Professors Zwillinge in der Waldschule. Else UryЧитать онлайн книгу.
gehören uns beiden und heißen nach uns«, gab Herbert Auskunft.
»Na, mein Junge, ich glaube, daß die Zwillinge am Himmel doch etwas älter sind als ihr beide hier unten. Die haben schon vor Tausenden von Jahren am Himmel gestanden, als ihr noch nicht auf der Welt wart. Aber wenn das euer Namensstern ist, dann will ich wünschen, daß es ein Glücksstern für euch bedeutet.«
Klinglingling – war das die Glocke des Luftschiffes, die zur Abfahrt läutete? Nein, es war ja bloß die Schulglocke, die den Schluß der Stunde anzeigte. Was war die Himmelskunde heute für eine hübsche Unterrichtsstunde gewesen. Die ganze Klasse freute sich schon auf die nächste Geographiestunde bei dem netten Herrn Dr. Tiedemann, wo sie wieder ins Sternenreich reisen würden.
2. Kapitel. Eine große Neuigkeit
Aus der Grundschule draußen in Treptow strömten die Schüler und Schülerinnen. Den Schulranzen auf dem Rücken, die Mütze schief auf dem Kopf, so drängten sie sich durch das breite Tor hinaus in den Frühlingssonnenschein. Eigentlich war es noch gar nicht richtiger Frühling. Man schrieb erst den dritten März. Aber die Sonne schien heute so lustig und warm, daß die Buben bereits Pläne machten, am Nachmittag auf der großen Sportwiese zum erstenmal wieder Drachen steigen zu lassen.
»Ach, lieber Murmeln spielen im Park, Herbert, da können wir Mädel auch dabei sein«, bat Suse leise den Bruder.
»Ihr könnt auch ruhig mit Drachen steigen lassen«, sagte Herbert großmütig. »Ich bringe meine Schwester mit.«
»Ich auch.« – »Ich auch«, rief es hier und dort.
»Nee, ach nee, das ist gar nicht schön, wenn die Mädchen wieder dabei sind. Die sind ja aus Marzipan und heulen, wenn man bloß mal ein bißchen doller mit ihnen boxt.«
»Der Herbert Winter muß immer seine Schwester dabei haben. Als ob wir Männer nicht auch mal unter uns sein können!« rief ein Knirps, sich in die Brust werfend.
»Schön, dann gehen wir eben Murmeln spielen, Suse«, bestimmte Herbert.
»Wenn es dir aber mehr Freude macht, Drachen steigen zu lassen?« wandte Suse als gute Schwester ein.
»Ohne dich macht's mir keine Freude.« So war das schon immer bei den Winterschen Zwillingen gewesen. Einer ohne den andern war undenkbar.
»Wir spielen auch lieber Murmeln im Park.« – »Wir auch.« – »Also um vier heute nachmittag!« Herbert und Suse Winter erfreuten sich besonderer Beliebtheit. Der Knirps und sein Freund blieben schließlich allein zum Drachensteigen zurück. Aber auch die Winterschen Zwillinge sollten heute trotz des schönen Sonnenscheins nicht zum Spielen im Park kommen.
Die Geschwister hatten den gleichen Heimweg von der Schule wie ihre Freunde Klaus und Steffie. Jetzt gingen sie nicht zu vieren untergeärmelt, sondern rannten durch die Wege des Treptower Parkes. War das stundenlange Stillsitzen in der Schule oder der erste Vorfrühlingstag mit seinem lustigen, von der nahen Spree herüberjagenden Wind daran schuld, sie jagten sich mit dem Winde um die Wette. Wie Vögel, die dem Käfig entronnen, flogen sie hinaus in das Sonnenlicht.
An der Treptower Sternwarte trennten sich die vier Freunde. Hier pflegten die Winterschen Kinder jeden Mittag auf den Vater zu warten, der dort als Professor der Sternkunde tätig war. Darum glaubte Steffie, der Name Sternwarte käme daher, weil Herbert und Suse stets dort ihren Vater erwarteten.
Heute warteten die beiden umsonst. Der Vater kam nicht zum Vorschein. Sooft sich auch die große Tür zur Sternwarte auftat, wenn auch die Kinder jedesmal einen Anlauf nahmen, ihm entgegenzustürzen. Es war immer ein anderer. Fünfmal hatten sie bereits das beliebte Spiel »Himmelhops« gespielt, und noch immer erschien er nicht. Wo blieb der Vater denn heute nur?
Ein befreundeter Kollege des Vaters kam vorbei und nickte den Kindern freundlich zu.
»Geht nur heim, Kinderchen. Euer Vater ist heute schon lange zu Hause. Es gibt eine Überraschung.« Damit schritt Dr. Schwarz vorüber. Herbert sah Suse an, und die Suse den Herbert. Eine Überraschung – was konnte das bloß sein? Überraschungen gab es doch nur zu Geburtstagen oder zu Weihnachten.
»Ich weiß, Herbert,« sagte Suse pfiffig, »unsere kleine Omama ist zu Besuch gekommen.« Denn das war jedesmal eine freudige Überraschung für die Kinder, wenn sie den weiten Weg nach Treptow herauskam.
»Glaub' ich nicht«, entschied Herbert. »Deshalb geht der Vater nicht früher aus der Sternwarte fort. Dann muß es schon die große Omama aus Freiburg sein.« Die Kinder nannten die Großmütter väterlicher- und mütterlicherseits zum Unterschiede die kleine und die große Omama.
Jedenfalls ging es jetzt im Trab heim. Denn sie waren beide sehr neugierig, was das wohl mit der Überraschung für eine Bewandtnis habe. Die Schulmappe auf ihrem Rücken hopste bei jedem Schritt mit.
Ganz frühlingsmäßig war es heute im Park. Kinderwagen mit munter krähenden Kleinen, Spaziergänger, Kreisel peitschende Kinder. Ja, selbst der Luftballon-Mann, der sich den ganzen Winter nicht hatte sehen lassen, stand mit seinen bunten Ballons wieder da. Plötzlich brach Suse in einen Jubelruf aus: »Veilchen – ach, sieh bloß mal, Herbert. Die ersten Veilchen! Die nehme ich Mutti mit.« Wirklich, da lugte es blau am Wegrande, wo die Sonne besonders warm hinschien, hervor. Suse pflückte die ersten Frühlingsboten zu einem winzigen Sträußchen.
Auch das Haus, in dem sie wohnten, sah heute ganz frühlingsmäßig drein. Der blanke Wetterhahn auf dem Dach funkelte nur so in der Sonne. Die rote Zipfelmütze von dem Steinzwerg, der im Winter irgendwo im Keller geschlafen, leuchtete heute den Kindern wieder aus dem Vordergärtchen entgegen. Am Dachfirst piepsten die Sperlinge, und im Hintergarten gackerten die Hühner. Und da war ja auch wieder der Papagei der Frau Lehmann auf dem Balkon. All ihre guten Freunde hatte der warme Sonnenschein herausgelockt.
Die Treppe hinaufgestürmt. Herbert nahm sogar immer zwei Stufen auf einmal, damit es schneller ging. Sturm geläutet an der Eingangstür. Die Überraschung winkte ja – was war das bloß für eine Überraschung?
Lautes Hundegekläff kam als Echo. Man hörte vier Beine den Gang entlangrasen – das war Bubi, Herberts Hündchen. Der erwartete seine kleinen Freunde jeden Mittag mit Sehnsucht.
»Tag, Lene. Ist die Omama gekommen?« begrüßte Suse das öffnende Mädchen.
Das schüttelte den Kopf. »Nee, Besuch is keiner nich da, aber 'ne jroße Neuigkeit jibt's.« Lene machte ein geheimnisvolles Gesicht.
»Eine Neuigkeit? Ich denke eine Überraschung.« Herbert ließ den vierfüßigen Bubi, dessen glattes, schwarzes Fell er väterlich geklopft hatte, laufen und stürmte weiter ins Wohnzimmer. Suse und Bubi hinterdrein.
»Tag, Mutti – Tag, Vati. Was ist denn los?« riefen sie schon in der Tür.
Vater saß am Schreibtisch und schrieb. Mutti hatte gerötete Augen. Ihre lustige Mutti traurig – nein, das konnte keine schöne Neuigkeit sein, wenn die Mutti deswegen geweint hatte. Die noch eben so lebhaften Kinder sahen betreten drein. Bubi sprang mit fragendem Bellen von einem zum anderen. Selbst der Hund merkte, daß da irgend etwas nicht in Ordnung war.
»Ruhig, Bubi – kusch dich!« befahl sein kleiner Herr. Dann machte er dem drückenden Schweigen beherzt ein Ende. Während Suse sich an Vaters Arm schmiegte, trat er zur Mutter.
»Warum hast du geweint, Muttichen? Und was ist das für eine Neuigkeit?«
»Nee, eine Überraschung«, rief Suse dazwischen.
»Also ihr wißt es schon?« fragte der Vater, das Töchterchen auf das Knie ziehend.
»Wir wissen noch gar nichts. Aber Herr Dr. Schwarz sagte, weil du nicht mehr in der Sternwarte warst, es gäbe eine Überraschung.«
»Unser Vater hat eine Aufforderung bekommen, an einer anderen Sternwarte in Italien zu arbeiten«, erklärte die Mutter mit zuckender Lippe.
»Au fein!« Mit einem Satz war die Suse vom Knie des Vaters. »Famos!« schrie auch Herbert. »Da können wir uns Apfelsinen von den Bäumen pflücken,