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Der bürgerliche Staat - Группа авторов


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      *) Vorwort der Ausgabe 1980, erschienen im Resultate Verlag

      © 2018 GegenStandpunkt Verlag

      § 1

       Freiheit & Gleichheit – Privateigentum – abstrakt freier Wille

      Der bürgerliche Staat ist die politische Gewalt der kapitalistischen Gesellschaft. Er unterwirft die Agenten der kapitalistischen Produktionsweise unter Absehung von allen natürlichen und gesellschaftlichen Unterschieden seiner Herrschaft und gewährt ihnen damit die Verfolgung ihrer gegensätzlichen Sonderinteressen: Gleichheit & Freiheit. Er verpflichtet sie, die ökonomische Konkurrenz unter Respektierung des Privateigentums abzuwickeln: jeder wird gezwungen, die ausschließende Verfügung über den Reichtum der Gesellschaft anzuerkennen und zum Prinzip seines ökonomischen Handelns zu machen. Weil die Mitglieder der kapitalistischen Gesellschaft in der Verfolgung ihres individuellen Nutzens die Schädigung der anderen betreiben, sind sie auf eine Macht angewiesen, die getrennt vom ökonomischen Leben die Anerkennung von Eigentum und Person garantiert. Ihren negativen Bezug aufeinander ergänzen sie um ihre gemeinsame Unterwerfung unter eine Gewalt, die ihre Sonderinteressen beschränkt. Neben ihren ökonomischen Geschäften sind sie politische Bürger, sie wollen die staatliche Herrschaft, weil sie ihren Sonderinteressen nur nachgehen können, indem sie von ihnen auch abstrahieren. Der bürgerliche Staat ist also die Verselbständigung ihres abstrakt freien Willens.

      Die erste Bestimmung des Staates, sein abstrakter Begriff, enthält zwar den Grund und damit auch den Zweck dieser Instanz, aber eben noch getrennt von den konkreten Formen ihres Bezugs auf die Bürger. Gerade in diesem abstrakten Begriff wird deutlich, dass die Realisierung von Freiheit und Gleichheit eine ungemütliche Sache ist, weil sie sich erstens ökonomischen Gegensätzen verdankt und zweitens eine mittels Gewaltmonopol erzwungene Aufrechterhaltung dieser Gegensätze zum Zweck hat. Auch ohne Betrachtung der Ökonomie, der Produktionsweise, welche der Staat mit seiner Gewalt am Laufen hält, steht fest, dass er Klassenstaat ist: durch die gleiche Unterwerfung aller garantiert er den Fortbestand aller kleinen und großen Unterschiede – es ist also auch keine Frage, wie der Nutzen aussieht, den die verschiedenen Agenten der kapitalistischen Produktionsweise von ihm haben. Die Freiheit, die ihnen durch die Gleichbehandlung seitens des Staates gesichert wird, besteht in der freundlichen Gewährung des Rechts, sich entsprechend den ökonomischen Mitteln, die sie haben oder auch nicht, ihren Anteil am Reichtum zu sichern – und zwar unter Respektierung anderer, die dasselbe auf ihre Kosten, gegen sie tun. Um dieser Freiheit willen geht es ihnen um den Staat, ohne den sie sich ihrer Mittel gar nicht bedienen könnten: vom praktischen Standpunkt erscheint ihnen die Staatsgewalt als Bedingung der freien Konkurrenz, also wollen sie anerkannte Staatsbürger sein, weil sie es wegen ihrer ökonomischen Interessen sein müssen. Die Gemeinschaftlichkeit, der politische Wille aller im Staat beruht auf einer erzwungenen Leistung des einzelnen Willens, der wegen des privaten Nutzens, auf den es ihm ankommt, auch noch als abstrakt-allgemeiner Wille auftritt: „Die Trennung der bürgerlichen Gesellschaft und des politischen Staates erscheint notwendig als eine Trennung des politischen Bürgers, des Staatsbürgers, von der bürgerlichen Gesellschaft, von seiner eignen wirklichen, empirischen Wirklichkeit, denn als Staatsidealist ist er ein ganz anderes, von seiner Wirklichkeit verschiedenes, unterschiedenes, entgegengesetztes Wesen.“ (MEW 1/281) Was diese Leistung für die besonderen Charaktere der kapitalistischen Produktionsweise bedeutet, inwiefern und für wen sich der Staat durch Gewalt als Mittel betätigt, ist kein Geheimnis – die Unterwerfung aller muss denen zum Vorteil gereichen, die ökonomisch im Vorteil sind. Die folgenden §§ werden also zeigen, was der Staat den verschiedenen Klassen abverlangt und genehmigt, wenn er die freie Konkurrenz zu seinem Anliegen macht.

      Wenn der Staat gewaltsam die Konkurrenz regelt, um sie stattfinden zu lassen, so erhält er eine Ökonomie, in der die Abhängigkeit der Individuen in der Produktion des gesellschaftlichen Reichtums so organisiert ist, dass sie sich in der Verfolgung ihrer Interessen wechselseitig die Teilnahme am Reichtum bestreiten. Weil die Befriedigung eines Sonderinteresses das andere negiert, erfolgt die Unterwerfung unter seine Gewalt, und diese Unterwerfung hat für jeden einzelnen negative, ausschließende Bedeutung. Damit sind freilich die Kollisionen nicht verschwunden, sondern so eingerichtet, dass sich alle vom Staat die Freiheit des anderen als die Schranke der eigenen vorschreiben lassen. Die Tatsache, dass sich die ökonomischen Subjekte eines gesellschaftlichen Zusammenwirkens befleißigen, durch das sie einander von den zu ihrer Existenz notwendigen Mitteln ausschließen, also beständig im Kampf miteinander liegen, behandelt die Staatsgewalt so, dass sie die Ausschließung gebietet und den Angriff auf die Mittel und Existenz des anderen verbietet. Jeder muss mit seinen Mitteln in Abhängigkeit von den anderen, die die ihren einsetzen, zurechtkommen; und der Erhalt neu produzierter Güter hat sich unter Respektierung von Eigentum und Person abzuspielen. Das Privateigentum, die ausschließende Verfügung über den Reichtum der Gesellschaft, von dem andere in ihrer Existenz abhängig sind, also Gebrauch machen müssen, ist die Grundlage des individuellen Nutzens und damit auch Schadens. Ihm verdankt sich die moderne Form der Armut, die sich selbst als Mittel fremden Eigentums erhalten muss, dessen Wachstum selbstverständlich dem Staat am Herzen liegt.

      Schließlich sei noch erwähnt, dass das Privateigentum keine Frage von Zahnbürstchen und Limonade ist, obwohl es im Bereich des individuellen Konsums seine Wirkung zeitigt. Die Abhängigkeit von dem, was anderen gehört, spielt sich auf dem Felde der Produktion und Reproduktion des gesellschaftlichen Reichtums ab. Mit der ausschließlichen Verfügung über die Produktionsmittel und damit über die Produkte erhält der Reichtum die Gewalt, anderen die Existenz zu bestreiten.

      So wenig der von gegensätzlichen Klassen praktizierte Staatsidealismus eine Idylle darstellt, so wenig harmonisch verlief der freiwillige Zusammenschluss zum Staat, die „Staatsgründung“, die noch in jeder Nation bei der Wiederkehr ihres Datums als Anlass zum Feiern genommen wird. Bürgerliche Staaten sind Produkte erlesenen Terrors, was von ihren Liebhabern nicht nur im Falle der französischen Revolution und der beinharten Einrichtung der Bundesrepublik vergessen wird. Das gemeinsame Interesse an der Beseitigung vorbürgerlicher Formen der Staatsgewalt, das die gegensätzlichen Klassen zum Kampf brachte, entsprang ja schon einigermaßen unterschiedenen Anliegen: die einen sahen im alten Staat und den ihn betreibenden Ständen ein Hindernis für ihre Geschäfte, die anderen kämpften um ihre Existenz, die sie durch Arbeit sichern mussten. Die Erreichung des gemeinsamen Ziels fiel selbstverständlich nicht zur Zufriedenheit beider Klassen aus, da die vom demokratischen Gemeinwesen geschützte Möglichkeit, sich im Dienst an fremdem Eigentum zu erhalten, schnell eine bittere Notwendigkeit wurde. dass die Proleten, die die bürgerliche Republik erkämpften, den alten Staat beseitigen mussten, wollten sie leben, heißt eben nicht, dass sie sich im neuen Staat ihr Mittel geschaffen haben.

      Die Unzufriedenheit mit der harten Welt des Eigentums ist ein Springquell der beständigsten Ideologien: aus allen unangenehmen Konsequenzen von Freiheit & Gleichheit, die in den nächsten Seiten noch zur Sprache kommen, pflegen Linke einen Hinweis zu entnehmen auf die mangelhafte Realisierung dieser beiden Ziele der französischen Revolution. Sie bezweifeln die Realität der Gleichheit vor der Staatsgewalt mit den merklichen Unterschieden in der Gesellschaft, machen aus Gleichheit ein Ideal, dessen praktische Verwirklichung sie dem Staat anempfehlen und in ihm durchsetzen wollen. So wenig ihnen auffällt, dass eine gewaltsam aufrechterhaltene Freiheit irgendeinen Haken haben muss, so wenig gibt ihre Phantasie für die Vorstellung eines Gemeinwesens her, in welchem die Unterschiede zwischen den Leuten beseitigt werden. Diese Phantasie ist im Gegensatz zu linken Staatsidealisten recht populär und macht sich in literarischen sowie


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