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Vom blauen Dunst zum frischen Wind. Cornelie C SchweizerЧитать онлайн книгу.

Vom blauen Dunst zum frischen Wind - Cornelie C Schweizer


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in Virginia teilweise als Zahlungsmittel diente. Unter Mary Stuarts Sohn König Jakob I. wurde die Einfuhr des »bösen Krauts« allerdings mit hohen Zöllen belegt. Wer auf der Straße rauchte, wurde aufgrund eines königlichen Erlasses verprügelt, und schließlich wurde der Tabakanbau in England verboten. Dieses Verbot blieb bis 1910 in Kraft.

      Ganz anders gestaltete sich die Geschichte des Tabakkonsums in Frankreich. Hier war Tabak zunächst weniger ein Genussmittel als vielmehr Medizin. Der französische Botschafter Jean Nicot, nach dem später übrigens das Nikotin benannt wurde, stellte fest, dass sich durch das Auflegen von Tabakblättern Hautkrankheiten heilen ließen. In der Zeit der Revolution gehörten Rauchen und »bürgerliche Identität« zusammen. Es gab Cafés mit der Aufschrift an der Tür: »Ici on s´honore du titre citoyen et on fume. (Hier ist man stolz, Bürger zu sein, und hier raucht man).«

      Schließlich avancierte Tabak zunächst in Frankreich, später in ganz Europa, zum Allheilmittel, das Rauchen wurde gegen Lungenentzündung, Koliken, Gicht, Potenzstörungen und Kopfschmerzen verordnet. Ein Erfurter Arzt schrieb 1644: »Tabak getrunken ist gut for die Würmer, Tabak getrunken ist gut for den Stein, Tabak getrunken ist gut for das Zipperlein.« Zudem sei er gut für Menschen, »so den Kopf viel gebrauchen müssen« (zitiert bei Hamann 1999, S. 69).

      Als 1640 in London die Pest ausbrach, mussten die in Eton studierenden jungen Männer als Vorbeugemaßnahme rauchen, und bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hinein hielt sich unter Medizinern die Überzeugung, das sicherste Mittel zur Behebung von Unfruchtbarkeit bei Frauen sei, sie rauchen zu lassen.

      Allerdings war der Tabak auch eine Medizin, die sehr gern eingenommen wurde, und so gab es ihn zeitweilig in Frankreich und Bayern nur in der Apotheke und auf Rezept, während in der Schweiz der Konsum generell verboten, bei schweren Erkrankungen jedoch mit ärztlichem Rezept erlaubt war, was merkwürdige und unerklärliche Epidemien zur Folge gehabt haben soll.

      Es gab aber auch Tabakgegner, zum Beispiel Goethe: »Das Rauchen macht dumm; es macht unfähig zum Denken und Dichten. Es ist auch nur für Müßiggänger, für Menschen, die Langeweile haben, die ein Drittel des Lebens verschlafen« (J. W. v. Goethe an K. L. v. Knebel, zitiert bei Haustein 2001). Tabak zählte außerdem zu den sogenannten »Lüsternheitswaren«, Liselotte von der Pfalz führte sogar die männliche Homosexualität indirekt aufs Rauchen zurück, als sie schrieb: »Mich wundert nicht mehr, wenn die Mannsleute die Weiber verachten und sich untereinander lieben; die Weiber sind gar zu verachtliche Kreaturen itzunder mit ihrer Tracht, ihrem Saufen und mit ihrem Tabak, der sie grässlich stinken macht« (zitiert bei Barthel 1988, S. 601).

      Die Hauptgegner des Tabakkonsums fanden sich auf Seiten der Kirche. Der Mund galt als Ein- und Ausgang der Seele und sollte nicht verunreinigt werden. Schon 1589 bestimmte daher ein Gebot, dass vor Besuch der heiligen Messe das Konsumieren von Tabak nicht gestattet sei, und 1642 verbot Papst Urban VIII. unter Androhung der Exkommunikation, in Kirchen zu rauchen oder zu schnupfen. 1724 wurde das Verbot jedoch von Benedikt XIII., einem starken Raucher, wieder aufgehoben. Rigoros ging auch der russische Zar Michael gegen das Rauchen vor. Wer rauchend angetroffen wurde, erhielt Prügel. Noch härter griff der Schah Abbas der Große von Persien durch, unter dessen rigider Herrschaft Rauchern Nase und Lippen abgeschnitten wurden. Am schlechtesten erging es ihnen in der Türkei, dort wurden sie direkt am »Tatort« geköpft.

      Und dennoch, es wurde weiter geraucht, vom einfachen Volk bis zum Prominenten. Berühmte Zigarettenkonsumenten waren zum Beispiel Napoleon III. und die österreichische Kaiserin Sissi, die selbst Kettenraucherin war und das Rauchen am Wiener Hof etablierte.

      Im 20. Jahrhundert wurde die Zigarette fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Sie zeichnete sich durch ein hohes Maß an Alltagstauglichkeit aus, war praktisch im Handling und in der Aufbewahrung, überall legal zu erwerben sowie erschwinglich. Die relativ kurze Dauer einer »Zigarettenlänge« ließ zudem eine Raucherpause in vielen Lebenslagen zu.

      Zum Abschluss des historischen Überblicks noch eine Meldung des »Schwäbischen Tagblatts« vom Mai 2001: »Der prominente israelische Rabbiner Ovadia Yossef hat drakonische Strafen gegen Raucher gefordert. Tabakkonsumenten sollten mit 40 Stockschlägen bestraft werden, forderte der Vorsitzende der orthodoxen Shass-Partei. Hersteller und Verkäufer von Tabakwaren würden vom Himmel bestraft.« Wer raucht, dem drohen Schläge, dies scheint sich vom 17. bis ins 21. Jahrhundert hinein nicht gänzlich verändert zu haben, genauso wenig wie die Tatsache, dass selbst die härtesten Strafen das Rauchen nicht verhindern. Wen wundert es da aktuell noch, dass vergleichsweise milde Maßnahmen wie z. B. die Notwendigkeit, zum Rauchen ins – manchmal ungemütliche – Freie gehen zu müssen, niemand davon abzuhalten vermögen …

       2.2Aktuelle Entwicklung des Rauchverhaltens

       2.2.1Fakten zum Konsumverhalten

      •Tabak wird in Deutschland heute in der Regel geraucht, nur noch sehr selten gekaut oder geschnupft (Bundesministerium f. Jugend, Familie und Gesundheit 1983, S. 92).

      •Geraucht werden in 97 % der Fälle Zigaretten, nur 3 % der Raucher rauchen Pfeife, Zigarillos oder Zigarren.

      •Weltweit rauchen nach Angaben der WHO derzeit mehr als 1,1 Milliarden Menschen, etwa 18 Millionen davon sind Deutsche, 4 Millionen von ihnen gelten als süchtig.

      •Zur soziologischen Verteilung des Tabakkonsums: »In der Unterschicht wird häufiger geraucht als in der Oberschicht, in Großstädten signifikant mehr als in Gemeinden unter 5000 Einwohnern« (Bundesministerium f. Jugend, Familie und Gesundheit 1983).

      •Das Fehlen einer Erwerbstätigkeit geht mit hohem Zigarettenkonsum einher, 47 % der Erwerbslosen rauchen, aber nur 36 % der Erwerbstätigen.

      •Geschiedene rauchen mit 44 % weitaus häufiger als Verheiratete (nur 26 %).

      •Der durchschnittliche Konsum eines Rauchers liegt derzeit bei etwa einer Schachtel pro Tag. Umgerechnet auf einen 16-Stunden-Tag bedeutet dies, dass alle 48 Minuten eine Zigarette geraucht wird.

      Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Konsumhöhe pro Jahr und Einwohner in Deutschland zwischen 1965 und 2005 (Krämer u. Mackenthun 2001).

Jahr Konsumhöhe pro Jahr und Einwohner (in Stück)
1965 1.619
1970 1.921
1975 2.042
1980 2.085
2005 1.392

       Tab. 1: Zigarettenjahresverbrauch pro Einwohner in Deutschland

      Der Anteil der Raucher in Deutschland nach Alter und Geschlecht verteilt sich wie folgt (Krämer u. Mackenthun 2001):


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Alter Raucheranteil unter Männern (in %) Raucheranteil unter Frauen (in %)
18–19 53,7 48,4
20–29 47,4 42,6
30–39 49,1 41,0
40–49 40,1 30,9