Mörderisches Bamberg. Werner RosenzweigЧитать онлайн книгу.
„Keineswegs“, antwortete der Geistliche aus dem Generalvikariat, „wir stehen Ihnen für alle Fragen zur Verfügung. Ob wir diese allerdings auch beantworten können, werden wir ja gleich sehen. Frau Haberkamm leistet uns Gesellschaft, weil sie sich als erfahrene, langjährige Mitarbeiterin mit den Gepflogenheiten des Erzbistums bestens auskennt.“
„Na schön. Beginnen wir doch mit einer ganz einfachen Frage“, schlug Hagenkötter vor. „Erzählen Sie uns doch, warum Eposito nach Bamberg kam und was er hier gemacht hat. Dazu muss es ja wohl einen Anlass gegeben haben. Oder liege ich da falsch?“ Er zog die Augenbrauen in die Höhe und sah reihum in die Gesichter seiner Gesprächspartner auf der anderen Seite des Tischs.
Frau Haberkamm betrachtete mit Interesse ihre blau lackierten Fingernägel.
Der erzbischöfliche Rechtsverdreher checkte auf seinem Mobiltelefon sein E-Mail-Postfach und der Pressesprecher sah seinen Kollegen aus dem Generalvikariat fragend an.
Es dauerte etwas, bis dieser aus seiner Lethargie erwachte, sich räusperte und „Allgemeiner, routinemäßiger Informationsaustausch“ ausspuckte. Dann verzog er sich wieder in seinen Kokon und wartete ab, was als nächstes geschah.
Tina warf einen schnellen Seitenblick auf ihren Chef. Da hatte es der Herr aus dem Generalvikariat mit nur drei Worten geschafft, Hagenkötters Blutdruck zu versauen. Sie lehnte sich vorsichtshalber ein wenig zurück.
„Wie darf ich das verstehen? Allgemeiner, routinemäßiger Informationsaustausch?“ Tinas Chef begann, innerlich zu kochen. „Können Sie das bitte etwas präzisieren? Wer tauscht sich da mit wem über welche Themen aus? Helfen Sie mir doch auf die Sprünge!“
„Oh nein, so geht das nicht!“ Der Anwalt aus der Rechtsabteilung war wach geworden und plusterte sich auf wie ein Pfau. „Es widerspricht dem kanonischen Recht der katholischen Kirche, erzbischöfliche Interna zu nichtkirchlichen Zwecken an weltliche Dritte weiterzugeben.“ Dann schwieg er wieder, blieb aber kampfbereit und sah Hagenkötter herausfordernd an.
Die Mundwinkel des Kripobeamten zuckten unkontrolliert und er zwirbelte seinen Schnurrbart. Dann holte er tief Luft, um loszudonnern: „Mein lieber Herr erzbischöflicher Jurist, der weltliche Dritte scheißt auf Ihr kanonisches Recht und wird Ihnen gleich gewaltig aufs Kirchendach steigen! Wir haben es hier mit einem Mordfall an einem Ihrer Würdenträger zu tun und ich habe die Aufgabe, diesen Fall zu lösen. Kommen Sie mir bloß nicht mit hirnrissigen Argumenten daher. Verarschen kann ich mich auch alleine, dazu brauche ich Ihre lächerlichen Eskapaden nicht. Die sind unnötig wie ein Kropf. Wir können dieses Gespräch jetzt auf zivilisierte, vielleicht ja sogar hilfreiche Weise angehen oder gerne bei uns in der Schildstraße fortsetzen.“
Die Halsschlagader des so gescholtenen Juristen schwoll schlagartig an, da kroch aber schon der Geistliche aus dem Generalvikariat wieder aus seinem Kokon. „Aber, meine Herren, mäßigen wir doch unseren Ton“, schlug er vor. „Sehen Sie, Herr Hauptkommissar, der Besuch eines Kurienbischofs ist schon etwas Außergewöhnliches. Das ist nichts für unsere Ebene.“ Dabei breitete er seine Arme in Richtung der links und rechts von ihm sitzenden Kollegen aus. „So ein wichtiger Besuch wird bei uns im Erzbistum ganz oben abgestimmt. Wie Sie vielleicht wissen, gibt es in Deutschland 27 Bistümer, davon sieben Erzbistümer. Bamberg ist eines davon und untersteht direkt dem Vatikan. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass wir uns auch um die Belange der Bistümer Eichstätt, Speyer und Würzburg mitkümmern müssen. Wer kann da immer wissen, was sich alles im Erzbistum abspielt, vor allem im Vorfeld eines hohen Besuchs. Wir, so wie wir hier vor Ihnen sitzen, waren alle nicht direkt in die Bambergreise des Kurienbischofs eingebunden.“
„Ich fall vom Glauben ab, verdammte Hacke, warum sitzen wir dann hier?“ Hagenkötter war immer noch sichtlich erbost. „Sie stehlen uns unsere kostbare Zeit. Für Larifari sind wir nicht hergekommen.“
„Ich verstehe, dass Sie aufgebracht sind, schlage aber vor, das Beste daraus zu machen. Wie wäre es, wenn Sie uns Ihre Fragen hinterlassen und wir klären das intern?“
„Aufgebracht? Ich höre wohl nicht richtig! Ich bin stocksauer! Sagen Sie das ruhig auch Ihren Vorgesetzten. Was ich wissen will, ist: Warum kam der Bischof nach Bamberg? Mit wem hat er hier gesprochen? Wer hat ihn hier wann betreut? Wir brauchen eine Kopie seines Besuchsprogramms mit sämtlichen Namen und Adressen seiner Gesprächspartner. Und wir brauchen einen erzbischöflichen Ansprechpartner, der uns darüber verbindlich Auskunft geben kann.“
„Und dazu auch bereit und berechtigt ist“, warf Tina ein.
Der erzbischöfliche Rechtsverdreher auf der anderen Seite des Tischs grinste maliziös. Die stumme Botschaft war eindeutig: Daran werdet ihr euch noch die Zähne ausbeißen!
Er sah die Besprechung offenbar als beendet an und war im Begriff aufzustehen, als er von Hagenkötter ein deutliches „Halt!“ vernahm. „Wenn wir schon hier sind, dann können Sie uns hoffentlich wenigstens ein paar Fragen allgemeiner Natur beantworten. Soweit wir wissen, war Eposito im Vatikan Mitglied der Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen. Was darf ich mir darunter vorstellen?“
Mit provozierender Langsamkeit ließ sich der Anwalt wieder auf seinen Stuhl sinken und meinte: „Nun … ich verstehe Ihre Frage nicht, Herr Hauptkommissar?“
„Ich meine, was ist die Aufgabe dieser Kommission? Ich denke nicht, dass ein römischer Kurienbischof nur zum Urlaub machen nach Bamberg gekommen ist oder? Irgendetwas wird er wohl zu erledigen gehabt haben. Oder sehe ich das falsch?“
Der Geistliche räusperte sich. „Ähm, ja … ich meine nein. Also, sehen Sie, die vatikanische Kinderschutzkommission wurde im Jahr 2014 von Papst Franziskus zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch und körperlichen Misshandlungen ins Leben gerufen.“
„Als Folge der jahrzehntelangen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche“, kommentierte Hagenkötter.
Tina nickte knapp. „Hatte Seine Exzellenz einen besonderen Grund, deswegen nach Bamberg zu kommen?“, hakte sie nach. „Und falls Sie dazu auch wieder keine Informationen haben: Könnten Sie diesen Punkt bitte noch auf die Liste der zu klärenden Fragen setzen?“
„Um Himmels willen, nein! Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Doch nicht hier bei uns in Bamberg!“ Der Mitarbeiter des Generalvikariats schrie es regelrecht hinaus, setzte aber schnell wieder ein unverbindliches Lächeln auf. „Die Kommission zum Schutz der Minderjährigen soll mit der Kongregation für die Glaubenslehre kooperieren und sie ist berechtigt, Berichte über die Wirksamkeit von Kinderschutzmaßnahmen anzufordern und Vorschläge an den Papst zu richten.“
„Das sind Grundsatzfragen, die haben mit dem gewaltsamen Tod von Bischof Eposito nichts, aber auch gar nichts zu tun“, muckte der Kirchenmann für weltliches Recht auf. „Außerdem dürfte das Prozedere dazu den Hauptkommissar sicherlich langweilen.“
„Oh nein, keinesfalls, das interessiert mich sogar sehr. Sagen Sie“, Hagenkötter wandte sich wieder dem Geistlichen zu, „hat die Kommission denn schon jemals etwas bewirkt?“
„Erinnern Sie sich an den Namen Robert Finn? Der war vor einigen Jahren in der Presse präsent?“ Hagenkötter schüttelte sein Haupt und zupfte an seinem Schnauzer. „Robert Finn war Bischof von Kansas City, Saint Joseph und Opus-Dei-Mitglied. Jedenfalls wurde er verurteilt, weil er den Kinderpornografie herstellenden Diözesanpriester Shawn Ratigan gedeckt hatte. Auf Empfehlung der Kommission hat Papst Franziskus Robert Finn abgesetzt.“
„Nur abgesetzt?“ Tina spürte, wie auch ihr Blutdruck sich anschickte, dem ihres Chefs in unbekannte Höhen zu folgen. „Und bestraft? Auch das kanonische Recht sieht dafür sicherlich Strafen vor?“
„Das geht nun aber doch zu weit, Frau Kommissarin!“ Der kirchliche Jurist war empört.
„Ausnahmsweise muss ich Ihnen da recht geben. Kommen wir zurück zu Bischof Eposito“, nahm Hagenkötter den Faden auf. „Wir erwarten eine schnelle Klärung und Beantwortung unserer Fragen …“
„Ich versichere Ihnen noch einmal: Epositos Reise war ein