kippte und er ahnte, dass er nicht mehr sicher war in der Stadt.
Er nickte seinen Begleitern kurz zu. Dann machte er sich auf den Weg. Durchs Brandenburger Tor, quer durch den Tiergarten, nach Charlottenburg und von da weiter Richtung Glienicke, über die Havel in die alte Residenz Potsdam.
Der Besuch Napoleons in der Gruft fand am oder bald nach dem 24. Oktober 1806 statt.
Die Worte: »... lebte er noch, so wären wir nicht hier« soll er angesichts des Degens Friedrich II., ich glaube, dann auf Sanssouci, gesprochen haben.
Hier in der Gruft sagte er nur: »Sic transit gloria mundi.« Draußen fragte er ..., was die Statuen neben der Gruft bedeuteten. Gey sprach etwas von heidnischen Gottheiten, allegorischen Figuren, Symbolen der Kriegskunst etc., als ob Napoleon nie von Mars und Minerva gehört hätte, worauf der Kaiser ihn anstarrte und dann mit einem lauten, langgezogenen »Bah« antwortete.
Theodor Fontane in
»Wanderungen durch die Mark Brandenburg«
Band 6 »Flecken und Dörfer im Lande Ruppin«
III
Potsdam, Park Sans,Souci.
Nacht vom Dienstag zum Mittwoch,
21. zum 22. Oktober 1806
Seit den Zeiten Friedrichs des Großen war der Park Sans,Souci. verwaist. Sein Nachfolger, der als dicker Lüderjahn bekannte Friedrich Wilhelm II., ein Genussmensch, der mit seiner Maitressenwirtschaft Preußen an den Rand des Bankrotts gebracht hatte, zeigte dem Park die kalte Schulter.
Sans,Souci. war das Werk seines ungeliebten Onkels, des Königs Friedrich II. Er, Friedrich Wilhelm II., hatte seinen eigenen Park erbauen lassen: den Neuen Garten. Und zwar ganz so, wie es ihm gefiel. Das Marmorpalais wurde sein Herzstück, in dem er sich auch am liebsten aufhielt. Die gotisch anmutende Privatbibliothek, die einer antiken Ruine nachempfundene königliche Küche und der geheimnisvolle Eiskeller, dessen Pyramidenform allen Rätsel aufgab, waren die Renommierbauten des eitlen Frauenhelden.
Der jetzige König, Friedrich Wilhelm III., war wiederum das ganze Gegenteil seines Vaters. Der hochgewachsene junge Mann, der etwas steif und linkisch in seiner blauen Uniform daherkam, machte kurzerhand Schluss mit der Günstlingswirtschaft, entließ die Minister seines Vaters, allen voran die beiden Hauptverantwortlichen für die Misere: den Finanzminister von Woellner und den Staatsminister von Bischoffwerder, beides auch die führenden Köpfe der unheimlichen Rosenkreuzer-Gesellschaft, in der sein Vater ebenfalls mittat.
Die beiden machte er verantwortlich für die Misswirtschaft. Genauso die Maitresse des Herrn Papa, die Encke, eine Musikantentochter. Sie war als Gräfin Lichtenau bei Hofe etabliert und wurde kurzerhand verbannt.
Doch auch der neue König hatte für Sans,Souci. nicht viel übrig.
Er fühlte sich wohler in seiner Wohnung im Stadtschloss. Friedrich Wilhelm liebte es, mit seiner jungen, schönen Frau, der Königin Louise, wie ein normaler Bürger durch die belebten Straßen zu flanieren und unter einfachen Leuten zu sein.
Die Sommermonate verbrachte er draußen in Paretz, einem kleinen Mustergut unweit des Städtchens Ketzin. Paretz konnte man schwerlich als Schloss bezeichnen. Das ehemalige Gutshaus hatte der junge Prinz nur ein wenig umbauen lassen. Der ländliche Charakter des vom Hofe etwas spöttisch auch als Schloss »Still ins Land« bezeichneten Anwesens, gefiel dem Königspaar. Sie hatten dort draußen ihre beste Zeit.
Jetzt war Sans,Souci. verlassen vom Hofbetrieb wie ein verwunschener Garten. Dem Königspaar schien Sans,Souci. einfach zu protzig. Man merkte dem Park die höfische Vernachlässigung an. Es gab zwar noch immer die Hofgärtner und Parkwächter, aber Sans,Souci. hatte schon etwas Patina angesetzt.
Die Melonerie produzierte immer noch seltenes Obst für die Hofküche, es blühten immer noch seltene Sträucher und exotische Bäume im Park und zahlreiches Federvieh belebte immer noch die kleinen Kanäle. Aber es war ein stilles, nicht mehr so prächtiges Dasein. Der Park schien in einen Dämmerschlaf gefallen zu sein und wartete auf den Kuss eines Prinzen.
Dieser Prinz kam. Jedoch nicht der erhoffte Preußenprinz. Es war ein vollkommen anderer Prinz, einer der nach Pulver roch und mit blank gezogenem Säbel auf einem weißen Hengst durch die Straßen Potsdams ritt. Seine mediterranen Gesichtszüge mit der scharf geschnittenen Nase, den dunklen, misstrauisch blickenden Augen und dem schwarzen Haar, das unter seinem Zweispitz hervorquoll, wiesen ihn eindeutig als Mann aus dem Süden aus. Dieser Südländer musterte misstrauisch alles, was sich links und rechts der Potsdamer Prachtstraße aufreihte. In seinem Gefolge ritten ebenfalls fremdländisch anmutende Offiziere in exotischen Uniformen.
Kein Preußisch Blau! Oh, nein!
Es war auch ein Blau, aber eher Pariser Blau. Dazu weiße Hosen in hohen schwarzen Stiefeln. Ganz offensichtlich keine Preußen!
Wenn sich diese Männer unterhielten, dachte man zuerst an die Tafelrunde des Alten Fritz. Dort herrschte ein ähnlicher Klang. Allerdings hatte dieses rau anmutende Mililtärfranzösisch nicht viel zu tun mit dem eleganten Salonfranzösisch der friderizianischen Zeit. Es waren die Offiziere der Napoleonischen Armee, die beim nächtlichen Einmarsch in Potsdam ihre Eindrücke austauschten. Der Mann, der schweigend an der Spitze seiner Offiziersgarde ritt, war der selbstgekrönte Kaiser und oberste Feldherr der Franzosen, Napoleon Bonaparte.
Der Korse lenkte sein Pferd Richtung Innenstadt. Dort warteten bereits die Honoratioren, angetreten, sich ihm zu unterwerfen. Sie hofften, so der Plünderung der Stadt zu entgehen. Napoleon wusste das und grinste unverschämt als er die schlotternden Stadträte in Reih und Glied strammstehen sah.
Gespenstische Stille herrschte, als der Sieger in der Nacht die alte preußische Residenzstadt Potsdam kampflos übergeben bekam. Alle schauten gespannt auf ihn. Ihr Wohl und ihr Leben hingen von dem Willen dieses Mannes ab, dessen Mimik schwer zu deuten war.
Der Korse unterhielt sich kurz mit dem Bürgermeister, der eifrig dienerte und katzbuckelte. Dann verschwand der Kaiser mit einigen seiner Generäle in der Garnisonkirche. Das Volk munkelte, er sei hinab gestiegen in die Gruft, da, wo der Alte Fritz lag. Sogar seinen Hut soll er gezogen haben, als er an dessen Katafalk stand.
Einer