Endotoxine und Pyrogene. Michael RiethЧитать онлайн книгу.
Michael Rieth
Endotoxine und Pyrogene
Nachweisverfahren, Produktprüfung, Inaktivierung
Autor
Dr. Michael Rieth
Holzhofallee 12
64295 Darmstadt Deutschland
Titelbild
Veronika Emendörfer
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Print ISBN 978-3-527-34695-0
ePDF ISBN 978-3-527-82468-7
ePub ISBN 978-3-527-82469-4
oBook ISBN 978-3-527-82467-0
Umschlaggestaltung ADAM Design, Weinheim
Satz le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Gedruckt auf säurefreiem Papier.
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1
Vorwort
Auf dem Feld der Nachweise von Endotoxinen und anderen Pyrogenen tut sich seit einigen Jahren viel: Neuartige Messsysteme werden entwickelt, von klein, schnell und transportabel bis hin zu großen Workstations mit Roboterunterstützung. Testkits mit rekombinant hergestellten Faktoren aus der Gerinnungskaskade der Haemolymphe der Pfeilschwanzkrebse drängen auf den Markt. Neu erkannte Phänomene wie low endotoxin recovery und masking von Endotoxinen werden sichtbar, und Maßnahmen zu ihrer Überwindung werden entwickelt, Stichwort demasking. Der Wille zur Schonung von Tieren – zum Test auf Pyrogene werden seit ungefähr 100 Jahren Kaninchen benötigt – führt zur weiteren Aktualisierung des seit den 1990er-Jahren bekannten Monozytenaktivierungstests. Hier übernimmt das Europäische Arzneibuch eine Pionierrolle, indem es vor wenigen Jahren eine Monografie veröffentlichte, die weiterhin aktualisiert wird. Andere Pharmakopöen weltweit ziehen nach und haben Entwürfe vorbereitet.
Der Bakterienendotoxintest (BET) ist seit Jahren zwischen Ph. Eur., USP und JP harmonisiert. Somit konnten Qualitätskontrolllaboratorien weltweit den BET sicher und routinemäßig ausführen. Durch die oben genannten Neuentwicklungen sowie neu verfasste Richtlinien und Pharmakopöe-Monografien wird der Routinetest momentan aufgerüttelt.
In diesem Buch werden, neben den ausführlichen Darstellungen der klassischen Pyrogen- und Endotoxintests am Kaninchen und mithilfe des Amoebozytenlysats, die Neuerungen und die neuen Methoden vorgestellt und beschrieben.
Herzlich danken möchte ich für die Überlassung von Fotografien, Abbildungen und Informationsmaterialien sowie für die Hinweise auf Literaturstellen und für manch fachliche Diskussion Frau Karolina Heed, bioMeriéux SA, und Frau Dr. Rauni Kuczius, Mikrobiologisches Labor Dr. Michael Lohmeyer GmbH sowie den Herren Ralph Butsch, Associates of Cape Cod Europe GmbH, Dr. Markus Gutmann, MicroCoat Biotechnologie GmbH, Michael König, Haemochrom Diagnostica GmbH, Prof. Dr. Jack Levin, University of California School of Medicine, Dr. Michael Lohmeyer, Mikrobiologisches Labor Dr. Michael Lohmeyer GmbH, Prof. Dr. Manfred Rohde, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Dr. Christian Scheuermann, Charles River, Dr. Ingo Spreitzer, Paul-Ehrlich-Institut, Dr. Thomas Winkler, Lonza Cologne GmbH sowie dem Labor LS SE & Co. KG (Herr Stefan Gärtner, Dr. Thomas Meindl, Dr. Maximilian Schlicht).
Mein ganz besonderer Dank gebührt der Darmstädter Künstlerin VERO/Veronika Emendörfer für das Titelbild.
Darmstadt, im März 2021
Michael Rieth
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Historisches zu Pyrogenen und Endotoxinen
Der Begriff „pyrogen“ leitet sich vom griechischen Wort pyr = Feuer ab. Pyrogen bedeutet feuererzeugend. Damit ist Fieber gemeint. Hippokrates von Kos (ca. 460/459 bis ca. 375 v. Chr.) sieht im Fieber ein gutes Zeichen während einer Erkrankung, ebenso Paracelsus (1499–1541), der dem Fieber eine reinigende Wirkung zuschreibt. Thomas Sydenham (1624–1689), der von nachfolgenden Ärztegenerationen den Beinamen „Der englische Hippokrates“ bzw. „Der zweite Hippokrates“ bekommt, studiert und beschreibt ab 1661 sehr genau Fälle von epidemisch auftretendem Fieber. Im Jahre 1676 veröffentlicht er seine Erkenntnisse in dem Buch „Observationes medicae“. Seiner Meinung nach sind Krankheiten durch eine Anhäufung von Zeichen charakterisiert. Fieber wertet er als Zeichen für Abwehrreaktionen des menschlichen Körpers [1].
Ein Zeitgenosse Sydenhams ist Thomas Willis (1621–1675), der in Oxford Medizin studiert und in Kreisen bekannter Naturwissenschaftler verkehrt. Fieber ist für Willis eine Folge von Fehlmischungen („Dyskrasien“) des Blutes, die durch eine gestörte Fermentation der Körpersäfte entstehen sollen [2].
Mitte des 18. Jahrhunderts injiziert Albrecht von Haller (1708–1777) Tieren faulige Flüssigkeiten; dies ruft in den Versuchstieren schwere Fieberreaktionen hervor.
Weitere Experimente erfolgen mit Beginn des 19. Jahrhunderts. Die französischen Forscher Gaspard und Cruvelbier injizieren Hunden ebenfalls faulige Flüssigkeiten und schmutziges Hafenwasser; die Tiere erkranken und bekommen hohes Fieber. Der dänische Mediziner Peter Ludvig Panum (1820–1885) untersucht Patienten mit Sepsis und prägt den Begriff „putrides Gift“ (putrid = faulig), womit aus heutiger Sicht Endotoxine gemeint sind. Seine Forschungsergebnisse veröffentlicht er 1874 in Virchows Archiv unter dem Titel „Das putride Gift, die putride Infektion oder Intoxikation und die Septikamie“. Richard Friedrich Johann Pfeiffer (1858–1945), ein Schüler von Robert Koch, entdeckt 1892 bei dem gramnegativen Bakterium Vibrio cholerae ein hitzeunempfindliches Toxin, von dem er annimmt, dass es aus dem Inneren der Zellen stammt; er nennt dies Endotoxin, auch um es von den damals schon bekannten exkretorischen Toxinen, den Exotoxinen, abzugrenzen (siehe auch Abschn. 1.4). Damit ist der bis heute verwendete Begriff „Endotoxin“ geboren.