Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Erhard HeckmannЧитать онлайн книгу.
– die zu Amerikas Legende Lexington führten, und Tourbillon nach der alten Paragraphenfassung somit vom Eintrag in das General Stud Book ausgeschlossen hätten. Der erste „Sündenbock“ war Armenia, die Mutter von Tourbillons Vater Durbar, die aus der Urania (1892) gezogen war, und Urania, die 35 von 87 Starts gewann und aus einer der besten amerikanischen Familien kam, führte auf beiden Seiten zu Lexington: Uranias Vater war Hanover, der von Hindoo stammte, und dessen Mutter war die Lexington Tochter Florence, und Uranias Mutter Wanda hatte an Winnie Minor ebenfalls eine Lexington-Stute zur Mutter, so dass Urania 3 x 4 auf Lexington ingezogen war. Als weiterer Störfaktor galt Tourbillons Großmutter Banshee, deren Vater Irish Lad an Arrowgrass (1898) eine Mutter hatte, deren beide Eltern ebenfalls zu Lexington führten. Außerdem ist Banashees Mutter Frizette eine Tochter von Hamburg, über dessen Vater Hanover der Weg zu Hindoo führt, dessen Mutter Florence (1869) von Lexington stammt.
Einen Höhepunkt auf der Rennbahn erreichte Boussac mit seinen Pferden 1950, als sein Stall sechs Klassiks gewann: In Frankreich Derby und St. Ledger mit Scratch und die 1000 Guineas, die Corejada neben den Irish Oaks gewann. Calcador fügte das Epsom Derby hinzu, und Asmena machte mit den Oaks zu Epsom das halbe Dutzend komplett. Im gleichen Jahr stammten auch acht der zehn besten Zweijährigen Frankreichs von den Boussac-Hengsten Djebel, Phalaris und Tourbillon. Zwölf Monate später trugen Stymphale und Talma, die vierjährig im Ascot Gold Cup auf Platz drei lief, Boussacs Farben im St. Ledger Frankreichs und Englands siegreich über die Ziellinie, wie das der vorjährige Zweijährigen-Champion Auriban 1952 im Derby seiner Heimat tat.
Dieser, wie auch Stymphale und Corejada stammten von Pharis aus Tourbillon-Müttern; Talma II und Scratch hatten ebenfalls Pharis zum Vater, waren jedoch aus Asterus-Stuten gezogen. Und Galcador und Asmana stammten von den Tourbillon-Söhnen Djebel und Goya, ihre Mütter von Pharos und Asterus.
1954 erschien keiner der eigenen Beschäler unter den zehn besten Deckhengsten Frankreichs, doch reichte es wenigstens für Boussacs dreijährige Djebel-Stute Cordova zum zweiten Championat als Frankreichs Jahrgangsbeste, die insgesamt in Frankreich, England und Italien am Start war. Zwei Jahre später standen jene Stallions aber wieder im Rampenlicht, denn die Sieger in Frankreichs Oaks, 1000 Guineas, Derby und dem Prix Vermeille, Apollonia, Philius und Janiari, kamen aus dem Rennstall von Boussac. Philius, der Vorjahres-Champion bei den zweijährigen Hengsten, stammte von Pharis aus einer Tourbillon-Tochter, die beiden anderen von Tourbillons Sohn Djebel aus einer Asterus-Enkelin und (Apollonia) aus der Pharisstute Corejada. Diese Sieger waren auch gleichzeitig die letzten „Klassiker“ die die Hengste dieses Züchters, Pharis und Djebel, hinterließen, und die sich innerhalb von zwei Jahren von dieser Welt verabschiedeten.
Damit legten sich auch erste Schatten auf das Haras de Fresnay-le-Buffard in der Normandie. Abgesehen davon, dass Boussacs Imperium in den späten 1970er Jahren in schweres finanzielles Fahrwasser geriet, an dessen Ende der Bankrott stand, führen Fachleute den Niedergang der Zucht auf „Übersättigung“ zurück. Die mehr als 100-köpfige Stutenherde war von dem Blut seiner vier Hengste Pharis Tourbillon, Djebel und Asterus geprägt, und Boussac begann auch Stuten in die Zucht zu nehmen, die dem Anspruch auf Rennleistung und Gesundheit nicht entsprachen. Zudem erwies sich auch der Kauf der Outcross-Hengste Whirlaway (US-Triple Crown-Sieger 1941), der nach Herzschlag bereits zwei Jahre später tot war, als sein Zuchtgefährte Coaltown (1945; Bull Lea) 1955 eintraf, als Fehlgriff. Letzterer hatte dem Franzosen 514.000 Dollar gekostet und war 1948 hinter seinem Calumet-Stallgefährten und Triple Crown-Winner Citation zwar Zweiter im Kentucky Derby, am Jahresende jedoch der Champion-Sprinter Amerikas.
Whirlaway passte wohl im Charakter nicht zu Tourbillon-Töchtern, denn die Produkte aus dieser Verbindung galten als überzüchtet, und Coaltown, der 1965 einging, war als Stallion in Amerika und Frankreich ein totaler Versager.
Die letzten hervorragenden Pferde, die Boussac zog, waren die Crepello-Tochter Crepellana, die 1969 die Französischen Oaks (Prix de Diane) gewann, und der 1975 von Mill Reef gezogene Französische Derby-Sieger Acamas. Dessen Mutter Licata stammt von Abdos, der als Großvater Djebel ausweist, während Crepellana aus einer Djebelenkelin stammt. Der große Unterschied dieser beiden Klassepferde bestand somit in der Tatsache, dass Marcel Boussac sie von „fremden“ Hengsten erhielt, und nicht von den eigenen. Crepello wurde 1954 von dem Blenheim-Enkel Donatello gezogen, stand 1969 an der Spitze der Deckhengste in England/Irland und fünf Jahre später war er auch Champion als „Broodmare Sire“. Mill Reef, den Paul Mellon 1968 zog und Ian Balding im englischen Kingsclere vorbereitete, war Derbysieger, in diesem Alter Europas „Pferd des Jahres“ und ein Jahr später Englands „King“ bei den älteren Jahrgängen. Das war gleichzeitig auch wieder ein Schritt zurück in jene Zeit vor 1935, denn danach nutzte Boussac nur noch selten Hengste, die er nicht besaß.
Als Boussacs Zucht auf dem Höhepunkt war, verkaufte er eine Anzahl sehr guter Pferde nach Amerika, darunter auch Ardan, der zu Hause den „Arc de Triomphe“ und das Derby gewonnen hatte. Der 1946 geborenen Tourbillon-Sohn Ambiorix, ein Zweijährigen-Champion, wurde von der Claiborne Farm mit 250.000 Dollar bezahlt und führte 1961 die amerikanischen Beschäler an. Dieser war jedoch ein sehr guter Meiler, während alle anderen Verkäufe als Erzeuger versagten. Entweder diese Franzosen passten nicht zum amerikanischen Rennsystem, oder sie waren für dortige Verhältnisse nicht gut genug. Wahrscheinlich fehlte ihnen damals aber lediglich genug „Speed“, der in Amerika eine Hauptrolle spielt. Unterstreichen könnte das auch Dan Cupid, ein 1956 geborener Native Dancer-Sohn, der in Frankreich lief und mit der Französin Sicalade (Sicambre), die hinsichtlich ihrer Blutlinien als „stout“ zu bezeichnen ist, den Sieger im Prix de l’Arc de Triomphe, Sea Bird, zeugte, der auch Englands Epsom-Derby 1965 beherrschte, im Grand Prix de Saint Cloude ebenfalls spazieren ging, und im „Arc“ einen Reliance mit sechs längen abfertigte, der vorher bei fünf Erfolgen mit den Besten seines Landes ähnlich umgesprungen war.
Auch umgekehrt zeigte sich dieser Trend, wenn französische Stuten nach Amerika exportiert wurden und in diesem „speedorientiertem“ Rennsystem in der Zucht gut einschlugen. Von der Französin Flambette war bereits die Rede, aber auch Boussacs sieglose Teddytochter La Troienne (1926), die ganze 1.250 Guineas kostete, wurde eine der erfolgreichsten Zuchtstuten, die Amerika im 20. Jahrhundert importierte. Nach dem Commando-Enkel Black Toney wurde sie u. a. Mutter von Bimmelech (1937), der zweijährig ungeschlagen blieb, insgesamt elf Rennen gewann, darunter Preakness-, Belmont- und Blue Grass Stakes, und im Derby auf den zweiten Platz lief. Und bei Never Bend steht er beispielsweise als Vater dessen Großmutter Be Faithfull im Pedigree, und somit auch bei Mill Reef in der dritten Ahnenreihe. Und auch J. R. Keene war schon erfolgreich, als er „schnelles“ Blut der amerikanischen Domino-Commando-Hengstlinie mit dem importierter „Steher-Stuten“ kreuzte.
Zu Marcel Boussacs wichtigsten Pferden, die er besaß oder selbst züchtete, gehörten vor allem seine vier hochqualitativen Beschäler, die innerhalb von 14 Jahren das Licht der Welt erblickten: Asterus (1923), Tourbillon (1928), Pharis (1936) und Djebel, der ein Jahr später geboren wurde.
Asterus, dessen Mutterlinie zu Maid of Masham (22 Siege) führt, die auch bei Fair Play als fünfte Mutter im Stammbaum steht, stammte aus der nicht gelaufenen Astrella (1912), deren Vater Verdun u. a. die Französischen 2000 Guineas und den Großen Preis von Paris für sich entschied, während die Großmutter Saint Astra (Ladas) die Oaks ihrer Heimat gewann. Asterus (Teddy) wurde von Baron Maurice de Rothschild gezogen, auf der Auktion als Jährling an Marcel Boussac verkauft, gewann in Frankreich und England „Gruppe-I-Rennen“ und stand 1934 in Frankreich an der Spitze der Deckhengste. Von 1943 bis 1948 war er auch der führende Stutenvater und ging nach Herzversagen schon 1938 ein.
Die Mutter von Tourbillon, Durban, eine Urenkelin von St. Simon, wurde ebenfalls als Jährling gekauft, während Tourbillons Vater, der Bruleur-Sohn Ksar (zweifacher „Arc“-Sieger) nicht zum Bestand von Boussacs Gestüt zählte. Tourbillon, der neben dem Derby weitere große Rennen gewann, hat auch das Zukunftsrennen von Baden-Baden auf seiner Siegerliste stehen. Er gewann diese Youngster-Prüfung zwei Jahre früher als der Graditzer Alchimist.
Pharis, dessen Vater Pharos ebenfalls ein „fremder“ Hengst war, den der Earl of Derby 1920 zog, galt trotz seiner nur drei Starts, die er ungeschlagen absolvierte und dabei das Französische Derby und den Großen Preis von Paris gewann, als eines der besten Pferde, das je in