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DSA: Rabenerbe. Heike WolfЧитать онлайн книгу.

DSA: Rabenerbe - Heike Wolf


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Zuflucht.

      Said strich mit der Hand über die Regalbretter, zerrieb den trockenen Staub zwischen den Fingerspitzen, ehe er durch den niedrigen Durchgang in den zweiten Kellerraum ging. Hier lagerten vor allem Gerümpel, kaputte Fässer, die der Wirt irgendwann reparieren wollte, Bretter, leere Säcke und allerlei Vorräte. Reissäcke stapelten sich an einer Wand, daneben großen Amphoren, in denen Oliven und andere Dinge in Öl aufbewahrt wurden. Der Geruch nach geronnenem Blut hing in der Luft, und als Said die Lampe hob, fiel der Lichtschein auf zwei frisch geschlachtete Selemferkel, die an Haken von der Decke baumelten. Auf einem Block daneben steckte ein schweres Schlachtmesser, an dessen Klinge noch Knochenreste und Blut klebten. Eine dicke Schicht Fliegen hatte sich auf dem Fleisch und dem Eimer mit den Eingeweiden niedergelassen, der neben dem Hauklotz stand.

      Saids Blick wanderte umher, während er versuchte, sich alles so gut wie möglich einzuprägen. Jede Einzelheit war überlebenswichtig, vor allem im Kampf mit einem überlegenen Feind. Der Wirt war wahrscheinlich der gefährlichste Gegner, mit dem es Said jemals zu tun gehabt hatte. Meister Darjin hatte ihn alles gelehrt, was er über die Hand Borons wissen musste, die berüchtigte Meuchlergilde Al’Anfas. Dennoch spürte Said die Anspannung, die die Hand mit der Lampe zittern ließ. Die Worte des Meisters waren eindeutig gewesen: Said durfte der Hand Borons auf keinen Fall lebendig in die Hände fallen. Wenn er den Keller verließ, war er entweder erfolgreich, oder er starb bei dem Versuch.

      Er schloss die Augen und ermahnte sich stumm zur Ruhe. Ein ruhiges Herz und ein beherrschter Geist waren zwei der wichtigsten Aspekte des schnellen Todes. Ein dritter war die Überraschung, der unvorhergesehene Moment, und der musste gelingen. Der Wirt ahnte nicht, was Said in Wirklichkeit war, und das war sein größter Vorteil.

      Er kehrte in den Weinkeller zurück und stellte die Öllampe auf einem aufrecht stehenden Fass ab. Noch einmal sah er sich um, während er nach oben lauschte. Es schien alles ruhig, keine Schreie, kein Brüllen oder Krachen von Stühlen und Tischen. Nur das übliche Brummen zahlreicher Stimmen und Schritte auf dem morschen Dielenboden.

      Said holte tief Luft, entließ den Atem langsam und bewusst durch die Zähne. Wenn er sich in dem Wirt nicht getäuscht hatte, war es soweit. Die Aufregung, die eben noch seine Brust eng werden ließ, war verschwunden und hatte einer abgeklärten Anspannung Platz gemacht. Der Wirt war nicht der Erste, den er tötete. In den Jahren, die er bei Meister Darjin verbracht hatte, hatte der Maraskaner ihn immer wieder auf die Probe gestellt. Anfangs hatte sich alles in ihm dagegen gesträubt, und als er erstmals ein Leben genommen hatte, hatten ihn wochenlang Alpträume verfolgt. Doch Al’Anfa war eine grausame Herrin, und wer nicht zerbrechen wollte, musste brechen. Also hatte Said gelernt zu töten.

      Die Tür zum Schankraum scharrte auf den Holzdielen, schloss sich wieder, und ein leises Klappern zeigte Said an, dass der Riegel vorgeschoben wurde. Seine Nackenhaare stellten sich auf, als die Schritte langsam die Treppe hinabstiegen.

      »Du hast heute für einige Unruhe gesorgt.« Die Stimme des Wirts klang ruhig, beinahe erheitert. Er kam die letzten beiden Stufen hinab und trat in den Schein der Öllampe. »Das könnte mich einiges gekostet haben.«

      »Haben sie denn nicht bezahlt?« Said machte einen halben Schritt zurück, bis er gegen das Fass stieß. Seine Hand grub sich in den ausgebleichten Stoff seines Hemds, während er dem Blick des Wirts auswich.

      »Oh doch.« Der Wirt lachte leise. »Das haben sie. Aber sie haben zwei Stühle und ein Dutzend Becher zerschlagen. Hast du eine Idee, wie du das bezahlen willst?«

      Said schüttelte den Kopf, sodass ihm die Haare ins Gesicht fielen. Seine Hand tastete nach dem Rand des Fasses in seinem Rücken. »Nein«, sagte er leise. »Ich habe kein Geld.«

      »Das ist wohl das Problem. Und jetzt?« Der Wirt war stehengeblieben, vielleicht noch einen Schritt von ihm entfernt. Said spürte den Blick, der auf ihm ruhte. »Sieh mich an!«

      Saids Kopf ruckte hoch, er starrte den Mann an, der ihn eingehend musterte. Der Wirt war nicht schön, aber auch nicht hässlich. Ein gewöhnliches Gesicht, das man rasch wieder vergaß, durchschnittlich und unauffällig. Wenn man es nicht wusste, würde man hinter diesem unscheinbaren Mann niemals einen gefährlichen Meuchelmörder vermuten.

      Ein süffisantes Grinsen umschlich die Züge des Wirts. »Ich wüsste, wie du den Schaden wiedergutmachen kannst«, sagte er und senkte die Stimme. »Du bist ein hübscher Bursche, weißt du? Eigentlich viel zu hübsch, um Weinkrüge zu schleppen.« Er überbrückte den verbliebenen Raum zwischen ihnen mit einem Schritt. Said hielt die Luft an, als er den sehnigen Körper des Wirts so dicht an sich spürte, die Hand, die sich nachdrücklich an seinen Hintern schob.

      »Dreh dich um«, flüsterte der Wirt rau an seinem Ohr. Er bleckte die Zähne zu einem raubtierhaften Grinsen. »Sag nicht, dass du das für deinen früheren Herrn nicht gemacht hast.«

      Said presste die Kiefer aufeinander, drehte sich aber gehorsam um. Seine linke Hand suchte Halt am Rand des Fasses, während er mit der anderen damit begann, seinen Gürtel zu lösen.

      Der Wirt lachte leise. »Ich sehe, du bist gut abgerichtet. Dann habe ich mich also nicht getäuscht. Leg dich über das Fass!« Ehe Said reagieren konnte, packte der Wirt ihn am Nacken und drückte ihn grob nach unten. Mit der anderen Hand zerrte er die Hose ein Stück herunter und drängte Saids Beine auseinander. Dann machte er sich an seiner eigenen Kleidung zu schaffen. »Halt still, dann wird es dir vielleicht auch gefallen«, keuchte er.

      Said schloss die Augen, während seine Hand zum Stiefel wanderte, wo die Nadel im Schaft verborgen war. Sein Herzschlag beruhigte sich in dem Moment, als er den kalten Griff des Dolchs an seinen Fingern spürte.

      Eins. Der verschwitzte Körper des Wirts drängte gegen ihn, gierige Lippen küssten seinen Rücken, seinen Nacken.

      Zwei. Schwielige Finger griffen zwischen seine Beine, hart und fordernd, dann richtete sich der Wirt noch einmal auf, um sich in Position zu bringen.

      Drei.

      Die Augen des Wirts weiteten sich, als Said unter ihm herumfuhr und die Nadel vorzuckte. Doch im nächsten Moment wusste Said, dass er seinen Gegner unterschätzt hatte. Der Wirt warf sich zur Seite, sodass die Vierkantklinge nicht wie geplant die Kehle durchbohrte, sondern nur die Schulter streifte. Mit einem wütenden Aufschrei prallte der Mann zurück, machte einen Satz nach hinten, ohne dabei über seine heruntergelassene Hose zu fallen, und zerrte etwas unter seinem Hemd hervor.

      Said stieß einen stummen Fluch aus und schlug die Öllampe zur Seite. Mit einem hässlichen Geräusch krachte sie auf den Basaltboden und erlosch. Schwärze umfing sie.

      Hastig rollte er sich zur Seite und zog noch in der Bewegung die Hose hoch. Keinen Moment zu früh, denn im selben Moment schlug etwas hart auf das Fass ein, genau an der Stelle, wo er gerade noch gehockt hatte.

      Mit einer schnellen Bewegung brachte sich Said außer Reichweite und zog den Gürtel wieder zu. Atemlos lauschte er in die Dunkelheit. Nun war das Überraschungsmoment vorbei, und sie waren beide Jäger und Gejagte. Der Gedanke ließ seinen Nacken kribbeln.

      »So ist das also.« Die Stimme des Wirts klang erheitert, fast als freue er sich über einen gelungenen Scherz. »Du kleine, miese Made. Du hast wohl gedacht, leichtes Spiel mit mir zu haben, wie? Dann komm und bring es zu Ende.«

      Said verharrte regungslos, hielt den Atem an, während er auszumachen versuchte, wo sich sein Gegner befand. Doch die Dunkelheit und der Widerhall in den engen Räumen machte die Orientierung nahezu unmöglich.

      Schritte klangen auf dem harten Steinboden, hielten inne.

      »Du meinst, du könntest dich vor mir verstecken?« Ein abfälliger Laut. »Glaubst du wirklich, du könntest mich in meinem eigenen Bau besiegen?« Langsam setzten sich die Schritte wieder in Bewegung, hallten von den Basaltwänden wider, schienen von überall zu kommen. »Ich weiß nicht, wer dich geschickt hat, aber es wäre gut, wenn du es mir sagst, bevor ich dich töte. Damit ich ihm deinen Kopf schicken kann.«

      Saids Finger schlossen sich fester um den Griff seines Dolchs. Sein Herz raste, dass er meinte, der Meuchler müsste es in der Stille des finsteren


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