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Die Fischerkinder. Im Auge des Sturms. Melissa C. FeurerЧитать онлайн книгу.

Die Fischerkinder. Im Auge des Sturms - Melissa C. Feurer


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verbrannten Haut. Chas protestierte nicht. Er starrte mit zusammengebissenen Zähnen an ihr vorbei und vermied es, seinen Arm auch nur mit einem einzigen Blick zu streifen.

      Mira selbst zwang sich, hinzusehen. Sie kannte sich mit Brandwunden nicht aus. Überhaupt hatte sie keine Erfahrung mit Verletzungen jedweder Art. Das Schlimmste, was sie sich je zugezogen hatte, war ein aufgeschürftes Knie gewesen. Vielleicht ließ der Anblick von Chas’ Arm deshalb Übelkeit in ihr aufsteigen. Hätte die Wunde nach so vielen Tagen nicht längst besser aussehen müssen? Müsste sie nicht anfangen zu heilen, neue Haut zu bilden?

      „Und?“, knurrte Chas.

      Mira schluckte. „Wird schon.“ Sie versuchte, nicht zu atmen, während sie den frischen, weißen Verband um Chas’ Arm wickelte. Im Kontrast sah sie erst, wie schmutzig der alte gewesen war. Eigentlich hätte sie die Wunde desinfizieren müssen, schmerzlindernde Salbe auftragen, kühlen … irgendetwas. Aber sie war schon dankbar, dass sie diesen neuen, sauberen Verband hatten.

      „Tut es sehr weh?“, fragte sie, während sie das Ende in zwei Streifen riss und diese fest verknotete.

      Chas winselte wegen des plötzlichen Drucks auf seiner Wunde. „Nette Freunde hast du da in Leonardsburg“, knurrte er, während er gereizt blinzelte, weil seine Augen vor Schmerz zu tränen begonnen hatten. „Sehr nette Freunde, die mit diesen Dingern auf Menschen schießen.“

      „Das sind nicht meine Freunde.“ Mira biss sich auf die Unterlippe. Jetzt hatte sie sich von Chas provozieren lassen, obwohl sie genau wusste, dass seine Forschheit nichts mit ihr zu tun hatte. Er hatte Schmerzen, und es frustrierte ihn, so eingeschränkt und abhängig zu sein. Und Wut war nun einmal die beste Maske, um solche Gefühle zu verbergen. Schon seit Tagen versteckte er sich dahinter.

      „Abgesehen von Filip kenne ich keinen der Wachmänner. Und Filip hat uns beiden das Leben gerettet, falls du dich noch daran erinnerst.“

      „Ja, ist er nicht großartig?“, erwiderte Chas, entzog ihr seinen frisch verbundenen Arm und legte sich rittlings auf die niedergedrückten Ähren. Mira wartete noch eine Weile, verletzt von seinen Worten. Dann tat sie es Chas gleich und starrte in den Himmel, der über ihnen immer dunkler wurde.

      Chas war manchmal nicht der umgänglichste Reisegefährte und auch nicht die beste Begleitung für den Fall, dass sie aufgegriffen wurden; immerhin war er der flüchtige Sohn des Königs und damit eine Mischung aus Kronprinz und Hochverräter. Aber er war auch der einzige Vertraute, den Mira noch hatte. Sie hatte ihre Familie zurückgelassen, und die Fischerkinder waren gezwungen, getrennte Wege zu gehen. Wenn sie an das Ziel ihrer Reise dachte − das Gefängnis der Hauptstadt Vacabunite, in dem Filip ihretwegen auf seinen Prozess wegen Landesverrats wartete −, war sie dankbar, dass Chas bei ihr war. Seine Wunde mochte sie aufhalten, und seine Launen waren unberechenbar, aber ohne ihn hätte sie niemals den Mut gehabt, ihren Weg fortzusetzen.

      Ihre erste richtige Mahlzeit seit Tagen nahmen sie in eisigem Schweigen ein, und als schließlich die Nacht über ihnen hereinbrach, legte Chas sich so weit von ihr entfernt schlafen wie in ihrem kleinen Lager irgend möglich. Es war kein geeigneter Ort für einen Verletzten. Aber Mira hütete sich, irgendetwas dergleichen zu sagen und Chas noch mehr zu verstimmen. Stattdessen rückte sie bis ans jenseitige Ende ihres Lagerplatzes und legte sich mit dem Rücken zu Chas auf den harten Grund.

      Sie war noch nicht eingeschlafen, als sie eine Bewegung hinter sich wahrnahm. Zuerst hörte sie nur das Rascheln, und ihre Glieder versteiften sich, bereit, aufzuspringen. Doch dann spürte sie die Berührung an ihrem Rücken: Chas legte sich wortlos hinter sie und bettete den verletzten Arm auf ihre Schulter.

      Mira regte sich nicht. Sie versuchte, so ruhig und gleichmäßig wie möglich weiterzuatmen, um Chas nicht wieder zu verscheuchen. Sie wusste nicht, ob er lediglich ihre Nähe suchte oder ob diese Geste vielleicht eine wortlose Entschuldigung für sein grobes Verhalten war. Jedenfalls war es typisch für Chas, nicht viele Worte zu verlieren. Er kam einfach zu ihr. Mira würde keine Fragen stellen. Mit Chas’ Arm auf ihrer Schulter und seiner Wärme im Rücken schlief sie ein.

      Klein-Ararat brannte. Der Berg, der den Fischerkindern so lange als sicheres Versteck gedient hatte, das Hüttendorf in seinem Inneren, das hohe Gras, die Bäume − alles stand in Flammen. Das Feuer verschlang den Ort, an dem die geheime, vom Staat gesuchte Gruppe Schutz gefunden und sich getroffen hatte, wo sie Edmunds Geschichten aus der verbotenen Schrift gelauscht, miteinander gesungen und gebetet hatten.

      Mira kniff die Augen zusammen, um trotz der sengenden Hitze und Helligkeit etwas sehen zu können. Wo waren die anderen? Wo war Chas, wo der kleine Ari? Hörte sie nicht Skive in der Ferne bellen? Vielleicht waren er und Happy in einer der brennenden Hütten eingeschlossen.

      Mira rannte den Trampelpfad in Richtung Hüttendorf hinab. Zu beiden Seiten knackte die Glut im Unterholz. Die Hitze nahm zu. Sie stach auf Miras Haut, brannte in ihrem Gesicht und trieb ihr den Schweiß aus den Poren.

      „Edmund!“

      Mira riss den Kopf herum. Sie hätte Chas’ tiefe Stimme überall wiedererkannt − auch wenn sie sie noch nie in solcher Panik gehört hatte.

      „Edmund!“

      Mira stolperte über einen auf den Weg gefallenen Ast. Der Aufschlag auf dem Boden presste die Luft aus ihren Lungen. Die Hitze nahm schlagartig ab. Kalte Luft schlug ihr ins Gesicht, nur etwas Warmes, Unnachgiebiges umfing sie.

      Mira riss die Augen auf. Das Hüttendorf war verschwunden und mit ihm das Feuer, der Brandgeruch. Die Feuersbrunst Klein-Ararats machte einer kühlen Nacht in einem Gerstenfeld nahe Cem Platz. Nur die Hitze war noch da. Sie ging von Chas hinter ihr aus, der die Arme schraubstockartig um sie geschlungen hatte.

      „Edmund!“ Er drückte sie noch ein wenig fester.

      Mira fiel das Atmen in seiner Umklammerung schwer. „Chas“, flüsterte sie. „Chas!“ Nur mühsam konnte sie sich aus seinem Griff befreien. Sie packte seine Arme und schüttelte ihn. „Wach auf, Chas. Es ist nur ein Traum.“

      Aber Chas wand sich nur, als stecke auch er in dem Albtraum des brennenden Berges fest, wo er um den Menschen fürchten musste, der ihm von allen am wichtigsten war: Edmund Porter, Anführer der Fischerkinder und für Chas beinahe so etwas wie ein Vater.

      Mira schüttelte ihn heftiger, doch Chas schlug ihre Hände beiseite, ohne aus seinem Traum zu erwachen. Erst jetzt, als sie gezwungen war, ihn loszulassen, wurde Mira bewusst, welche Hitze von seinem Körper ausgegangen war. Chas’ Haut glühte, das dunkle Haar war schweißgetränkt, und noch immer murmelte er fiebrig den Namen des väterlichen Buchhändlers. Edmund − wenn er nur da wäre! Er wüsste, was zu tun wäre. Er würde Chas wach bekommen, ihn versorgen, für ihn beten.

      „Oh Gott“, murmelte Mira. „Bitte lass ihn aufwachen!“ Die gleiche verzweifelte Bitte wieder und wieder flüsternd, griff Mira nach der noch fast vollen Wasserflasche. Ihre Finger zitterten so sehr, dass sie ihr beim Öffnen aus den Händen glitt und das kostbare Nass in den trockenen Erdboden sickern ließ. Mit dem, was übrig war, tränkte Mira den alten Verband, um damit Chas’ Stirn zu kühlen. Es erschien ihr wenig, was sie tun konnte. Zu wenig. Die Hitze von Chas’ Haut erinnerte Mira an die sengende Glut aus ihrem Albtraum.

      „Nein!“ Unwillig schüttelte Chas Mira samt dem feuchten Tuch ab und fuhr hoch. Sogleich entwich ihm ein leiser Schrei, weil er sich dabei auf seinen verletzten Arm gestützt hatte.

      Mira versuchte, ihn an den Oberarmen zu packen und wieder zu Boden zu drücken, doch Chas war aufgebracht und stärker als sie. Er schlug ihre Hände so heftig zur Seite, dass Mira zurück auf ihr hartes Lager fiel.

      Einen Moment blieb sie liegen und rieb sich den schmerzenden Nacken. Dann schob sich unvermittelt Chas’ erhitztes Gesicht zwischen sie und den Sternenhimmel. Er war so nah, dass sie trotz der Dunkelheit sehen konnte, wie fiebrig seine Augen glänzten. „Mira?“ Er schüttelte sie unsanft. „Bitte, Mira! Wir müssen hier weg, wir müssen …“

      Hastig richtete Mira sich auf und wurde sogleich von Chas in eine knochenbrechende Umarmung gezogen. „Es geht dir gut“, murmelte er heiser in ihr


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